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Franke

© Mike Wolff

Interview: "Benzin wird eher teurer als billiger"

Die Benzinpreise befinden sich auf einem Rekordtief. Doch wie lange noch? BP-Deutschland-Chef Uwe Franke über die Konjunktur, magere Gewinne an der Tankstelle und die Zukunft des Elektroautos.

Herr Franke, Rohöl ist um zwei Drittel billiger als vor einem halben Jahr, Benzin nur um ein Drittel. Streichen Sie die Differenz als schönen Gewinn ein?



Die Leute glauben das, weil einige Politiker ihnen das immer erzählen. Die können aber nicht rechnen.

Rechnen Sie für uns.

Der Benzinpreis besteht aus drei Teilen: Erstens den Steuern von 86 Cent, zweitens der Beschaffung des Rohöls, drittens den Fixkosten für Vertrieb und Verwaltung. Nur einer der drei Blöcke wird also vom Ölpreisverfall beeinflusst. Wir haben unsere Kostensenkung komplett an die Kunden weitergegeben. Der Finanzminister hingegen hat die Steuer nicht gesenkt – trotzdem zeigt er mit dem Finger auf uns.

Sie könnten von den hohen Gewinnen aus dem Sommer, als das Benzin 1,60 Euro kostete, etwas an die Kunden zurückgeben.

Wir sind nicht die Wohlfahrt. Ob Sie es glauben oder nicht: Bei einem steigenden Ölpreis schrumpft unser Gewinn im Tankstellengeschäft. Denn wegen des scharfen Wettbewerbs ist es schwer, Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben. Die fahren einfach zur nächsten Tankstelle, schon wenn der Unterschied bei ein bis zwei Cent liegt. Wenn der Ölpreis fällt, haben wir eine Chance auf eine höhere Gewinnspanne – aber nur theoretisch. Praktisch müssen wir den Verfall rasch auf den Benzinpreis umlegen, sonst tanken die Leute woanders.

Trotzdem war 2008 das teuerste Jahr für die Autofahrer überhaupt. Wo sind die hohen Milliardengewinne geblieben?

Die Raffinerien hatten ein gutes Jahr. Am besten war es aber am Bohrloch, dort ist 2008 sehr viel Geld verdient worden. Allerdings steigt der Gewinn nicht parallel mit dem Ölpreis, der bis auf 147 Dollar angezogen hat. Davon haben in erster Linie die Produzentenländer profitiert, aber auch die internationalen, privaten Ölgesellschaften. Die kontrollieren allerdings nur noch 15 Prozent der weltweiten Förderung, über den Rest herrschen staatliche Gesellschaften.

Was verdienen Sie pro Liter Benzin?

Nach allen Kosten und Steuern im Schnitt nicht mehr als einen Cent, 2008 vermutlich weniger. Davon müssen wir noch sämtliche Investitionen im Tankstellennetz tragen. Am besten ist ein konstanter Ölpreis, dann haben wir eine konstante Marge. Viele glauben, wir könnten einfach so den Preis um zehn Cent senken. Das ist aber dummes Zeug, dann würden wir hohe Verluste einfahren.

Trotzdem erhöhen Sie vor Ferien und Feiertagen regelmäßig die Preise.

Die Frage langweilt mich, wir haben sie schon hundertmal widerlegt. In den Köpfen der Menschen steckt dieses tiefe Vorurteil, und die Politiker pflegen es: Die bösen und gierigen Ölgesellschaften sind schuld am hohen Benzinpreis. Sie verschweigen aber, dass der Finanzminister ungefähr zwanzigmal so viel verdient wie alle deutschen Ölfirmen zusammen.

Heißt das, dass es dieses Jahr vor dem Fest keine Preiserhöhungen geben wird?

Wenn es an einem Donnerstag vor Ostern einen Anstieg von drei Cent gibt, dann muss ich sagen: Das gibt es in jeder Woche zwei- bis dreimal. Ohne regelmäßige Erhöhung geht es nicht, weil der Preis ständig rapide sinkt, im Schnitt um 1,5 Cent am Tag. Es gibt keinen Markt, auf dem sich die Preise so schnell bewegen.

Wir finden es seltsam, dass die Ketten ihre Preise stets parallel erhöhen.

Das kann ich Ihnen erklären. Die Unternehmen rationalisieren massiv und sparen jeden Cent. Alle kaufen in etwa zum gleichen Preis ihre Waren ein, auf dem Benzinmarkt in Rotterdam oder an der Raffinerie. Auch die Kosten sind überall sehr ähnlich. Die freien Tankstellen warten aber ab, bis Ketten wie Aral den Preis heraufsetzen, und ziehen nach. Würden sie alleine vorwegmarschieren, würden ihre Kunden Amok laufen.

