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Wirtschaft: "In wichtigen Bereichen sind wir weltweit Marktführer"

TAGESSPIEGEL: Herr Busche, wozu braucht man heute noch Messen?BUSCHE: Der Wettbewerb und die Leistungsfähigkeit des Messeplatzes Deutschland haben dafür gesorgt, daß das Messewesen in Deutschland zu einem außerordentlich wichtigen Faktor für alle außenwirtschaftlichen Kontakte geworden ist.

TAGESSPIEGEL: Herr Busche, wozu braucht man heute noch Messen?

BUSCHE: Der Wettbewerb und die Leistungsfähigkeit des Messeplatzes Deutschland haben dafür gesorgt, daß das Messewesen in Deutschland zu einem außerordentlich wichtigen Faktor für alle außenwirtschaftlichen Kontakte geworden ist.Deutschland hat sich in den vergangenen dreißig Jahren als führender Messeplatz weltweit in Szene setzen können.Etwa 70 bis 80 Prozent der Leitmessen finden in Deutschland statt.Wir haben uns schneller und besser als andere den wachsenden Anforderungen angepaßt.

TAGESSPIEGEL: Sie veranstalten auch Messen im Ausland.Wie wichtig ist noch der Veranstaltungsort einer Messe?

BUSCHE: Sie glauben, es gibt einen Zielkonflikt? Der ist gering.Wenn wir eine Tourismus-Messe in Hongkong organisieren und dabei unseren Partnern aus der Tourismuswirtschaft einen Dienst erweisen und dabei auch noch Geld verdienen, dann ist das in Ordnung.Aber hauptsächlich können und wollen wir in Berlin arbeiten.Auch wir sind mit unserem Standort engstens verknüpft.

TAGESSPIEGEL: Fast jeden Tag schließen sich Unternehmen zusammen.Wieso fusionieren die Messegesellschaften nicht?

BUSCHE: Eine Fusion würde wenig nutzen, im Gegenteil: sie würde den Wettbewerb über Nacht aushebeln.Die deutschen Messegesellschaften sind außerdem stark spezialisiert.Jeder Messeplatz hat eigene Spezialitäten wie die Handwerksmesse in München, die Buchmesse in Frankfurt am Main bis hin zur Funkausstellung in Berlin.Das gibt es jeweils nur einmal.Nein, eine deutsche Messegesellschaft AG würde uns zurückwerfen.

TAGESSPIEGEL: Wie positioniert sich die Messe Berlin in Zukunft?

BUSCHE: In wichtigen und zukunftsträchtigen Bereichen sind wir bereits national oder sogar weltweit Marktführer.Ich nenne beispielhaft den weit ausgreifenden Bereich Consumer Electronics, den wir mit der Funkausstellung strategisch weiter erschließen werden.Ich nenne auch die Verkehrsmesse InnoTrans, unser jüngstes und höchst erfolgreiches Produkt, weil auch hier Marktführerschaft errungen wurde.Das Ziel heißt: nach Möglichkeit die "Nummer-1-Position" erringen.Dann ist auch unseren Partnern in dem jeweiligen Wirtschaftszweig am ehesten gedient.

TAGESSPIEGEL: Das ist kein Selbstläufer.Auch Berlin muß sich jedesmal wieder um die Funkausstellung bemühen.

BUSCHE: Genauso ist es.Wenn wir nicht mit der Branche "atmen" würden, das heißt auch unsere "Dauerbrenner" wie die Grüne Woche oder die ITB nicht ständig überdenken und neu konzeptionieren würden, wäre die Messe Berlin jetzt nicht dort, wo sie ist.

TAGESSPIEGEL: In welche Richtung zielen denn die permanenten Veränderungen? BUSCHE: Hauptsächlich geht es um die Internationalität von Messen.Knapp 60 Prozent unserer Aussteller kommen schon aus dem Ausland.Und die kommen nicht von alleine.Wir haben zwar einen zentraleuropäischen Standortvorteil und liegen so dicht bei unseren mittel- und osteuropäischen Partnern, für die wir der naheliegende Messestandort sind.Wir kümmern uns aber nicht nur um Polen, um Slowakien und Bulgarien, wir kümmern uns auch um Argentinien und um die USA.Unser weltweites Vertretungsnetz umfaßt 80 Länder.

TAGESSPIEGEL: Was ist mit der Internationalen Automobilausstellung, die Sie zurückholen wollen?

BUSCHE: 1950/51 hat Berlin sie verloren, weil die politischen Verhältnisse so schwierig waren.Damals hat Berlin das Versprechen bekommen, daß die Schau zurückkommt, wenn Deutschland sich wiedervereinigt.Dieses Versprechen wurde bisher nicht eingelöst - aber wir bleiben am Ball.

TAGESSPIEGEL: Was spricht denn für einen Standortwechsel vom Main an die Spree?

BUSCHE: Die Anziehungskraft der wachsenden Metropole Berlin wird auch auf die Firmen der Automobilindustrie und den Veranstalter wirken.

TAGESSPIEGEL: Was würde Berlin dadurch gewinnen?

BUSCHE: Für die Region wäre es ein wirtschaftlicher Gewinn.Außerdem wäre unsere Palette mit der IAA sozusagen komplett.Ich glaube übrigens fest daran, daß diese Ausstellung nach Berlin zurückkommen wird.Nur der Zeitpunkt ist offen.

