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Abheben ist schon lange nicht mehr billig. Versteckte Kosten ärgern da zusätzlich.

© dpa

Internetbuchungen: Teurer fliegen

Versteckte Kosten, untergeschobene Versicherungen – wie Reisende bei Flugbuchungen im Internet zur Kasse gebeten werden.

Der Plan war einfach: Eine Reise nach London wollten wir buchen, mit dem Flieger ab Berlin. Um das lange Wochenende vor dem 1. Mai auszunutzen, sollte es am Freitag, den 27. April, hin und am Mai-Feiertagsdienstag zurück an die Spree gehen. Abfahrt, Ankunft egal, ein Koffer sollte mit. Einfache Sache, kein Problem, dachten wir.

Das war ein Irrtum.

Seit 2008 schreibt eine EU-Verordnung vor, dass die Airlines ihren Kunden bei der Buchung im Internet reinen Wein einschenken müssen. Der spätere Endpreis muss von Anfang an genannt werden, Voreinstellungen – etwa für Reiseversicherungen – sind unzulässig, und für die Bezahlung und das Einchecken muss es zumindest eine kostenlose Variante geben.

RYANAIR

Die meisten Fluggesellschaften halten sich inzwischen an diese Vorgaben, selbst Billigflieger wie Easyjet. Anders Ryanair. „Die Airline schafft es, jedes Urteil zu umgehen“, ärgert sich Kerstin Hoppe vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV).

So hatte das Kammergericht Berlin Ende Dezember 2011 entschieden, dass die Bearbeitungsgebühr von fünf Euro, die Ryanair für die Bezahlung der Tickets berechnet hatte, unzulässig ist (Az.: 5 U 147/10). Kostenfrei waren nur Zahlungen mit einer Prepaidkarte, die in Deutschland nahezu unbekannt war. Inzwischen hat Ryanair reagiert. Seit diesem März braucht man den „Ryanair Cashpassport“, um Gebühren zu vermeiden. Das Urteil der Berliner Richter ist damit überholt, obwohl es noch gar nicht rechtskräftig ist. Sicherheitshalber hat die irische Fluggesellschaft zudem neue Nutzungsbedingungen eingeführt. Danach gilt irisches Recht. Konsequenz: Verbraucherfreundliche Urteile deutscher Gerichte finden keine Anwendung mehr.

Auch Kofferträger müssen sich mit erschwerten Bedingungen abfinden. Seit einigen Monaten gilt eine neue Gebührenordnung. Wer einen 15-Kilo-Koffer am Flughafen aufgibt, zahlt je nach Reisezeit zwischen 60 und 120 Euro, online sind es dagegen nur 20 bis 30 Euro. Für unseren Flug sollten 25 Euro pro Strecke, insgesamt also 50 Euro anfallen. Aus dem Anfangspreis von 72,98 Euro wurden summa summarum überraschende 134,98 Euro.

Bildergalerie: So entsteht der neue Berliner Flughafen

FLUEGE.DE

Eine noch größere Überraschung erlebt man jedoch beim Onlinereisebüro Fluege.de. Wer die Seite anklickt, sieht als erstes ein Foto des lächelnden Ex-Fußballmanagers Rainer Calmund. Ein Blick auf die Preisanzeige rief auch bei uns ein Lächeln hervor. 106 Euro sollte der günstigste Hin- und Rückflug kosten – mit Easyjet. Wer bei Easyjet direkt bucht, muss dagegen bei Zahlung mit Kreditkarte mindestens 147 Euro bezahlen.

Hat Fluege.de Schnäppchenpreise? Mitnichten. Schritt für Schritt kommen neue Gebühren hinzu. Eine Reiseversicherung ist voreingestellt, die Kreditkartengebühr, die Easyjet selbst mit sechs Euro ansetzt, beträgt stolze 17 Euro. Am Ende werden so aus 106 Euro 170 Euro. Verbraucherschützern ist das Portal, das der Leipziger Firma Unister gehört, schon seit Längerem ein Dorn im Auge. Bei Fluege.de sei Vorsicht angebracht, heißt es in einem neuen Test der Stiftung Warentest („test“ 2/2012). Das Unternehmen weist die Kritik zurück: Wer die „Flexifly-Versicherung“ aus Versehen abgeschlossen habe, bekomme diese „grundsätzlich auf Kulanz“ erstattet, erklärt Sprecher Konstantin Korosides auf Anfrage. Außerdem komme die „überwältigende Mehrheit der Verbraucher mit der Preisdarstellung sehr gut zurecht“. Das bewiesen die mehreren tausend Tickets, die Fluege.de jeden Tag verkaufe.

