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Herbert Bodner sieht seine Branche vor schwierigen Zeiten, weil die Konjunkturpakete auslaufen.

© Georg Moritz

Interview: Bauindustrie-Chef: „Stuttgart 21 ist legitimiert“

Der Chef des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Herbert Bodner, spricht mit dem Tagesspiegel über Stuttgart 21 und Hochtief.

Herr Bodner, macht es dieser Tage eigentlich noch Spaß, Bauunternehmer zu sein?
Es macht immer Spaß, egal, wie schwierig die Bedingungen sind.

Aber Stuttgart 21, das Kraftwerk Datteln, Berlins A100 – das sind alles Großprojekte, bei denen es großen Widerstand gibt.

Dass es bei Großprojekten Schwierigkeiten in der Akzeptanz gibt, ist nicht neu. Es ist aber alarmierend, dass einige Kritiker Stuttgart 21 die Legitimität absprechen, obwohl das Projekt die komplizierten Genehmigungshürden überwunden hat. Das hinterher basisdemokratisch infrage zu stellen, ist nicht in Ordnung. Was bei Stuttgart 21 passiert, rührt an den Grundfesten der rechtstaatlichen Ordnung. Dass viele derjenigen, die das Projekt über Jahre hinweg mitgestaltet haben, jetzt leichtfertig ein Scheitern in Kauf nehmen oder gar herbeiführen wollen, ist völlig unakzeptabel.

Angenommen, das Projekt käme nicht zustande. Was wären die Folgen?

Unserer Branche würde Beschäftigung entgehen. Insgesamt aber – so bitter das für uns wäre – wäre dies das kleinere Problem. Es geht hier ja nicht nur um die Belange der Stuttgarter Bürger, sondern um die Belange der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Wir brauchen ein modernes Bahnnetz. Zudem haben wir uns den anderen europäischen Staaten gegenüber verpflichtet, das Netz innerhalb bestimmter Fristen auszubauen. Wie können wir von anderen EU-Ländern als selbstverständlich einfordern, dass sie ihre Verpflichtungen in der EU einhalten, wenn wir das selbst nicht tun?

Kann man in Deutschland überhaupt noch Großes bauen?

Ohne eine leistungsfähige Infrastruktur gefährden wir die Zukunft des Standorts Deutschland. Beispielsweise ist ohne sie nichts von dem, was im Energiekonzept der Bundesregierung steht, zu realisieren: Der Ausbau erneuerbarer Energien setzt den Ausbau von Leistungsinfrastruktur und Speicherkapazitäten voraus, um die Verfügbarkeit von Windenergie deutschlandweit sicherzustellen. Deshalb ist es scheinheilig, wenn die, die am lautesten die Umstellung auf regenerative Energien fordern, ein gestörtes Verhältnis zu großen Infrastrukturprojekten haben.

Die Kosten bei vielen Großprojekten steigen immer weiter. Wer verrechnet sich da?

Als Bürger könnte man den Eindruck gewinnen, dass Kostenbudgets oft zu optimistisch angesetzt werden. Fest steht aber, dass Großprojekte wie Stuttgart 21 unter Bedingungen stattfinden, die vorher nicht vollständig abschätzbar sind – gerade wenn im Untergrund gebaut wird. Auch alle Erfahrungswerte, die wir haben, können Kostensteigerungen nicht immer verhindern. Teilweise liegt es auch daran, dass man im Vorfeld Budgetreserven zu niedrig hält, weil das Projekt sonst politisch noch schwerer durchsetzbar wäre.

Eine andere große Baustelle ist Hochtief. Kann es eine deutsche Lösung geben, wenn sich andere Unternehmen zusammentun?

Das sollte man nicht von vornherein ausschließen. Allerdings muss jedes Unternehmen selbst entscheiden, ob eine Beteiligung an Hochtief in die eigene Strategie passt. Klar ist auch: Es kann keine Wiederbelebung der Deutschland AG in der alten Form geben. Protektionistische Maßnahmen halte ich nicht für zielführend.

Wie kann man Hochtief vor einem Verkauf bewahren. Und soll man das überhaupt?

Wie das ausgeht, müssen die Aktionäre von Hochtief entscheiden. Grundsätzlich gilt: Wir haben in Europa offene Märkte mit entsprechenden Spielregeln, die überall gelten sollen. Im Fall von Hochtief wird aber deutlich, dass das nicht der Fall ist.

Was meinen Sie damit?

Wenn Sie Spanien und Deutschland vergleichen, gibt es Unterschiede im Übernahmerecht und auch in der praktischen Anwendung dieses Rechts. Wir in Deutschland haben uns sehr am liberalen Ende eingeordnet. Es ist relativ leicht, über die Hürde des Pflichtangebots zu kommen, danach kann sich ein Investor ungehindert weiter einschleichen, zum Schaden der anderen Aktionäre und des Unternehmens. Wir sollten prüfen, ob wir gesetzlich nicht einen Weg gegangen sind, der die Sache für feindliche Angreifer allzu einfach macht. Übernahmen in anderen Ländern sind nicht so leicht. Das haben wir doch bei der gescheiterten Übernahme von Endesa durch Eon erlebt.

