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Es geht los. Von Berlin aus schicken internationale Konzerne ihre Mitarbeiter ins Ausland. Und die gehen meist mit Begeisterung.

© Adam Gregor - Fotolia

Ins Ausland gehen: Auf Wiedersehen

Nicht einmal jeder zweite Deutsche will für den Job vorübergehend die Koffer packen. Warum dennoch vieles dafür spricht.

Mehr als 15 Stunden saß Oliver Pieper im Flugzeug, bevor für ihn ein neuer Lebensabschnitt begann. Der 44-Jährige stieg ein in Berlin-Tegel und landete vor ein paar Tagen in Kuala Lumpur, der malaysischen Hauptstadt.

Dort wird der Diplom-Kaufmann nun drei Jahre lang für seinen Arbeitgeber BASF Services Europe am „Asia-Pacific Service Centre“ des Chemiekonzerns ein neues Team aufbauen, das sich um offene Rechnungen, Forderungen und Mahnungen von Kunden im asiatischen Raum kümmert. „Für mich ist das eine große Chance“, freut sich Senior-Teamleiter Pieper, der am Standort Berlin rund 50 Mitarbeiter führte.

So viel Interesse daran, Auslandserfahrungen zu sammeln, haben nicht alle Beschäftigten in Deutschland. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) und der Jobbörse Stepstone sind nur 44 Prozent der Deutschen willens, für einen Job vorübergehend ins Ausland zu gehen. In Frankreich und den Niederlanden sind es 90 und weltweit im Schnitt 64 Prozent der 200 000 Befragten aus 189 Staaten.

Warum gerade deutsche Arbeitnehmer wesentlich zurückhaltender sind beim Sprung ins Ausland, erklärt die Studie nicht. Sie führt aber auf, dass Deutschland jobmäßig das viertattraktivste Land nach den USA, Großbritannien und Kanada ist. Warum sollte man solch gute Arbeits- und Lebensbedingungen auch aufgeben?

Deutschland ist attraktiv. Warum sollte man gehen?

Es liegt an etwas anderem, meint Klaus Döring. Er ist Professor an der Technischen Universität (TU) Berlin für Innovationsmanagement und außerdem Führungskräftecoach. „Viele junge Führungskräfte denken, sie verpassen den Karrieresprung, wenn sie ins Ausland gehen“, sagt er. Ein mehrjähriger Aufenthalt in der Ferne werde oft als Ablenkung vom Karriereplan gesehen.

Das Argument ist dem Berliner Personalleiter beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen KMPG, Ulf Hellert, gut bekannt. Deshalb sei es so wichtig, die „Expats“, die aus dem Ausland wieder ins Unternehmen in Deutschland Zurückkehrenden, wieder gut einzugliedern. „Die Mitarbeiter müssen darauf vertrauen können, ihre Karriere nach der Rückkehr erfolgreich fortsetzen zu können“, sagt er.

Er sieht aber noch andere Gründe, warum die Entscheidung, ins Ausland zu gehen, heute sehr viel stärker abgewogen wird als früher. „Bei vielen Hochschulabsolventen, die bei KPMG beginnen, war ein Auslandsaufenthalt bereits Teil des Studiums“, sagt Hellert. Der Reiz scheint damit etwas verflogen zu sein. Hinzu komme, dass immer öfter auch der Lebenspartner im Ausland einen Job finden müsse. „Dies alles führt dazu, dass nicht jede Möglichkeit, im Ausland zu arbeiten, automatisch als attraktiv angesehen wird“, bilanziert der Personalchef.

