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Alles Toto: In Japan kommt kein angesehenes Lokal mehr um eine Keramik des Marktführers herum. Hierzulande sind Meeresrauschen und Massagestrahl kaum gefragt.

© promo

Innovationen im Toiletten-Design: Ein Riesengeschäft

Der japanische Konzern Toto will Europa mit Hightech-Toiletten versorgen. Doch das Geschäft kommt nicht in Fahrt. Zu unterschiedlich sind die Geschäftskulturen in Japan und Deutschland.

Die Prachtstücke reihen sich aneinander. Ein schmales für Flugzeuge hängt an der Wand, eines für Schnellzüge, dann ein breiteres mit goldverzierter Fernbedienung. Kaufkräftige Kunden aus China hätten es gern etwas prunkvoller, erklärt Junichi Tani, der adrett gekleidete Herr, der die Stücke entworfen hat. „Sind sie nicht schön geworden?“, fragt er. Im Showroom in der Tokioter Konzernzentrale geht es um Klos.

Der Toilettenbesuch soll zum "Erlebnis" werden

Tani ist Chefdesigner bei Toto, dem nach eigenen Angaben größten und innovativsten Toilettenbauer der Welt. Auf dem Heimatmarkt Japan kommt man an ihm nicht vorbei. Neben Klos stellt Toto ganze Badezimmer, aber auch Küchen und Haushaltsgeräte her und gehört mit einem Jahresumsatz von umgerechnet rund 4,3 Milliarden Euro zu den größten Unternehmen Japans. Im Aktienleitindex Nikkei 225 hat es einen festen Platz, knapp 25 000 Mitarbeiter produzieren zehn Millionen Toiletten im Jahr. „Hier hat jeder zweite Haushalt eines von uns“, prahlt Tani. Und geht es nach seinem Arbeitgeber, soll Europa bald folgen.

Ein herkömmliches japanisches Toto-Klo kann schon mal dies: mit einem fernsteuerbaren Wasserstrahl wäscht es alle möglichen Öffnungen des Unterleibs; um Geräusche zu übertönen, läuft durch kleine Lautsprecher Meeresrauschen und Möwengesang; die Klobrille heizt auf eine verstellbare Temperatur an. „Wir haben den Toilettenbesuch zu einem Erlebnis gemacht“, findet Tani. Wahr ist: In Japan kann es sich kein mittelmäßiges Restaurant mehr erlauben, ohne ein Toto-Klo zu sein. Hightech ist längst Standard geworden.

Anti-Bakterien-UV-Licht, Anti-Geruchsfunktion und Ant-Haft-Beschichtung

Erst im Januar präsentierte Tani das Modell „Neorest“ für den japanischen Markt. Neben einem UV-Licht, das auf der wärmenden Klobrille die Keime tötet, gibt es jetzt auch eine Antigeruchsfunktion. Im Bad werde es nie mehr stinken, verspricht das Unternehmen. Und durch eine feinfaserige Keramik und ein Abflusssystem namens „Tornado“ habe mit dem neuen Modell auch die Klobürste ausgedient. Allein Tani und seine direkten Kollegen haben schon Hunderte Patente angemeldet.

Für medizinische Zwecke haben er und die Ingenieure der technischen Abteilung auch schon eine Art Computertoilette entwickelt, die nicht nur nach Science Fiction aussieht: Anhand des Zuckerwerts im Urin erkennt sie den Gesundheitszustand des Benutzers. Wohin mag das noch führen? Tani denkt da an folgendes: „Die Toilette sollte dich erkennen, wenn du den Raum betrittst. Dann wärmt sie dir gleich deinen Präferenzen entsprechend die Brille vor, spielt deine gewünschten Klänge und stellt den Reinigungsstrahl in genau der Härte ein, wie du es haben willst.“ So viel zum Komfort. Der nützliche Teil: „Die Heimtoilette könnte dann deinen Stuhl medizinisch analysieren und wenn sie online ist, können die Werte direkt zum Hausarzt geschickt werden.“

Wasser mit Luftbläschen statt Toilettenpapier

Alles Toto: In Japan kommt kein angesehenes Lokal mehr um eine Keramik des Marktführers herum. Hierzulande sind Meeresrauschen und Massagestrahl kaum gefragt.
Alles Toto: In Japan kommt kein angesehenes Lokal mehr um eine Keramik des Marktführers herum. Hierzulande sind Meeresrauschen und Massagestrahl kaum gefragt.

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Tabus kannte der Konzern noch nie. Der 1917 gegründete Betrieb, einst inspiriert durch die europäische Hygienekultur, führt das weltweite Feld in vielen Bereichen an. Totos Duschen verbrauchen heute weniger Wasser, weil die mit Luftbläschen gefüllten Strahlen voluminöser sind. Die Händetrockner funktionieren kontaktlos. Auch viele der fortschrittlichsten barrierefreien Badezimmer kommen von Toto. Die Königsdisziplin aber ist das Hightechklo.

Der erste große Wurf gelang 1980 mit dem „Washlet“. Unterhalb der Brille schoss erstmals im 43-Gradwinkel ein Wasserstrahl, der alle Reste nach dem Stuhlgang bereinigen konnte. Auch ein Temperaturregler für den säubernden Strahl war schon dabei. 13 Jahre später folgte der nächste Entwicklungsschritt. Die Brille öffnete sich automatisch, Stärke sowie Muster des Reinigungsstrahls wurden regulierbar, eine Trocknerfunktion war eingebaut.

Seit 2008 schon können Kunden die Hightechtoiletten auf dem Kontinent kaufen. Doch bisher blieben die Umsätze bescheiden. Noch in keinem Jahr konnte Totos Europageschäft Gewinne verbuchen. Offiziell gehe es zunächst auch eher ums Prestige. „Europa ist weltweit tonangebend, was Mode, Design und Luxusgüter angeht. Wer dort verkauft, verkauft überall“, sagt eine Toto-Sprecherin. Und warum verkauft Toto bis jetzt kaum auf dem Alten Kontinent?

"Die Europäer sind so konservativ!"

„Ja, die Europäer sind leider so konservativ!“, klagt Tani, der Designer. Eine Anekdote, die ihn heute noch wütend mache, erklärt in seinen Augen alles. „Vor einigen Jahren stellten wir auf einer großen Messe in Mailand aus. Eine alte Frau sah unseren automatisch öffnenden Deckel. Sie lachte uns aus und fragte, was das solle.“ Junichi Tani war fassungslos. Ausgerechnet eine Italienerin habe kein Verständnis für sein Produkt, aus diesem maßgebenden Land für Mode und Design, das sich obendrein demografisch ähnlich entwickelt wie Deutschland, Österreich und Japan: Die Zahl der Alten, Unselbstständigen und Pflegebedürftigen steigt rapide an. Gerade für sie sind Toiletten, die einem alle Griffe abnehmen, von Nutzen.

„Die Zeit wird kommen. Aber die Europäer sind noch nicht so weit“, sagt Tani und deutet noch einmal auf die acht Klos im Showroom. Eins nach dem anderen. Ein Moment Ruhe, dann ein mahnender Blick. „All die Japaner, die sich in ihrem Land weigern, auf eine öffentliche Toilette zu gehen, sollten die Zustände in Europa sehen.“ Für zimperlich hält sich Junichi Tani nicht. Aber ein öffentliches Klo, wie er sie in Italien, Österreich und Deutschland erlebt habe, werde er nie wieder benutzen. Komme, was wolle.

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