Fällt der Benzinpreis noch weiter?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Öl noch viel billiger wird. Der Boden ist wohl erreicht. Deshalb wird Benzin eher teurer als billiger.

Welchen Ölpreis erwarten Sie für 2009?

Das Jahr wird enorm schlecht für alle Branchen, auch für uns. Der Ölpreis ist auf einem künstlich niedrigen Niveau von 42 Dollar, genauso wie der Preis von 147 Dollar künstlich überhöht war. Das sind Extreme, die nichts mit der Normalität zu tun haben. Derzeit gibt es gegenläufige Effekte: Einerseits drückt die weltweite Krise den Bedarf. Andererseits geben die Autofahrer wegen der niedrigen Preise ihre Zurückhaltung auf.

Die Opec will die Produktion wohl kürzen. Welchen Einfluss wird das auf die Preise haben?

Es gibt ja bereits vereinbarte Kürzungen! Das Problem für die Opec ist aber, dass sich bisher nicht alle Mitglieder daran hielten. Gerade in der Krise ist ja die Verlockung groß, mehr zu fördern als vereinbart. An der Förderdisziplin der Opec-Staaten entscheidet sich, ob der Preis wirklich steigen wird.

Wie lange wird die Krise anhalten?

Die Optimisten sagen, Mitte 2009 geht es wieder bergauf. Die Pessimisten warnen, dies sei eine tiefe strukturelle Krise, die unsere Marktwirtschaft verändern wird. Ich gehöre in die Mitte. Es wird schwerer, als viele glauben. Ich fühle mich wie bei einem Tsunami – als stünden wir am Strand, das Wasser ginge zurück und jemand sagte, guck mal die kleine Welle da hinten. Viele haben noch gar nicht erkannt, was auf uns zukommt.

Gerade in diesem Jahr haben die Verbraucher gemerkt, wie gefährlich es ist, von fossiler Energie abhängig zu sein.

Wir denken Tag und Nacht über Alternativen nach und arbeiten daran. Aber Biokraftstoff etwa gibt es nur begrenzt, weil die Bauern auch Nahrungsmittel produzieren müssen. Elektroautos haben zwar eine Zukunft, aber der Strom muss CO2-frei oder CO2-arm sein! Stammt er nicht aus Atomkraftwerken oder aus regenerativen Energien, erzeugt der Fahrer indirekt weiterhin CO2. Für die Langstrecke sind reine Elektroautos ohnehin nichts. Fahren 2030 zehn Prozent der Autos mit Strom, ist das schon viel.

Klingt stark nach dem Zweckpessimismus eines Ölmanagers, der um sein Geschäft fürchtet.

Wir müssen bei den Fakten bleiben. Das würde manchen Politikern auch gut zu Gesicht stehen. Ich bin jedoch optimistisch: Es gibt noch große Fortschritte beim Bau verbrauchsarmer Autos.

Halten Sie es für möglich, dass die Gesellschaft angesichts steigender Kosten und Umweltprobleme sagt: Wir schränken unsere Mobilität ein, ändern unseren Lebensstil, machen uns weniger vom Verkehr abhängig?

Das ist denkbar, aber unwahrscheinlich. Mobilität hat heute einen so hohen Stellenwert, das kann niemand zurückdrehen. Allein wegen der lebenswerten Struktur unseres Landes: Es gibt hier keine riesigen Metropolen wie London, Paris oder Moskau. Deutschland hat eine andere Stadt-Land-Struktur, mit Millionen von Pendlern.

Eigenheimzulage und Pendlerpauschale sei Dank.

Sicher. Wer diese Struktur umkrempeln wollte, müsste für eine Landflucht trommeln – mit allen Konsequenzen: Häuserpreisen auf dem Land, die ins Bodenlose stürzen, zugleich Städte mit sechs Millionen und mehr Einwohnern. Solche Moloche will niemand. Und wer den Spritpreis auf vier Euro pro Liter anheben wollte, riskiert eine Revolution.

Das Gespräch führten Carsten Brönstrup und Kevin Hoffmann.

ZUR PERSON

DER MANAGER

Uwe Franke (59) trat 1978 bei der Chemiesparte der BP in Hamburg ein und war in der Folge weltweit in verschiedenen Führungsfunktionen tätig: 1994 übernahm der Chemiker den Vorstandsvorsitz von BP Portugal, 1996 trat er in den Vorstand der deutschen BP ein. 2004 wurde Franke Vorstandschef der Deutschen BP.

DER KONZERN

Die Tochter des britischen Konzerns machte 2007 knapp 42 Milliarden Euro Umsatz und einen Überschuss von 658 Millionen Euro. In Deutschland beschäftigt BP 5700 Mitarbeiter. 2002 übernahm BP die Veba-Tochter Aral. Seit 2003 firmieren fast alle der 2400 Tankstellen hierzulande unter dem Markennamen Aral.

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