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Im Fokus. Karstadt ist der letzte Fall für Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Er könnte der lukrativste werden. Foto: ddp

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Insolvenzverwalter: Die Abrechnung

Unabhängig vom Erfolg – warum Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg und seine Kollegen fast immer gut verdienen.

Düsseldorf - An diesen tristen Sommertag erinnert sich Alexandra Hildebrandt noch genau. Es war im Juli 2009, wenige Tage zuvor hatte ihr Arbeitgeber, die Karstadt-Mutter Arcandor, Insolvenz angemeldet. In der Konzernzentrale in Essen bittet der damalige Vorstandschef Karl- Gerhard Eick rund hundert Mitarbeiter in einen kleinen Konferenzraum im Erdgeschoss. Schon als Hildebrandt eintritt, bemerkt die leitende Angestellte eine Riege von Anzugträgern, die sie bis dahin nicht kannte. Es ist der Tross von Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Eick spricht mit stockender Stimme. Im Herbst, sagt er, müssten die Mitarbeiter entlassen werden. Eine der Betroffenen hakt mutig nach. Warum denn kein Geld mehr vorhanden sei, will sie wissen, und verweist auf Rücklagen in der Konzernkasse. Eick schweigt. Dafür erhebt sich ein etwas rundlicher Herr aus dem Lager von Görg. Er streicht seine Krawatte glatt und findet klare Worte: „Das Geld wird für den Insolvenzverwalter und seine Berater gebraucht.“

Wie viel genau dafür nötig sein wird, entscheidet sich in den kommenden Tagen – rund ein Jahr nach dem arroganten Auftritt in der Essener Konzernzentrale. Denn das Ende naht im größten Insolvenzverfahren, das es hierzulande je gegeben hat, und damit der Tag der großen Rechnung. Die wird Görg vermutlich direkt stellen, wenn Karstadt rechtskräftig verkauft ist. Der Verkauf hängt noch immer an einer Einigung über die Mieten, die Karstadt künftig zahlen soll. Bis zum 15. Juli haben die Vermieter und der designierte neue Herr über die Warenhäuser, Nicolas Berggruen, dafür Zeit.

Doch Verkauf hin oder her: Auf das Salär des Insolvenzverwalters hat das wenig Einfluss. „Das wird so oder so eines der höchsten Gehälter, die je in der Branche erzielt wurden“, sagt Insolvenzexperte Andree Wernicke. Denn für die langwierigen Verhandlungen mit mehreren Investoren bekommt Görg einen üppigen Bonus, unabhängig davon, ob Berggruen am Ende tatsächlich einsteigt.

Wie hoch die Rechnung ausfällt, wissen nur Insider. Denn zu der Grundvergütung, die sich am erzielten Vermögen, der sogenannten Insolvenzmasse, orientiert, kommen eine ganze Menge Sonderzahlungen. Nur die Grundvergütung ist gesetzlich geregelt, bei den Zuschlägen haben die Insolvenzverwalter viel Spielraum. So wird allein jede der 37 Gesellschaften aus dem ehemaligen Reich von Karstadt und Quelle gesondert abgerechnet. Dazu kommen Aufschläge für die einjährige Fortführung von Karstadt und die komplizierte Investorensuche. Ein Sprecher von Görg wollte sich zu dessen Verdienst nicht äußern. Ein Insolvenzberater, der am Fall Karstadt beteiligt ist, legt sich dagegen fest: „Görg bekommt auf jeden Fall mehr als zehn Millionen Euro.“

Damit wird sich der bald 70-Jährige zur Ruhe setzen. Er hat mehrfach angekündigt, sich nach Karstadt nicht mehr um angeschlagene Firmen, sondern um seinen Garten in der Nähe von Köln kümmern zu wollen. „Mit Karstadt versilbert sich Görg sein Alter“, sagt Wernicke, „aber er hat dafür auch gut gearbeitet.“

Doch was die Arbeit eines Insolvenzverwalters auszeichnet, darüber wird in der Branche heftig gestritten. Denn ob es gelingt, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, spielt für den Verdienst des Verwalters kaum eine Rolle. Im Gegenteil. „Wenn Insolvenzverwalter schnell abwickeln, zerschlagen und liquidieren, können sie mehr Geld verdienen, als wenn sie sich in die Mühen einer Sanierung begeben“, beklagt Hans Haarmeyer, Professor für Wirtschafts- und Insolvenzrecht. Er plädiert für eine neue Abrechnungspraxis, ebenso wie die Gewerkschaften. „Wir fordern eine differenziertere Bezahlung, bei der die Sicherung von Arbeitsplätzen eine zentrale Rolle spielt“, sagt Christoph Schmitz von Verdi.

Bisher, so kritisiert Haarmeyer, können Verwalter ihre Bezüge durch Sonderzahlungen immer mehr in die Höhe treiben – zum Schaden der Gläubiger und der Firmen. „Das Vergütungssystem ist in den letzten Jahren explodiert, ohne dass es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt“, sagt Haarmeyer, der früher lange als Insolvenzrichter tätig war. Im Grunde diene das Verfahren nur noch dazu, den Verwalter üppig zu vergüten. Nach seiner Berechnung fließt inzwischen 70 Prozent der Insolvenzmasse an den Verwalter selbst. Deshalb fordert er eine Gehaltsobergrenze: „Wir brauchen eine Deckelung der Gehälter bei höchstens 30 Prozent des Firmenvermögens.“

Auch die mangelnde Aufsicht erhitzt die Gemüter. Formal prüft das zuständige Amtsgericht die Abrechnung des Insolvenzverwalters. Doch Andree Wernicke, der im Frühjahr das Buch „Kartell der Plattmacher“ auf den Markt brachte und darin die rücksichtslosen Methoden vieler Insolvenzverwalter aufdeckte, bemängelt die fachliche Kompetenz der Gerichte. „Die Wirtschaftssprache wird in den seltensten Fällen verstanden“, schreibt er. Die Insolvenzverwalter nennt er „Sonnenkönige ohne Kontrolle“.

Einen solchen Eindruck versucht Görg tunlichst zu vermeiden. Er weiß um die öffentliche Aufmerksamkeit, die das Ringen um die Warenhäuser erregt. Und zumindest sein Renommee wäre stark beschädigt, wenn nach der Zerschlagung von Quelle auch der Verkauf von Karstadt scheitert. Bisher gibt es wegen seines Salärs noch keine Kritik an Görg, denn noch weiß niemand, wie hoch seine Rechnung ausfallen wird. Das betont auch Verdi. „In der Frage des Honorars haben wir Herrn Görg nichts vorzuwerfen“, erklärt Schmitz. Doch im Lager des Insolvenzverwalters weiß man, dass sich das schnell ändern kann. „In der öffentlichen Diskussion um Görgs Gehalt können wir nicht gewinnen“, sagte sein Sprecher.

Über den Scheck werden letztlich auch die Gewerkschaften zu befinden haben. Denn durch die Größe des Falles muss bei Karstadt nicht nur der Amtsrichter, sondern auch der insgesamt elfköpfige Gläubigerausschuss über die Rechnung des Insolvenzverwalters befinden. Erst dann fließt das Geld.

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