Zu einer anderen Einschätzung kommt man bei der BASF Services Europe in Berlin, die den Teamleiter Pieper nach Malaysia geschickt hat. „Mitarbeiter, denen wir die Möglichkeit anbieten, ins Ausland zu gehen, sind alle sehr interessiert und begeistert“, sagt Personalleiter Jens Christian Bechtold. Das Unternehmen entsendet vor allem Team- und Abteilungsleiter sowie Fachkräfte auf Referentenebene für mehrere Jahre insbesondere an die Firmensitze in Kuala Lumpur und Montevideo in Uruguay. „Die Mitarbeiter sollen dort internationale Erfahrung sammeln und sich fachlich entwickeln“, erklärt Bechtold. Das bringe langfristige Karrierevorteile: „Es macht sich immer gut, im Lebenslauf nachweisen zu können, in einem anderen Land erfolgreich gewesen zu sein.“ Davon ist auch Pieper überzeugt: „Mit dem Aufenthalt in Malaysia mache ich mich auf alle Fälle noch interessanter für die BASF“, sagt der gebürtige Krefelder, der nach Asien auch seine Familie mitgenommen hat. Zudem würden ihn das neue Umfeld, die neue Kultur und die neuen Erfahrungen auch persönlich weiterbringen.

Auch Führungskräftecoach Döring sieht Auslandsaufenthalte als positiv an. „Wenn es gelingt, anderswo Fuß zu fassen und die Aufgaben erfolgreich zu lösen, hat man bei der Rückkehr ein erhebliches Plus“, sagt er. Dies fördere die Karriere.

Bei Procter & Gamble, in Berlin mit dem Gillette-Werk präsent, sind internationale Aufenthalte Teil der Karriereplanung und Weiterbildung der Mitarbeiter. „Für viele Beschäftigte ist das selbstverständlich“, sagt Unternehmenssprecherin Nina Knecht. In der Regel wechselten sich für die Beschäftigten lokale, europaweite und globale Rollen und Verantwortungsbereiche im In- und Ausland ab.

Die Karriere könnte ins Stocken geraten

Besonders eng ist die Zusammenarbeit der Berliner Produktionsbereiche mit der Forschungsabteilung in Boston. Anja Nyilas, Managerin im Bereich Klingenfertigung, leitete dort von 2003 bis 2009 eine Abteilung, die unter anderem neue Materialien für die Klingenfertigung entwickelte. Nyilas war für globale Lieferanten zuständig und leitete globale Benchmarking-Teams. „Dadurch hatte ich die Möglichkeit, andere Länder und Kulturen, wie Indien, China, Japan oder Südamerika kennenzulernen“, sagt sie. Die Erfahrungen und Verbindungen kämen ihr bei ihren derzeitigen Aufgaben zugute, denn auch ihre jetzige Arbeit am Standort Berlin sei sehr international.

Die Bereitschaft der Mitarbeiter, ins Ausland zu gehen, wird von vielen Unternehmen erwartet. Das ist auch beim Autobauer Daimler so, der auch in Berlin ein Werk betreibt. „Der Konzern wird immer internationaler, da müssen unsere Mitarbeiter die Fähigkeiten haben, mit Kollegen anderer Kulturen zusammenzuarbeiten“, sagt Steffen Wachter, Leiter Global Assignment Management. Und das lernen Beschäftige am besten im Ausland.

Doch auch Wachter kennt die Bedenken der Mitarbeiter, dass deren Karriere nach der Heimkehr ins Stocken geraten könnte. „Die entscheidende Frage, die sich jeder vor einem Auslandsaufenthalt stellen muss, lautet: Wie gut hilft mir die internationale Erfahrung beruflich, kulturell und persönlich im Hinblick auf die Stelle, die ich künftig gerne machen würde“, sagt er. Um sicherzustellen, dass die Wiedereingliederung der Expats optimal verläuft, werden bei Daimler bereits vor dem Auslandsaufenthalt Gespräche mit dem Vorgesetzten am Heimatstandort geführt und über Entwicklungsmöglichkeiten nachgedacht.

Der Abschied aus Berlin ist ja keiner für die Ewigkeit. „Natürlich verlasse ich tolle Kollegen und Freunde, aber das ist ja nicht für immer, wir kommen wieder zurück“, sagt Diplom-Kaufmann Pieper. Traurig stimme ihn der Abschied deswegen nicht. Er freut sich nun erst einmal auf das neue Leben in Malaysia.

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