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Letzter Gruß: Der Empfangsbereich der Air-Berlin-Zentrale am Saatwinkler Damm beim Flughafen Tegel.

© Kevin P. Hoffmann

Insolvente Fluggesellschaft: Air Berlin geht die Puste aus

Es knirscht in den Kaufverhandlungen um die insolvente Air Berlin. Spätestens Ende Oktober stellt sie den Flugbetrieb ein. Mitarbeiter bewerben sich bei Fremdfirmen.

Immerhin fast zwei Monate konnte die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft nach ihrem Insolvenzantrag am 15. August einen Flugbetrieb aufrechterhalten. Immer mehr Strecken wurden seither gestrichen, kommenden Sonntag dürfte der letzte Langstreckenflug ab Düsseldorf abheben. Ab Berlin fliegt die Gesellschaft schon seit zwei Wochen nicht mehr über den Atlantik. Und spätestens ab Samstag, den 28. Oktober, dürfte der allerletzte Flug mit Air-Berlin-Flugnummer abheben – knapp 40 Jahre nach Gründung dieser Fluggesellschaft.

Dieses Datum nannten Vorstandschef Thomas Winkelmann und der vom Amtsgericht bestellte Generalbevollmächtigte Rechtsanwalt Frank Kebekus am Montag in einer E-Mail an die rund 8.000 Mitarbeiter (Lesen Sie hier den Inhalt im Wortlaut). Ein „eigenwirtschaftlicher Flugverkehr“ unter dem Airline-Code AB sei „nach gegenwärtigem Erkenntnisstand“ dann nicht mehr möglich, hieß es.

Die ausgeliehenen Jets und Tochter Niki fliegen weiter

Es gibt Ausnahmen: Air Berlin hatte vergangenen Herbst 38 Flieger samt Crews an die Lufthansa-Tochter Eurowings ausgeliehen. Diese sind noch nicht alle umlackiert, fliegen aber weiter. Gleiches gilt – Stand jetzt – auch für Air Berlins kleine Tochtergesellschaft Niki, die viele der Sonnenziele aus dem Flugplan der Mutter übernommen hatte. Auch die Propellerflieger der Regionalflugtochter LGW dürften weiterhin unterwegs sein, hieß es. Gleichwohl steht fest: Die Air Berlin, wie man sie bisher kannte, gibt es bald nicht mehr.

Ausfahrt Transfergesellschaft? Betriebsräte führen Gespräche mit der Geschäftsführung, um Mitarbeiter nicht in die Arbeitslosigkeit fallenzulassen. Das Foto zeigt eine Werbetafel am Flughafen Tegel.
Ausfahrt Transfergesellschaft? Betriebsräte führen Gespräche mit der Geschäftsführung, um Mitarbeiter nicht in die Arbeitslosigkeit fallenzulassen. Das Foto zeigt eine Werbetafel am Flughafen Tegel.

© Kevin P. Hoffmann

Viele Mitarbeiter, vor allem aus der Berliner Zentrale, müssen sich nun auf Jobsuche begeben. Denn ihre Chancen, bei einem der Wettbewerber, die sich um Teile der Air Berlin bemühen, unterzukommen, gelten als denkbar gering. „Wir möchten euch daher ausdrücklich ermutigen, Euch aktiv auf dem Arbeitsmarkt umzuschauen“, schreiben die Air-Berlin-Chefs an die Belegschaft. Das „Du“ hat Tradition bei der „Airline mit Herz“, die sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit einem lockeren Umgangston vom eher elitären Image der einstigen Staatsfluglinie Lufthansa abgegrenzt hat.

Nur 20 bis 50 Piloten zu Lufthansa gewechselt?

Nun hoffen viele Air Berliner, die diese familiäre und mitunter unkonventionelle Atmosphäre geschätzt haben, ausgerechnet beim Lufthansa-Konzern zu landen. Der hat angeblich auch bereits 1000 neue Jobs ausgeschrieben – allerdings nur bei seiner Billigtochter Eurowings, wo das Gehaltsniveau deutlich niedriger ist als bei der Kernmarke. Bei der Pilotenvereinigung Cockpit (VC) glaubt man derweil nicht mehr daran, dass Lufthansa die große Lösung bietet: „Wir schätzen, dass von den 1250 Kollegen vielleicht 20 bis 50 diesen Schritt gegangen sind“, sagte VC-Sprecher Markus Wahl. Er begrüßte aber, dass Air Berlin nun erste Gespräche über einen Sozialplan mit den Mitarbeitern führt, wenn auch „reichlich spät“.

Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) teilte dazu mit: „Die Erwartung ist, dass das Insolvenzverfahren über Air Berlin zügig und transparent zu Ende geführt wird. Die betroffenen Beschäftigten brauchen zeitnah eine seriöse und verlässliche Perspektive“.

Tatsächlich fand am Montag ein Gespräch von Betriebsräten und der Geschäftsführung statt – allerdings ohne konkrete Ergebnisse. Mitte dieser Woche wollen sich die gewählten Mitarbeitervertreter mit ihrem Anwalt in der Zentrale der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi schulen lassen, um dann kommende Woche noch einmal mit der Geschäftsführung zu sprechen.

Die Chefetage: Lucas Flöhter, vom Gericht bestellter Sachwalter der Air Berlin (links), Thomas Winkelmann (Vorstandschef, Mitte) und der Generalbevollmächtigte Rechtsanwalt Frank Kebekus.
Die Chefetage: Lucas Flöhter, vom Gericht bestellter Sachwalter der Air Berlin (links), Thomas Winkelmann (Vorstandschef, Mitte) und der Generalbevollmächtigte Rechtsanwalt Frank Kebekus.

© AFP/John MacDougall

Auch ihre Gesprächspartner wollen dann schlauer sein. Bereits am kommenden Donnerstag endet die mit Eurowings und der britischen Easyjet vereinbarte Exklusivität der Verhandlungen. Ziel ist es, von diesen Bietern ein Angebot zu bekommen, mit dem Air Berlins Gläubigervertreter leben können. Eine große Rolle spielt dabei immer die Frage, inwieweit die Bieter auch bereit sind, einen Weiterbetrieb von Betriebsteilen der Air Berlin auch für die kommenden Wochen zu finanzieren, in denen die Kartellbehörden den Übergang prüfen. Bisher liefen die Bieterverhandlungen ziemlich geräuschlos. Nun sickert aber durch, dass vor allem Easyjet den Preis drücken will. Das ist sicher Teil der Verhandlungstaktik, ein Abbruch scheint tatsächlich noch möglich. Dann könnten andere Interessenten, die auch für Air Berlin als Ganzes geboten hatten, wieder zum Zuge kommen. Freilich gibt es die Air Berlin, wie sie Mitte August bestand hatte, dann ja nicht mehr. Die Zeit läuft ab.

Wie berichtet, findet am Dienstag in Räumen der Air-Berlin-Zentrale am Flughafen Tegel eine nicht-öffentliche „Job-Messe“ statt, wo auch große Berliner Arbeitgeber wie Deutsche Bahn, Zalando und BASF Services Bewerbungen annehmen. Auch so unterschiedliche Firmen wie der Gebäudebetreiber Gegenbauer oder die Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss haben dem Tagesspiegel erklärt, dass sie sich aktiv um Mitarbeiter der Air Berlin bemühen wollen.

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