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Dichtgemacht. Im Osten gingen in den ersten sechs Monaten des Jahres weniger Firmen pleite als im Westen.

© dpa

Insolvenzen: Am Aufschwung vorbei

Im Osten ist die Zahl der Unternehmenspleiten im ersten Halbjahr nur leicht gestiegen. Berlin ist dabei ein trauriger Ausreißer nach oben.

Die Auftragsbücher in der Industrie füllen sich wieder, die Wachstumsprognosen fallen freundlicher aus, die Arbeitslosenzahl ging im Juni um eine Viertelmillion zurück – der Aufschwung ist da, könnte man meinen. Bei vielen Unternehmern und Verbrauchern, die in der Finanzkrise ins Straucheln gekommen waren, scheint er noch nicht angekommen zu sein. Nach einer Untersuchung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt, sind im ersten Halbjahr dieses Jahres wieder mehr Unternehmen und Privatpersonen in die Insolvenz gegangen als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt stieg die Zahl der Insolvenzen in Deutschland um mehr als zehn Prozent auf 87 150 Fälle.

Die Anmeldung der Insolvenz ist der letzte Schritt, wenn Unternehmen und Privatleute pleite sind und deshalb ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können. Im Insolvenzverfahren wird dann geprüft, welche Werte bei Privatleuten und Unternehmen noch vorhanden sind.

17 360 Unternehmen gingen nach der Untersuchung von Creditreform in den ersten sechs Monaten 2010 in die Insolvenz. Das waren 7,1 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2009. „Die Wirtschaftskrise hinterlässt weiter ihre Spuren“, begründete Hans-Ulrich Fitz, Sprecher von Creditreform Berlin, den Anstieg. Nachdem im Krisenjahr 2009 besonders große Konzerne betroffen gewesen seien, kämen die Probleme nun im Mittelstand an. „Die Banken sind sehr zögerlich mit Krediten, besonders bei angeschlagenen Unternehmen“, führte Fitz an.

Doch auch 2010 traf es einige Großunternehmen: Der Haushaltsdiscounter MäcGeiz und der Pflegeheimbetreiber Hansa-Gruppe mit je 1600 Mitarbeitern sowie der Maschinen- und Anlagenbauer Rohwedder mit 700 Mitarbeitern sind bekannte Beispiele.

Bei den Verbraucherinsolvenzen war die Lage noch dramatischer: Hier stieg die Zahl um fast elf Prozent auf 69 790 Fälle. Die Untersuchung von Creditreform führt dies auf die stark gestiegene private Verschuldung zurück. Rund 6,2 Millionen Deutsche gelten als überschuldet, weil sie mit ihren laufenden Einnahmen ihre Verbindlichkeiten wie Kreditraten nicht mehr bedienen können. „Das liegt auch daran, dass viele Leute in der Krise arbeitslos geworden sind und nun kein Einkommen mehr haben“, erklärte Fitz.

Während in Westdeutschland die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 8,5 Prozent anstieg, waren es im Osten nur 1,6 Prozent. Dies ist nach Angaben von Creditreform sowohl der weniger exportabhängigen Wirtschaftsstruktur im Osten als auch dem höheren Anteil des öffentlichen Sektors geschuldet. Die Hauptstadt bildet dagegen eine traurige Ausnahme (siehe Grafik). In Berlin stieg die Zahl der Insolvenzfälle bei Unternehmen in den ersten sechs Monaten des Jahres um ein Sechstel auf 920. Besonders betroffen waren der Bausektor mit einem Plus an Insolvenzen von 31 Prozent und das verarbeitende Gewerbe mit einem Plus von 115 Prozent. Im Dienstleistungsbereich waren die Insolvenzen in Berlin dagegen rückläufig. Die Privatinsolvenzen stiegen wie der Bundesschnitt um rund elf Prozent. Bis Ende des Jahres rechnet Creditreform mit bis zu 36 000 Firmenpleiten. Im Rezessionsjahr 2009 waren es rund 33 000 gewesen. Die Privatinsolvenzen könnten bis zum Jahresende auf den Rekordwert von 120 000 Fällen anschwellen. Doch Fitz ist auch ein bisschen zuversichtlich: Im ersten Halbjahr 2010 hat es in Berlin 3000 Neueintragungen von Firmen ins Handelsregister gegeben – 570 mehr als im Vorjahreszeitraum.

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