zum Hauptinhalt
In Frankfurt/Main machen Nicht-Hörende, Hörende und Schwerhörige gemeinsam eine Gastronomie-Ausbildung. Der Start in den Beruf ist ein Schwerpunkt der „Initiative Inklusion“.

© imago/epd

Inklusion: Entdecken, was wir können

Beim Einstieg in den Beruf bekommen Jugendliche mit Behinderung Hilfe vom Integrationsamt und der Arbeitsagentur.

Was kann ich gut? Was interessiert mich? Und sieht der Alltag in meinem Wunschberuf genauso aus, wie ich ihn mir vorstelle? Fragen, die alle Jugendlichen in den letzten Jahren vor dem Schulabschluss bewegen – für deren Beantwortung Schülerinnen und Schüler mit Behinderung aber besondere Unterstützung brauchen. Denn sie müssen nicht nur einen Beruf finden, der ihnen Spaß macht, sondern zusätzlich noch einen Betrieb davon überzeugen, ihnen auch mit ihrem Handicap eine Chance zu geben.

Hier will die "Initiative Inklusion" helfen, ein 2011 gestartetes Programm des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit dem Ziel, mehr reguläre Beschäftigungsverhältnisse für schwerbehinderte Menschen zu schaffen. Ein Handlungsfeld ist dabei die berufliche Orientierung schwerbehinderter Schülerinnen und Schüler. „Das Ziel ist, die Jugendlichen in eine Ausbildung zu führen und danach in Arbeit zu bringen“, sagt André Süß, Teamleiter des Bereichs Reha-Ersteingliederung bei der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte. Dabei arbeiten die Rehaberater der Arbeitsagenturen mit den Beratern der Integrationsfachdienste (IFD) zusammen. Letztere beraten und unterstützen im Auftrag des Integrationsamtes Arbeitsuchende und Beschäftigte mit Behinderung sowie deren Arbeitgeber.

„In der achten Klasse erfragen wir bei den Schulen den Bedarf, spätestens Ende der achten, Anfang der neunten Klasse gibt es eine erste Elternveranstaltung“, erklärt André Süß das Procedere. Zusammen mit Schülern, Eltern, Lehrern und den Berufsberatern der Agentur geht es zunächst darum, die Kompetenzen und Potenziale der Jugendlichen zu ermitteln. „Das geschieht in Gesprächen und Hospitationen, aber auch mit Hilfe von Tests oder mit Unterstützung durch den Berufspsychologischen Dienst der Arbeitsagentur“, sagt Süß. Bewerbungs- und bei Bedarf Mobilitätstrainings gehören ebenfalls dazu, „denn die Schüler sollen ihren Praktikums- oder Ausbildungsbetrieb selbstständig erreichen können“.

Gemeinsam mit dem Integrationsberater werden Bewerbungen geschrieben

Praktikum ist auch das nächste Stichwort: In der neunten Klasse startet die Suche nach Betrieben, in denen die Jugendlichen sich ausprobieren können. Das sei mal leichter, mal schwieriger, sagt der Reha-Teamleiter, „je nachdem, wie schwer die Behinderung ist“. Gerade für Jugendliche, die in ihrer geistigen Entwicklung eingeschränkt sind, seien Integrationsunternehmen gute Orte für ein Praktikum. Genau wie „normale“ Betriebe sind sie Teil des ersten Arbeitsmarkts, beschäftigen aber zu einem großen Teil Menschen mit Behinderung, die so den wichtigen ersten Schritt in einen Beruf machen.

In der zehnten Klasse können die Jugendlichen weiter Erfahrungen sammeln, bevor es schließlich ernst wird: Gemeinsam mit dem Integrationsberater schreiben sie ihre Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz. Für Eltern gilt es nun nun überlegen, ob sie einen Reha-Antrag zur Gewährung sogenannter Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stellen sollten. „Das können die Kosten für einen Fahrdienst zum Ausbildungsbetrieb sein, die behindertengerechte Ausstattung des späteren Arbeitsplatzes oder die Begleitung durch einen Arbeitsassistenten“, gibt André Süß Beispiele. Einige Jugendliche bräuchten auch so intensive psychologische oder sozialpädagogische Betreuung, dass der Betrieb „um die Ecke“ überfordert sei. Für sie gibt es die Möglichkeit, einen Beruf in einer außerbetrieblichen Einrichtung, etwa einem Berufsbildungswerk, zu lernen. „Auch diese Kosten kann die Arbeitsagentur tragen.“

Den Arbeitsmarkt im Blick zu haben, ist besonders wichtig

Oft müssen die Berater bei den Betrieben Überzeugungsarbeit leisten. Doch immer wieder gelingt es auch, schwerstbeeinträchtigte junge Menschen auf den Weg in den Beruf zu bringen – so wie kürzlich einen Jugendlichen, der nicht nur auf einen Rollstuhl, sondern auch auf eine Beatmungsmaschine angewiesen war, berichtet André Süß. Für Schüler mit einer Lernbehinderung gibt es die Möglichkeit einer theoriereduzierten Ausbildung: Die Lehre wird ganz regulär in einem Betrieb absolviert, der Theorieanteil ist aber geringer. „Beim Tischler würde das zum Beispiel bedeuten, dass man keine komplizierten Konstruktionspläne erstellen muss“, erklärt Süß. Die Berufsbezeichnung lautet dann Fachpraktiker für Holzverarbeitung. Entsprechendes gibt es etwa in der Gastronomie mit dem Fachpraktiker Küche oder im Bereich der Hauswirtschaft. „Machen Jugendliche dann noch einen Pflegebasiskurs, haben sie beste Aussichten, in Pflegeeinrichtung eine Anstellung zu finden.“

Den Arbeitsmarkt im Blick zu haben ist bei der beruflichen Orientierung von Jugendlichen mit Behinderung noch wichtiger als ohnehin schon. Denn das Ziel ist klar, betont André Süß: „Spätestens ein halbes Jahr nach Ende der Ausbildung soll jeder einen Arbeitsplatz haben.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false