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Google China

© AFP

Internet: Googles angekündigter Rückzug aus China

Google will sich nicht länger der Zensur in China beugen und droht mit einem Rückzug aus dem größten und am schnellsten wachsenden Online-Markt der Welt. Experten meinen, dass eine Billigung staatlicher Kontrolle das Geschäft bremsen würde.

Berlin - Nach einer Serie von massiven Hacker-Angriffen auf sensible Nutzerdaten, die offenbar zentral gesteuert wurden, werde man die Ergebnisse seiner chinesischen Suchmaschine Google.cn nicht mehr zensieren, kündigte der US- Konzern an. „Wir sind uns bewusst, dass dies bedeuten kann, dass wir die Website Google.cn und möglicherweise auch unsere Büros in China schließen müssen“, schrieb Googles Chefjustiziar David Drummond im Firmenblog.

Google hatte sich zu inhaltlichen Einschränkungen bereit erklärt, als das Unternehmen Anfang 2006 mit einer eigenen Website auf dem chinesischen Markt gestartet war. International beliebte Seiten von Facebook, Twitter oder Youtube sowie kritische Nachrichtenportale sind in China gesperrt. 340 Millionen Menschen nutzen in dem Land das Internet. Vor allem Googles Musik-Angebote und der E-Mail- Dienst Gmail sind sehr populär.

Bürgerrechtsgruppen begrüßten die Entscheidung des Unternehmens am Mittwoch als einen „mutigen Schritt“ zum Schutz der Internetfreiheit und der Menschenrechte. US-Außenministerin Hillary Clinton forderte von der chinesischen Regierung eine Aufklärung der Vorwürfe. Diese erklärte zunächst lediglich, noch weitere Informationen zu dem Fall zu benötigen. Der Disput könnte zu einem weiteren politischen Konfliktherd zwischen China und den USA werden. „Wir sind von Google über die Anschuldigungen unterrichtet worden, die sehr besorgniserregend sind“, sagte Clinton.

Googles Chefjurist erklärte, Mitte Dezember habe man „einen sehr ausgeklügelten und gezielten Angriff von China aus auf die Infrastruktur unseres Unternehmens entdeckt“. Mindestens 20 andere große Unternehmen seien ebenfalls betroffen. „Uns liegen Hinweise vor, dass es ein Hauptziel der Angreifer war, Zugang zu den Gmail-Adressen von chinesischen Bürgerrechtlern zu erhalten.“ Die wirtschaftlichen Folgen eines Rückzugs aus China sind Experten zufolge für den Internetkonzern überschaubar. „Google dürfte in China im laufenden Jahr einen Umsatz von rund 600 Millionen Dollar machen. Das ist weniger als drei Prozent des weltweiten Umsatzes von geschätzten 25 bis 27 Milliarden Dollar“, sagte Ralf Kaumanns, Medienexperte beim Beratungsunternehmen Accenture, dem Tagesspiegel. Google hat in China einen Marktanteil von rund 20 Prozent, dominiert wird das Suchmaschinengeschäft vom chinesischen Wettbewerber Baidu. Wichtiger als der Umsatzverlust wäre für Google der Verlust einer Wachstumsperspektive in China. „Das Marktpotenzial für den US-Konzern wird in fünf bis sieben Jahren auf rund zehn Milliarden Dollar geschätzt“, sagte Kaumanns.

Ein Motiv für Googles Offensive gegen die Zensur dürfte die Signalwirkung für die etablierten Internetmärkte sein. Google will sein Geld nicht nur mit Werbung verdienen, sondern auch mit personalisierten Diensten, die vom Vertrauen der Nutzer leben. Zweifel am Datenschutz und an der Integrität des Managements torpedieren dieses Geschäft. Die Drohung, sich aus China zurückzuziehen, sei deshalb sehr ernst zu nehmen, meint Google-Kenner Kaumanns. „Würde das Unternehmen die Angriffe dulden und käme es nach dem Datenklau etwa zu weiteren Sanktionen für chinesische Oppositionelle, wäre der Imageschaden für Google weitaus größer als die unmittelbaren finanziellen Einbußen“, sagte der Berater.

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