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Bis aufs letzte Hemd: Die Zahl der Privat- und Unternehmensinsolvenzen ist in Berlin stärker gestiegen als im Rest des Landes.

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Insolvenz: Gescheitert in Berlin

In der Krise gehen zunehmend Privatpersonen und Unternehmen in der Region pleite.

Von Maris Hubschmid

In der Hauptstadt rutschen Menschen immer häufiger in den finanziellen Ruin. Im ersten Halbjahr 2012 mussten in Berlin deutlich mehr Privatpersonen Insolvenz anmelden als im Vorjahreszeitraum. Das geht aus einer Erhebung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt.

Demnach stieg die Zahl der Verbraucher, die ihre Rechnungen nicht mehr zahlen konnten, von 3020 auf 3210 – das war ein Zuwachs von 5,9 Prozent. Laut Creditreform steht diese Zunahme stark gegen den bundesweiten Trend: In Gesamtdeutschland gingen die Verbraucherpleiten um 1,4 Prozent zurück.

„Vor allem im Dienstleistungsbereich sind viele Menschen in finanzielle Not geraten, die sie nicht mehr bewältigen konnten“, sagt Creditreform-Experte Hans-Ulrich Fitz. Neben der Krise in der Solarbranche habe sich dabei auch die Pleite der Drogeriemarktkette Schlecker bemerkbar gemacht. „Es gab viele Schlecker-Filialen in Berlin, deswegen waren hier besonders viele von den Entlassungen betroffen. Und so, wie die Sätze für Arbeitslosengeld sind, bekommen Menschen, die Familie haben, schnell echte Probleme.“ Auch etliche andere Unternehmen hätten im Zuge der Wirtschaftskrise Mitarbeiter entlassen. „Denen fällt es dann häufig schwer, den Lebensstandard so schnell herunterzufahren, dass sie mit den Sozialleistungen auskommen“, sagt Fitz. Eine günstigere Wohnung etwa finde man nicht von heute auf morgen.

Unter den Zahlungsunfähigen seien aber auch viele ehemalige Selbstständige, sagt Fitz. Das Deutsche Wirtschaftsinstitut (DIW) in Berlin reagiert gelassen auf die Zahlen. „Die Summe der Selbstständigen ist in Berlin im letzten Jahr doppelt so stark gestiegen wie im Rest Deutschlands. Hier gibt es einfach mehr Menschen, die etwas wagen. Dass es da auch Fälle des Scheiterns gibt, überrascht nicht“, sagt DIW-Konjunkturexperte Karl Brenke.

Auch bei der IHK wertet man die Zahlen nicht als Indikator für die wirtschaftliche Verfassung der Region und beruft sich auf die Wirtschaftstruktur: „Bei uns prägen überwiegend kleine und mittlere Dienstleister und Händler das Bild.“ Ständig drängten neue Unternehmen auf den Markt. Andere schieden deswegen aus.

Bei den Firmeninsolvenzen stieg die Zahl im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls an. An der Spree gingen 670 Firmen Pleite, auch in Brandenburg gaben in diesem Jahr bislang mehr Unternehmen auf als in den gleichen Monaten 2011. Zwar nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ganzen Land leicht zu, in Brandenburg war der Anstieg aber dreimal so hoch wie im Bundesschnitt, auch in Berlin fiel er im Vergleich mehr als doppelt so hoch aus. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft in Berlin wollte die Zahlen am Freitag nicht kommentieren, sondern zunächst genau analysieren und weitere Wirtschaftsdaten abwarten, wie es auf Anfrage hieß.

Deutschlandweit wurden im ersten Halbjahr 15 200 Firmenpleiten gezählt. Der dadurch entstandene Schaden beläuft sich den Angaben der Auskunftei zufolge auf mehr als 16 Milliarden Euro, von denen knapp fünf Milliarden auf die öffentliche Hand entfallen. Akut droht nach Ansicht von Creditreform 150 000 Beschäftigten in Deutschland der Arbeitsplatzverlust, weil ihre Arbeitgeber insolvenzgefährdet sind. Die Experten erwarten, dass die Zahl der Insolvenzen auch in Berlin weiter steigen wird.

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