TAGESSPIEGEL: Muß der Berliner Messedirektor auf ewig der lange Arm der Wirtschaftsverwaltung sein?

BUSCHE: So ist es glücklicherweise nicht.Es gibt keine Einmischung, weder von Senatoren noch von Oberregierungsräten.Niemand redet uns rein.Der Senat hat offensichtlich Vertrauen in unsere Kompetenz.

TAGESSPIEGEL: Sie halten nichts von einer Privatisierung?

BUSCHE: Interessenten gibt es schon.Aber das muß nicht sein.Die Diskussion ist an allen deutschen Messeplätzen schon geführt worden; mit dem Ergebnis, daß die Eigentümer am Ende doch am Status Quo festgehalten haben.So stehen die Kommunen und das Land hinter den Messegesellschaften.Und das ist gut so.Denn die Messewirtschaft bleibt ein unverzichtbares Instrument regionaler Wirtschaftsförderung und Wirtschaftspolitik.Wie sollte das unter der Regie beispielsweise eines US-amerikanischen Investmentfonds funktionieren? Am Ende regierte nur ein abstraktes, von den Aufgaben des Messe- und Kongreßgeschäfts und von den Zielen der Region losgelöstes Kapitalanlegerinteresse.

TAGESSPIEGEL: Sind Sie mit der Wirtschaftsförderung in Berlin zufrieden?

BUSCHE: Solange es eine wirkungsvolle Koordination gibt, ist Vielfalt nützlich und Spezialisierung nie verkehrt.

TAGESSPIEGEL: Muß man über Zentralisierung nachdenken?

BUSCHE: Vorsicht vor den Zentralisten.Wer alles unter einer allesregierenden Holding einbringen wollte, wäre auf dem Holzweg.Sachverstand, Engagement und Kompetenz gingen schnell verloren.

TAGESSPIEGEL: Warum will die Messe Berlin das Messegelände übernehmen?

BUSCHE: Wir sind die einzige große deutsche Messegesellschaft, die noch nicht Eigentümer von Grund und Boden ist.Das ist aber auf Dauer kein Zustand.Nur als Eigentümer können wir die vollständige unternehmerische Verantwortung tragen.So könnten wir auch beispielsweise zur Finanzierung von Modernisierungs- und Erweiterungsinvestitionen in eigener Verantwortung Hypothekendarlehen aufnehmen und der Landeshaushalt würde damit nicht belastet.Wir blieben aber - wohlgemerkt - weiterhin eine Landestochter.

TAGESSPIEGEL: Wie teuer wird der Immobilienerwerb für Sie?

BUSCHE: Auch bei anderen Messegesellschaften in Deutschland mußte die Tochter der Mutter nichts "abkaufen" Indirekt bleibt das Eigentum ja in der Familie.Im übrigen hoffe ich, daß wir diese Transaktion im kommenden Jahr bewältigen können.

TAGESSPIEGEL: Welche Belastungen verursachen denn die Sanierungskosten im ICC?

BUSCHE: Die wichtigsten und drängendsten Arbeiten sind erledigt.Allenfalls das angrenzende Parkhaus muß mit der Zeit auf Vordermann gebracht werden.Das kostet wohl schon einen zweistelligen Millionenbetrag.

TAGESSPIEGEL: Zum ICC gesellt sich bald ein 150 Mill.DM teurer und 150 Meter hoher Messeturm.Wer wird den Zuschlag erhalten?

BUSCHE: Wir verhandeln mit zwei Investorengruppen und wollen schon im ersten Quartal 1999 eine Entscheidung treffen.Dann bekommen wir ein ordentliches Entrée für den neuen Südbereich und durch ein integriertes Hotel zugleich zweckmäßige Übernachtungsmöglichkeiten für unsere Messe- und Kongreßgäste.

TAGESSPIEGEL: Von Kombi-Tickets für den Nahverkehr halten Sie nichts?

BUSCHE: Wir propagieren ohnehin massiv die Anfahrt mit dem öffentlichen Personennahverkehr, wir bieten unseren Kunden unentgeltlichen Shuttle-Service.80 Prozent unserer Kundschaft fahren bereits mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln.

TAGESSPIEGEL: Sie haben Ihren Rückzug vorbereitet.Was hat Ihnen in den vielen Jahren Arbeit für die Messe Berlin die größten Schwierigkeiten bereitet und was den meisten Spaß?

BUSCHE: Am wichtigsten, schwersten und schönsten sind für mich immer mit Menschen verbundene Entscheidungen, also Personalentscheidungen im weitesten Sinne.Schwierig war die Zeit bis zum Fall der Mauer.Trotz vielfältiger politischer und praktischer Behinderungen durch die DDR haben wir Messen von Weltrang - wie die ITB - aufbauen und halten können und das ICC Berlin zu weltweiter Bedeutung führen können.Mit der Wiedervereinigung kam für uns endlich Normalität.Diese Umstellung sahen wir nicht als Problem, wir sahen nur Aufgaben und Chancen.Freude haben mir natürlich die Jahr für Jahr wachsenden Erfolge im Messe- und Kongreßgeschäft gemacht und ebenso die Transformation eines kommunalen Eigenbetriebes in ein weltweit angesehenes Unternehmen.Und das alles in der wunderbaren Stadt Berlin.Was will man mehr.

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