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Wirtschaft: "Infineon blüht erst, wenn wir vollkommen unabhängig sind"

Der Infineon-Chef über das Börsenfieber, Chip-Zyklen und neue AktienUlrich Schumacher (42) ist seit 1999 Vorstandschef der Infineon Technologies AG, die aus der Halbleiter-Sparte der Siemens AG hervorging und seit März an der Börse notiert ist. Der promovierte Elektrotechniker begann seine Karriere bei Siemens 1986.

Der Infineon-Chef über das Börsenfieber, Chip-Zyklen und neue Aktien

Ulrich Schumacher (42) ist seit 1999 Vorstandschef der Infineon Technologies AG, die aus der Halbleiter-Sparte der Siemens AG hervorging und seit März an der Börse notiert ist. Der promovierte Elektrotechniker begann seine Karriere bei Siemens 1986. Zwei Jahre später war er Vorstandsassistent, 1991 Marketingleiter des Bereichs Halbleiter. 1996 wurde er mit 38 Jahren jüngstes Vorstandsmitglied des Konzerns. Schumacher ist Porsche-Sammler, verheiratet und hat drei Kinder.

Herr Schumacher, können Sie in drei Sätzen erklären, was ein Halbleiter ist?

Das Besondere an Halbleitern ist, dass sich ihre elektrische Leitfähigkeit durch Anlegen einer elektrischen Spannung verändern lässt. So entstehen winzige Schalter, die millionfach auf einem einzigen Mikrochip integriert werden. Mikrochips sind die Grundlage der modernen Welt: Handys, Internet, Computer - alles basiert auf Halbleitern.

Glauben Sie, dass die Millionen Kleinanleger, die sich vor gut sechs Wochen um Infineon-Aktien gerissen haben, verstanden haben, was Infineon mit Halbleitern tut?

Das ist schwer zu sagen. Es ging uns natürlich nicht darum, Technologien zu erklären. Unsere Werbekampagne hatte das Ziel, die Anwendung von Halbleitern zu beschreiben. Ich denke, die Anleger haben dieses enorme Wachstumspotenzial erkannt.

Und das hat dann das Infineon-Fieber ausgelöst?

Nicht allein. Die Gründe sind wohl vielfältiger.

War es nur die Hoffnung auf schnelle Zeichnungsgewinne oder doch Teil einer wachsenden Aktienkultur?

Ich hatte gehofft, unser Börsengang würde die Aktie noch stärker als langfristiges Anlagemedium ins Bewusstsein der Deutschen rücken. Aber bei einer 33-fachen Überzeichnung ging es vielen natürlich ums Spekulieren. Als unsere Aktie am ersten Handelstag von 35 auf 39 Euro stieg, haben das einige schon als Flop bezeichnet. Leider wurde die Diskussion emotional geführt. Die Enttäuschung, nicht zum Zuge gekommen zu sein, schlug in Aggression um. Aber die deutsche Aktienkultur gewinnt an Bedeutung. Schon bald wird es eine Diskussion wie über das "Recht auf Zuteilung" schon gar nicht mehr geben.

Viele haben vermutet, es sei bei der Zuteilung nicht mit rechten Dingen zugegangen.

Bei einer derart hohen Überzeichnung wie bei Infineon kann nur ein Losverfahren für Gerechtigkeit sorgen. Dass die Telekom später bei T-Online auch das Losverfahren gewählt hat, obwohl die Emission deutlich weniger überzeichnet war, wird oft übersehen.

Ärgert es Sie, dass Sie ungewollt die Zockermentalität der Deutschen geweckt haben?

Der Unmut über das Zuteilungsverfahren und die Beteiligung des Managements am Unternehmenserfolg irritieren mich mehr. Diese Reaktionen gab es aber nur in Deutschland. Die internationalen Investoren reagieren ausnahmslos positiv. Sie spiegeln den Aktienkurs am Potenzial der Firma.

Halten Sie Infineon mit einem Kurs von rund 70 Euro für fair bewertet?

Eine Bewertung überlassen wir den Kapitalmärkten. Aber gemessen an den Erwartungen, die wir geweckt haben, fühlen wir uns angemessen bewertet. Mit Blick auf das Ergebnis des zweiten Quartals, das über den Erwartungen lag, gehen wir aber von einem höheren Potenzial in der Zukunft aus.

Sie haben gesagt, dass Sie sich in einer Branche wohl fühlen, "in der noch etwas hergestellt wird". Zählen Sie Infineon zur so genannten "Old Economy"?

Ich zähle Infineon eindeutig zur "New Economy", obwohl ich eigentlich keine eindeutige Definition von "New" und "Old Economy" kenne. Ein Unternehmen, das mit solider Kapitalausstattung Investitionsgüter produziert, muss nicht zur "Old Economy" gehören. Genauso wenig zählen ausschließlich Internet-Unternehmen, die nur mit Fantasie handeln, zur "New Economy". Ich habe absolut nichts gegen die Internet-Euphorie. Hier ist schließlich ein wichtiger Markt für Infineon entstanden. Auch in diesem Sinne gehören wir klar zur "New Economy".

Der Bedarf an Mikrochips ist wieder gestiegen. Sie können auf absehbare Zeit gar nicht so viele Halbleiter fertigen, wie nachgefragt werden. Es fehlen Produktions-Kapazitäten. Haben Sie wegen der Vorbereitung auf den Börsengang Zeit verloren?

Wir haben natürlich rechtzeitig erkannt, dass der Markt anspringt. Aber durch den Börsengang haben wir kurzfristig Flexibilität eingebüßt, da wir auch rechtlich an den Geschäftsplan gebunden waren, den wir im Börsenprospekt vorgelegt hatten. Trotzdem sind wir im ersten Halbjahr unseres Geschäftsjahres um 68 Prozent gewachsen. Nennen Sie mir ein Halbleiter-Unternehmen, das so zugelegt hat.