Gelten für Onlinereiseveranstalter dieselben Regeln wie für Airlines? Der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Zivilgericht, meint ja. Im September 2011 entschieden die Richter, dass auch Reiseportale ihre Seiten so gestalten müssen, dass Verbraucher auf den ersten Blick den kompletten Flugpreis und alle Nebenkosten erkennen können (Az.: I ZR 168/10). Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale aus Bad Homburg, Beklagter war Unister. Fluege.de ist nicht das einzige Portal, das die Sachsen betreiben. Auch „Ab-in-den-Urlaub“, für das Ex-Fußballnationalspieler Michael Ballack wirbt, gehört zur Portalfamilie.

Mit dem Streit muss sich jetzt der Europäische Gerichtshof befassen. Verbraucherschützerin Hoppe ist zuversichtlich: In einem Parallelfall hat der VZBV das Onlinereisebüro Ebookers.de wegen einer voreingestellten Reiserücktrittsversicherung verklagt. Der Rechtsgutachter in diesem Fall, Jan Mazak, hat sich beim EuGH auf die Seite der Verbraucherschützer gestellt und die Anwendung der EU-Verordnung auch auf Reiseportale bejaht. Erfahrungsgemäß folgt das Gericht in den meisten Fällen der Empfehlung des Gutachters. Genaueres weiß man im Sommer: Dann soll das Urteil fallen.

LUFTHANSA

Deutschlands größte Fluggesellschaft, die Lufthansa, hat den Reiseportalen auf ihre Art ein Schnippchen geschlagen. Die Airline hat die Servicegebühr, mit der sie sich bislang den Buchungsaufwand bezahlen ließ, für Onlinebuchungen gestrichen. Zahlreiche Internetanbieter hatten nämlich Lufthansa-Flüge ohne die 10-Euro-Gebühr (Inland, Europa) beziehungsweise 15-Euro-Gebühr (Interkontinentalverbindungen) angeboten und waren damit günstiger als die Gesellschaft selbst. Das wollte sich das Unternehmen nicht gefallen lassen. „Der Kunde erwartet, dass der Flug bei der Airline selbst am billigsten ist“, heißt es bei der Lufthansa. Unterm Strich profitieren Lufthansa-Reisende jedoch finanziell nicht: Die Gebühr wurde zwar gestrichen, dafür wurden die Flugpreise zum 2. April erhöht. Ob auch Air Berlin, die eine Servicegebühr von zehn Euro (bei Zahlung mit Kreditkarte bis zu 17 Euro) berechnet, dem Beispiel der Lufthansa folgen wird, bleibt vorerst unklar. „Wir beobachten das, haben aber noch keine Entscheidung getroffen“, sagte eine Sprecherin.

PREISVERGLEICH

Und was machen wir? Den günstigsten Flug für den Trip nach London zu finden, war harte Arbeit. Das Ergebnis: 470 Euro hätten wir bei Air Berlin zahlen sollen, 305 Euro bei der Lufthansa – allerdings mit Zwischenstopp in Düsseldorf. Fluege.de bietet einen Flug mit Lufthansa für 209 Euro an – mit Umsteigen in Frankfurt am Main und Brüssel. Trotz Kofferprämie hatte Ryanair am Ende die Nase vorn. Doch wer weiß, was sich die Iren noch alles einfallen lassen. Stehplätze im Flieger oder Gebühren für den Toilettengang, was hat sich die Firma nicht schon alles ausgedacht! Ryanair-Marketingmanagerin Henrike Schmidt macht den Kunden jedoch Hoffnung: Für den Moment seien „keine Gebührenerhöhungen oder zusätzliche Kosten eingeplant“, sagte sie dem Tagesspiegel.

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