Und im Bausektor?

Da ist auffällig, dass sich Deutschland vorbildlich geöffnet hat für einen europäischen Wettbewerb. Es ist gang und gäbe, dass ausländische Firmen hier gleichberechtigte Wettbewerber sind. Wenn Sie aber nach Spanien gehen, werden Sie feststellen, dass ein ausländisches Unternehmen dort keinen Fuß auf den Boden bekommt. Und das nicht, weil keine Spielregeln vorhanden wären, sondern weil sie umgangen werden. Das ist nicht hinzunehmen.

Eine Übernahme wäre also ungerecht?

Man muss einfach sehen, wie spanische Bauunternehmen groß geworden sind, nämlich unter anderem durch EU-Mittel, die dort reichlich in die Infrastruktur geflossen sind und die auch zum guten Teil in Deutschland erwirtschaftet worden sind. Dann erleben wir, wie der spanische Markt abgeschottet wird, während wir hier die Spielregeln einhalten. Wenn jetzt ein spanisches Unternehmen Hochtief übernehmen will, gibt es doch Veranlassung, über die europäischen Spielregeln und ihre Anwendung nachzudenken.

Wer hat denn in der Regierung Recht? Brüderle sagt: Nicht einmischen. Oder die Kanzlerin, die sagt: Wir müssen was tun.

An den Aussagen von Herrn Brüderle habe ich nichts zu kritisieren, soweit er ordnungspolitische Prinzipien hochhält. Was mich mehr ärgert sind Vergleiche mit Opel, Karstadt oder gar Holzmann. Hochtief ist kein notleidendes Unternehmen, sondern ein Vorzeigekonzern, das im weltweiten Vergleich wichtigste Unternehmen, das Deutschland in der Bauwirtschaft hat.

Also liegt Merkel falsch?

Nein, sie argumentiert zurecht industriepolitisch. Es macht auch uns Sorgen, dass ein Unternehmen wie Hochtief für Deutschland verloren gehen könnte. Wir müssen realisieren, dass es wichtig ist für unser Land, internationale Branchenführer mit ihren Konzernzentralen in Deutschland zu haben. Protektionistische Maßnahmen kommen zwar nicht in Frage. Wir können aber auch nicht Tür und Tor öffnen für Unternehmen, die herkommen, andere billig auszuräumen, und das ganze Know-how ins Ausland verlagern.

Ist der Baustandort Deutschland bedroht?

Deutschland ist ein starker Industriestandort, auch im Bau. Das ist kein Zufall. Es kommt daher, dass wir technologiestarke große Unternehmen haben, einen exzellenten Mittelstand und ein im internationalen Vergleich einmaliges Handwerk, die Hand in Hand arbeiten.

Und weil der Staat große Konjunkturpakete aufgelegt hat, die dem Bau halfen.

Das war kein Hilfsprogramm für die Bauindustrie. Die Ausgaben wären so oder so nötig gewesen. Mit den Konjunkturpaketen wurde nur ein kleines Stück vom Investitionsstau in Deutschland abgebaut: bei der Infrastruktur wie beim Klimaschutz. Ob bei einem solchen Konjunkturprogramm immer alles zu hundert Prozent wirtschaftlich umgesetzt wird, ist eine andere Frage. Aber der Schritt ging eindeutig in die richtige Richtung.

Was passiert, wenn diese Programme im kommenden Jahr auslaufen?

Was die Zukunft des öffentlichen Baus angeht, muss man sich durchaus Sorgen machen. Die öffentlichen Haushalte stehen unter großem Druck, vor allem auch die der Kommunen. Und die sind unsere wichtigsten Auftraggeber. Da kommen Zeiten auf uns zu, in denen um Investitionen gekämpft werden muss, noch mehr als bisher.

Bei den öffentlichen Schulden wird das schwer.

Ja, aber ich fand die Beschlüsse zum Haushalt 2011 insoweit ermutigend, als nicht von vornherein nur die Investitionen gekürzt werden. Das habe ich so zum ersten Mal erlebt. Die Bundesregierung hat versucht, obwohl es politisch sehr schwer verkäuflich ist, sich auch bei den konsumptiven Ausgaben und bei den Sozialausgaben einzuschränken. Das war richtig. Denn wir können und dürfen die nötigen Einsparungen nicht über die Streichung von Investitionen in unsere Zukunft erreichen.

Das Interview führten Jahel Mielke und Kevin P. Hoffmann

Zur Person

DER MANAGER

Herbert Bodner ist seit 2009 Präsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Der gebürtige Österreicher studierte in Stuttgart Bauingenieurwesen und kam 1991 zum zweitgrößten deutschen Baukonzern Bilfinger Berger. 1999 wurde er zum Vorstandschef berufen. Im Juli 2011 soll der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) Bodner in diesem Amt ablösen.

DER LOBBYIST

Als Verbandschef vertritt Bodner die Interessen von 3000 großen und mittelständischen Bauunternehmen gegenüber der Politik.

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