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Wirtschaft: In Deutschland fehlen 132 000 Lehrstellen

Berlin (ce). Zu Beginn des im August startenden Ausbildungsjahres droht ein erheblicher Lehrstellenmangel.

Berlin (ce). Zu Beginn des im August startenden Ausbildungsjahres droht ein erheblicher Lehrstellenmangel. Nach dem Appell von Handwerkspräsident Dieter Philipp will auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) voraussichtlich in der kommenden Woche seine Mitglieder auffordern, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. „Seit März haben wir einen Rückwärtstrend“, sagte Figen Iskender vom DIHK. Die Betriebe aus Industrie und Handel hätten im Juni mit 157 000 Ausbildungsplätzen gut 10 000 Stellen weniger zur Verfügung gestellt als noch ein Jahr zuvor. Das ist ein Minus von sechs Prozent. Bislang konnten Industrie und Handel in der Regel den Abbau von Lehrstellen im Handwerk ausgleichen.

Florian Gerster, Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Nürnberg, schließt für Ende September sogar „ein rechnerisches Lehrstellendefizit“ nicht aus. Das bedeutet: Die Zahl der Jugendlichen ohne einen Ausbildungsplatz könnte größer sein als die Zahl der offenen Stellen. Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) fordert daher in einem Statement für den Tagesspiegel: „Ich appelliere an alle Arbeitgeber: Gebt den Jugendlichen eine Chance auf Ausbildung!"

Im Bundesgebiet suchten Ende Juni nach Angaben der BA fast 264 000 Jugendliche eine Lehrstelle, davon knapp 168 000 im Westen und 96 000 im Osten. Dem gegenüber standen mit 132 000 Ausbildungsplätzen nur halb so viele unbesetzte Stellen. Normalerweise schließt sich diese Lücke kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres. Auch wenn für den Monat Juli bislang keine Zahlen vorliegen, so hält man es in der Bundesanstalt für Arbeit für Besorgnis erregend, dass sich schon zwischen Mai und Juni keine Besserung auf dem „angespannten“ Ausbildungsmarkt abgezeichnet habe.

Je nach Bundesland und Branche stellt sich die Lage sehr unterschiedlich dar: In Bayern und Baden-Württemberg etwa sind noch viele Lehrstellen unbesetzt. Dort würden besonders anspruchsvolle Ausbildungsplätze angeboten, für die die Betriebe keine geeigneten Bewerber finden, sagt Iskender vom DIHK. Zu viele Bewerber gebe es dagegen im kaufmännischen Bereich und in den „angesagten“ Medienberufen.

Die Arbeitsämter fordern die Wirtschaft mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung auf, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Die Zahl der Schulabgänger werde im Osten bereits ab 2003 zurückgehen, im Westen ab 2007. Das sollten Unternehmen in ihrer mittelfristigen Personalplanung berücksichtigen, sagt BA-Sprecher Roland Schütz.

Unterstützung bekommt er vom Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), das für den Osten in fünf Jahren einen Mangel an qualifizierten Fachkräften prognostiziert. Auch Arbeitsminister Riester warnt: „Jugendliche brauchen eine Perspektive. Sie sind unser Potenzial für morgen.“ In der Wirtschaft ist diese Botschaft angekommen, auch wenn sie sich noch nicht in einem Lehrstellen-Plus widerspiegelt. „In ein paar Jahren werden die Lehrlinge und nicht die Lehrstellen knapp“, räumt Figen Iskender vom DIHK ein.

Für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz springt die Bundesregierung etwa mit dem Ausbildungsprogramm Ost ein, das der Bund und die neuen Länder am Freitag unterzeichnet haben. Gefördert mit 94,8 Millionen Euro sollen in den ostdeutschen Bundesländern und in Berlin in diesem Jahr 14 000 zusätzliche Lehrstellen geschaffen werden. Aber die über- und außerbetriebliche Ausbildung sei häufig „nur eine Warteschleife in die nächste Qualifizierungsmaßnahme“, heißt es beim DIHK. Denn die Wirtschaft greift im Zweifelsfall doch lieber auf die Lehrlinge zurück, die sie selbst ausgebildet hat.

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