Hat Sie das Ausmaß, mit dem die stark schwankende Halbleiter-Konjunktur angesprungen ist, überrascht?

Ja, ich gebe zu, wir waren vom Ausmaß überrascht. Aber nicht nur wir, sondern die gesamte Halbleiter-Industrie.

Anfang der 90er Jahre wurden in Erwartung eines Nachfragebooms weltweit riesige Chipfabriken aufgebaut. Dann kam der Preis-Crash, der die Industrie in die Krise stürzte. Infineon war damals die Halbleiter-Sparte des Siemens-Konzerns und verantwortlich für Milliarden-Verluste. Laufen Sie nicht Gefahr, die neuen Produktions-Kapazitäten wieder in den Sand zu setzen?

Ganz im Gegenteil. Wir gehen davon aus, dass der Aufschwung bis ins Jahr 2003 anhält. Wir haben 1999 und werden in den Jahren 2000 und 2001 massiv investieren und danach das Volumen wieder zurückfahren. Im Gegensatz zur letzten Halbleiterkrise investieren wir jetzt in den Aufschwung hinein. Außerdem erzielen wir deutlich über die Hälfte unseres Umsatzes mit weniger preisanfälligen Produkten. Und wir verfügen heute über eine führende Kostenposition.

In Dresden investieren Sie zwei Milliarden Mark in eine neue Chip-Fabrik, die die leistungsfähigere 300-Millimeter-Technologie umsetzt. 2003 soll das Werk ausgebaut sein - mitten im Abschwung?

Nein. Wir werden in Dresden zwar erst Ende 2002 die volle Produktionsleistung erreichen. Starten werden wir mit der Produktion aber voraussichtlich schon 2001. Das heißt, wir nehmen den Aufschwung 2001 und 2002 noch mit. 2003 haben wir dann das weltweit erste 300-Millimeter-Werk am Markt, das uns einen Kostenvorteil von 30 Prozent bietet. Diesen Kostenvorteil können unsere Wettbewerber nicht nutzen.

Fürchten Sie nicht, dass die Börse Infineon fallen lässt, wenn sich das Halbleiter-Geschäft abschwächt?

Die Portfoliomanager reduzieren den Anteil von Chipherstellern nie auf null, sondern sie suchen sich die wirklich guten Unternehmen aus. Wir werden dazugehören.

Expansion ist das Gebot der Stunde bei Infineon. Fertigungskapazitäten und Know-how wollen Sie sich auch einkaufen. Warum?

Wir wollen etwa sechs Prozent vom Umsatz in Akquisitionen investieren. Die jüngste Übernahme der israelische Savan Communications ist ein Beispiel. Mit Savan bauen wir unsere Position in der schnell wachsenden Breitbandkommunikation aus. Im Markt bewährtes Know-how, das wir mit 250 Millionen Mark bezahlen, weil es uns einen Entwicklungsvorsprung sichert. Wir müssen den Markt sofort bedienen können. Was hilft es uns, wenn wir uns das Know-how billiger selbst aneignen, aber zwei Jahre zu spät am Markt sind?

Schlucken auch in der Halbleiter-Industrie jetzt die Großen die Kleinen?

Man kann in unserer Branche nicht alle über einen Kamm scheren. Fest steht: Die spannenden, hoch bewerteten Zukunftssegmente werden nicht von den großen etablierten Spielern, sondern zunehmend von kleinen Start-ups gestaltet. Deren Know-how müssen wir an uns binden.

Siemens hält noch 71 Prozent der Anteile an Infineon, die nach und nach bis zu einer Minderheitsbeteiligung reduziert werden sollen. Welchen Zeitplan wünschen Sie sich für den zweiten Börsengang?

Wir gelangen am Kapitalmarkt erst dann zu voller Blüte, wenn wir ein vollkommen unabhängiges Unternehmen sind. Dazu muss Siemens aber noch mindestens 22 Prozent an die Börse bringen. Es wäre angesichts unserer Marktkapitalisierung ein Gewaltakt, das in einem einzigen Schritt hinzubekommen. Daher brauchen wir voraussichtlich zwei Schritte.

Die erste Tranche im Herbst, die zweite später?

Siemens hat angedeutet, dass im Herbst 2000 - nach Ablauf der vorgegebenen Sechs-Monats-Frist nach dem Börsengang - eine zweite Infineon-Tranche an den Markt kommen könnte. Das wäre auch für Infineon ein interessanter Zeitpunkt. Eine Entscheidung ist jedoch noch nicht gefallen.

Herr Schumacher, Sie werden als Repräsentant einer neuen, jüngeren Manager-Generation gehandelt. Zu Recht?

Ich entspreche sicher nicht dem Bild des typisch deutschen Managers. Aber das hat wenig mit dem Alter, sondern viel mit dem kulturellen Verständnis von Unternehmertum zu tun. Es geht in modernen, innovativen Unternehmen darum, die Mitarbeiter für Ideen zu begeistern. Da ist die Kleidung, die man trägt, oder das Auto, das man fährt, unerheblich. Das wird gemeinhin als unkonventionell bezeichnet. Eines meiner Lebensziele war immer, mich nicht verbiegen zu lassen und ich selbst zu sein.

Könnte eines Ihrer Lebensziele sein, einmal den Platz von Siemens-Chef Heinrich von Pierer einzunehmen?

Das Thema steht überhaupt nicht zur Diskussion. Ich sehe meine langfristige Aufgabe darin, mich um den nachhaltigen Erfolg von Infineon zu kümmern. Mit Ulrich Schumacher sprach Henrik Mortsiefer

Herr Schumacher[können Sie in drei Sätz]

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