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Eine Air-Berlin-Maschine mit dem Fernsehturm im Hintergrund.

© Fabrizio Bench/Reuters

Insolvenz von Air Berlin: Die größten Verlierer sind die Bürger von Berlin

Die Air-Berlin-Krise ist schön orchestriert. Dennoch zeigt sie: Berlin spielt beim BER-Projekt nur die dritte Geige. Ein Kommentar.

Es ist kurios, dass Air Berlin ausgerechnet beim Insolvenzantrag die beste Performance seit Jahren abgeliefert hat: Ein Rädchen griff ins nächste, alles lief so rund. Der am Dienstag eingereichte Antrag wirkte so gar nicht wie eine Niederlage: Das Unternehmen präsentierte einen Schuldigen, den - angeblich - wortbrüchigen Großaktionär aus dem Morgenland.

Zwei rivalisierende Bundesministerien präsentieren in seltener Eintracht den Überbrückungskredit, der den Flugbetrieb bis in die Wochen nach der Wahl garantiert. Und der Rivale Lufthansa stand auch schon bereit mit der Erklärung, die besten Teile dieser einst guten Airline übernehmen zu wollen.

Da war kein Zufall, um so mehr Planung im Spiel. Nur ein wenig von diesem Managergeschick hätte Air Berlin in den vergangenen zehn Jahren gut gebrauchen können, dann wäre dieses Schauspiel nicht erst nötig geworden.

Der Erfolg hat viele Väter. Diese werden sich in diesem Fall aber vornehm zurückhalten, da es bei den Kartellbehörden und auch bei manchem Wähler gar nicht gut ankommen dürfte, wenn offenbar wird, was hier ordnungspolitisch alles zurechtgebogen wird, um dem deutschen Luftfahrtkonzern Nummer eins die einst stolze Nummer zwei zuzuschachern.

Das Ziel ist es, Araber, Briten und Iren mit ihren kundenfreundlichen (weil wettbewerbsfähigen) Flugpreisen möglichst kleinzuhalten.

Air Berlin ist nicht Schlecker

Auch der Misserfolg hat viele Väter. Und es ist leicht wie wohlfeil, in diesen Stunden auf den eigenwilligen Gründer Joachim Hunold oder dem arabischen Großaktionär Etihad herumzuhacken. Hat der eine damals nicht die Air Berlin zu schnell aufgebläht, und haben die Scheichs etwa nicht ihr Wort gebrochen, als sie der Kanzlerin beim Staatsbesuch in Abu Dhabi persönlich versprachen, sie würden die Liquidität bis Herbst 2018 garantieren?

Ja und Nein. Es stimmt schon, aber in der Gesamtschau ist Hunolds Air Berlin eine Erfolgsgeschichte! Mehr als ein Vierteljahrhundert lang hat dieses Unternehmen für Wettbewerb gesorgt, es hat geholfen, das Produkt Flugreise zu demokratisieren. Und die Scheichs, denen Gesichtswahrung bei Geschäften angeblich so wichtig ist: Sie haben durch ihren Einstieg im Jahr 2011 Air Berlin vor dem Absturz gerettet und seither mindestens 1,5 Milliarden Euro damit verbrannt.

Jeder weitere Monat, den sie sich von den Deutschen auf der Nase herumtanzen lassen, hätte sie ihr Gesicht weiter verlieren lassen. Der Rückzug ist mehr als nachvollziehbar.

Und wer sind die Verlierer? Einige Mitarbeiter und ihre Familien, sicher. Wobei: Der Luftverkehr wächst auch hierzulande stetig und Fachkräfte werden gesucht. Die Wenigsten werden tief fallen, Air Berlin ist nicht Schlecker. Der größte Verlierer ist der Großraum Berlin, respektive seine reisefreudigen Bewohner. Sie werden bei Auslandsreisen deutlich häufiger als bisher in Frankfurt oder München umsteigen müssen und mutmaßlich höhere Preise zahlen, sollte Lufthansa zum Zuge kommen.

Der Fall Air Berlin zeigt vor allem, wie schlecht der Berliner Senat und auch die CDU/FDP-Opposition in der Bundespolitik vernetzt sind - und wie schwer das BER-Debakel wiegt. Beide Themen sind verwoben: Wo war Michael Müller von der SPD, wo war Monika Grütters von der CDU, als es darum ging, wie man die Stärken des Luftverkehrsstandortes Berlin erhalten beziehungsweise ausbauen kann, so lange das BER-Problem nicht gelöst ist?

Ein Teil der Air-Berlin-Probleme wurzeln in der Nichteröffnung des BER und dem Umstand, dass man Tegel nicht fit gemacht hat, die vielen Millionen Passagiere schnell abzufertigen. Airlines sind nun einmal darauf angewiesen, dass die Infrastruktur, die in der Regel noch der Staat bereitstellt, auch funktionieren. Ein anderer Teil sind die bilateralen Luftverkehrsabkommen, die nur auf die Lufthansa zugeschnitten sind.

Berlin ist eine großartige Stadt im geografischen Herzen Europas

Die Lufthansa als einstige Staatsfluglinie der Bundesrepublik ist hingegen extrem gut vernetzt in der Bundeshauptstadt, wobei sie den Standort Berlin stiefmütterlich behandelt zu Gunsten von München und Frankfurt, wo sie ihre Drehkreuze betreibt.

Nun braucht es eine neue „Air Berlin“. Die Flieger der heutigen Air Berlin werden ja irgendwann umlackiert in den Farben der Lufthansa-Billigtochter Eurowings oder ins Orange einer Easyjet. Die neue Berliner Airline muss gar nicht aus Berlin stammen (der Gründer der alten lebt ja auch in Düsseldorf). Sie muss auch nicht „Berlin“ im Namen tragen.

Sie sollte nur erkennen, dass Berlin eine großartige Stadt ist, dass Berlin im geografischen Herzen Europas liegt, dass hier viele Millionen Menschen leben leben, die gern direkt von A nach B fliegen, so dass es sich lohnt, hier einen starke Basis mit vielen Fliegern zu stationieren. Ob diese Airline nun Ryanair oder Aeroflot heißt: Egal. Berliner sind pragmatisch, weltoffen und flexibel.

Berlins Senat und seine Flughafengesellschaft sollten schnell vom Jammer- in den Zukunftsmodus schalten und auf Kundenwerbung gehen - und vielleicht sogar den nur auf den ersten Blick irren Gedanken durchspielen, dass der Bund beim BER-Projekt der falsche Partner ist, ein Partner, von dem man sich irgendwie trennen muss. Die Air-Berlin-Krise, so schön sie auch orchestriert ist, zeigt auch, dass Berlin selbst hier nur die dritte Geige spielt und vom Dirigenten ignoriert wird.

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