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Der Mensch tut sich schwer damit, immer mehr Abläufe miteinander zu vernetzen. Viele haben Sorge.

© Reuters

Internationale Funkausstellung: Vernetztes Haus: Wo es noch hakt

Der Wecker stellt sich von selbst, die Kaffeemaschine passt sich automatisch an: So könntes es sein, das smarte Heim. Die Visionen sind da - doch es hakt nicht nur an der Skepsis der Verbraucher.

In der Nacht kommt die Nachricht: Schon wieder streiken die Lokführer. Das Handy stellt den Wecker eine Stunde vor, instruiert die Kaffeemaschine, den Morgen-Espresso eine Stufe stärker zu kochen, reserviert einen Mietwagen. So kann Georg Rötzer seinen wichtigen Geschäftstermin ohne Stress und Verspätung wahrnehmen. Rötzer ist Marketingexperte und hat großes Interesse daran, dass seine Vision Wirklichkeit wird: Er arbeitet für Samsung. Der südkoreanische Hersteller von Smartphones, Tablets, Fernsehern, Smartwatches, Mixern oder Waschmaschinen hat gerade 18.000 Europäer befragt, und 85 Prozent können mit dem Internet der Dinge – also der Kommunikation unterschiedlicher Geräte vom Auto bis zum Toaster untereinander – nichts anfangen.

Dennoch wird das vernetzte Zuhause auch auf der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (Ifa) im September in Berlin einer der Schwerpunkte sein. Dabei geht die Entwicklung inzwischen weit über die Smartphone-Steuerung für den Fernseher hinaus, wie bei der Präsentation der Trends am Mittwoch deutlich wurde. In 42 Prozent der Haushalte steht inzwischen ein internetfähiges TV-Gerät, hat die Gesellschaft für Unterhaltungselektronik (GFU) ermittelt. Das sind vier Prozentpunkte mehr als noch ein Jahr zuvor.

Die Hersteller müssen umdenken

„Smartphones, Musik und Internet sind derzeit noch die Topthemen in einem Smart Home“, sagt Christopher Schläffer. Als Chef des Berliner Start-ups Yetu bietet er eine technische Plattform an, mit der sich alle Geräte im Haushalt zentral steuern lassen sollen. Von der Jalousie über das Licht, die Alarm-, Klima- oder Musikanlage – der Nutzer werde die Möglichkeiten der Vernetzung nur nutzen, wenn sie einfach und sicher sei, glaubt der Unternehmer. „Hinter allen Tätigkeiten zu Hause stehen Industrien, und alle diese Industrien müssen sich grundlegend ändern.“

Die technischen Voraussetzungen für ein vernetztes Heim erfüllen inzwischen die meisten deutschen Haushalte. Drei Viertel verfügen nach Angaben der GFU über mindestens ein Smartphone, 44 Prozent über ein Tablet und zwei Drittel haben über einen Router Zugang zum Internet.

Musikstreaming ist im Kommen

Und auch das Interesse an den neuen Möglichkeiten ist zumindest bei einem Teil der Konsumenten spürbar. So denken immerhin 22 Prozent darüber nach, sich einen Saugroboter zuzulegen. 17 Prozent beschäftigen sich mit intelligenten Gesundheitsgeräten, die zum Beispiel mit Hilfe von Apps Fitnessdaten zusammenführen und auswerten. Für smarte Zahnbürsten und Drohnen, die etwa den Garten überwachen könnten, interessiert sich jeweils noch ein Zehntel der Befragten.

Mit rund einem Viertel weckt allerdings das Musikstreaming die größten Begehrlichkeiten unter den neuen Errungenschaften der vernetzten Technikwelt. Die Ausgaben für Streamingdienste wie Spotify oder Deezer, mit denen Nutzer gegen eine monatliche Gebühr Musik ihrer Wahl über das Internet hören können, seien hierzulande binnen eines Jahres um zwei Drittel gestiegen. Erst kürzlich hat Apple mit seinem Dienst Music reagiert.

Hersteller von Soundsystemen profitieren

Wie Unternehmer Schläffer sagt, profitieren davon in der Tat existierende Industrien. So konnten Hersteller wie Sonos oder Teufel rund 50 Prozent mehr vernetzte Audiosysteme absetzen als vor Jahresfrist. Bei kleinen Dockinglautsprechern lag das Plus noch bei knapp 40 Prozent. Eher klassische Hifi-Geräte wie Receiver oder Lautsprecher waren hingegen deutlich weniger gefragt.

Doch auch in diesem Segment ist eines der Hemnisse für noch größeren Erfolg nach Ansicht der Experten die mangelnde Alltagstauglichkeit. Die meisten Hersteller arbeiten mit eigenen Apps, die untereinander nicht kompatibel sind.

Unternehmer wie Schläffer wollen das ändern: Sein Betriebssystem könne mit allen gängigen Apps zusammenarbeiten, egal ob sie für Googles Android oder Apples iOS konzipiert seien. Zusammenarbeit und kompatible Lösungen sind auch für Samsung-Manager Rötzer Schlüssel zum Erfolg von Smart Home. „Menschen lehnen Technik ab, die zu kompliziert und teuer ist.“

Sicherheitsbedenken bremsen Verbraucher

Doch diese Faktoren sind wohl nicht allein verantwortlich für die zurückhaltende Begeisterung der Verbraucher beim vernetzten Zuhause. Vielen sind die Datensammler in den eigenen vier Wänden schlicht suspekt. Knapp zwei Drittel befürchten laut gfu-Studie, dass Hersteller oder Dritte ihre Daten missbrauchen könnten. Und 61 Prozent stellen sich vor, dass Hacker oder andere Kriminelle die Kontrolle über ihre Haussteuerung übernehmen, ihr Zuhause also kapern.

Neben sicheren Lösungen setzen die Hersteller auch auf die Lernkurve der Verbraucher. Acht bis neun Jahre dauere es, bis sich Smart Home durchsetze, schätzt Schläffer. Ob er mit seinem Unternehmen scheitere oder nicht, werde sich dann zeigen.

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