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Wirtschaft: Insolvenzen: Zahl ist drastisch gestiegen

Die Pleitewelle in Deutschland rollt ungebrochen weiter. Allein im ersten Halbjahr gab es 24 800 Insolvenzfälle, darunter 16 200 von Unternehmen, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit.

Die Pleitewelle in Deutschland rollt ungebrochen weiter. Allein im ersten Halbjahr gab es 24 800 Insolvenzfälle, darunter 16 200 von Unternehmen, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Die Gesamtzahl der Insolvenzen lag damit um 26 Prozent höher und die der Unternehmensinsolvenzen um 19 Prozent höher als vor Jahresfrist. In den neuen Ländern mussten fast 5700 Unternehmen Insolvenz anmelden, eine Zunahme um 25 Prozent. Bundesweit wurden rund 11 500 in den neuen Ländern rund 3000 Verfahren mangels Masse abgewiesen.

Bei den Unternehmen, die einen Insolvenzantrag stellten, waren mindestens 100 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Tatsächlich dürfte die Zahl aber noch höher liegen, schreiben die Statistiker, denn bei knapp einem Viertel aller Anträge wurden keine Angaben über Beschäftigte gemacht. Für alle Insolvenzfälle ermittelten die Gerichte laut Bundesamt offene Forderungen von mindestens 28,5 Milliarden Mark.

Spitzenreiter bei den Branchen war einmal mehr das Baugewerbe, in dem insgesamt fast 2800 Insolvenzverfahren beantragt wurden, von denen 2700 mangels Masse abgelehnt wurden. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2000 bedeutet dies eine Steigerung um knapp 20 Prozent. Die stärkste Steigerungsrate erreichte allerdings der Bereich Verkehrs- und Nachrichtenübermittlung mit einem Plus von 33,5 Prozent auf 436 eröffnete Verfahren und weiteren 607, die mangels Masse abgewiesen wurden. In diesem Sektor werden vom Statistischen Bundesamt viele Unternehmen der New Economy erfasst. Allein in den Branchen Datenverarbeitung/Datenbank habe es 260 Insolvenzen gegeben, rund 80 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2000, so Jürgen Angele vom Statistischen Bundesamt. Ein weiterer Schwerpunkt waren die Speditionen. Hier stieg die Zahl der Pleiten um rund 50 Prozent. Angele sieht als eine der Ursachen die hohen Benzinpreise. Naturgemäß stark vertreten war auch das verarbeitende Gewerbe. Das Statistische Bundesamt zählte in diesem Bereich im ersten Halbjahr 2001 gut 1800 Insolvenzfälle (plus 19 Prozent).

Für Volker Nitsch, Volkswirt bei der Bankgesellschaft Berlin, kommen die Steigerungsrate keineswegs so überraschend. Schon seit Beginn der 90er Jahre steige die Zahl der Insolvenzen von Jahr zu Jahr. Eine besondere Dynamik erhalten die jüngste Statistik durch die Verbraucherinsolvenzen, sagte Nitsch. Von der Möglichkeit der Entschuldung in Form eines vereinfachten Verfahrens (Verbraucherinsolvenz) das 1999 mit dem neuen Insolvenzrecht geschaffen wurde, wurde in der ersten Jahreshälfte in 6800 Fällen Gebrauch gemacht. Dies entspricht immerhin einer Steigerungsrate von 54 Prozent. Aber auch die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nehme schon allein deshalb zu, weil auch die Zahl der Unternehmen stetig gestiegen sei, sagte Nitsch weiter. In den alten Bundesländern gebe es zudem immer noch einen positiven Saldo. Dort werden nach wie vor mehr Unternehmen gegründet als abgemeldet. Anders sieht es laut Nitsch allerdings in den neuen Ländern aus. Hier ist der Saldo negativ und Creditreform beispielsweise stelle bei den Insolvenzen einen stärkeren Anstieg als in den alten Ländern fest. Dies liege nicht zuletzt an dem immer noch hohen Anteil der Bauwirtschaft, sagte Nitsch.

Bernhard Seidel vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin weist noch auf eine Besonderheit der Statistik hin. Ein Großteil der Pleiten seien Klein- und Kleinstunternehmen - etwa die Kneipe an der Ecke. Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft sollten also nicht überbewertet werden.

dr

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