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Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers. Foto: dpa

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Interview: Brandenburgs Wirtschaftsminister im Gespräch

Ralf Christoffers von den Linken ist seit einem Jahr Landeswirtschaftsminister in Brandenburg. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel gibt er Auskunft darüber, was sich seit seinem Amtsantritt alles verändert hat - für das Land und für ihn persönlich.

Herr Christoffers, wie war das erste Jahr als Minister?
Ein Teil der Erwartungen ist erfüllt worden, neue Herausforderungen kamen hinzu.

Welche?
Den Umfang der Neuorganisation des privaten Lebens habe ich unterschätzt.

Das Amt dominiert Ihr Leben?
Es ist ein ständiges Ringen um ein Mindestmaß an Selbstbestimmtheit. Man ist eben sehr viel unterwegs. Zu den neuen Erfahrungen gehört deshalb auch, dass man Politik aus dem Auto machen kann.

Erfolgreich?
Wir haben im ersten Jahr einiges geschafft: Erstens den Wechsel auf Rot-Rot. Zweitens die Herausarbeitung von Kontinuität auf der einen und neuer Schwerpunktsetzung auf der anderen Seite. Alles in allem gab es keinen Vertrauensbruch in Firmen und Verbänden durch den Wechsel von der CDU zu einem linken Wirtschaftsminister. Wir werden mit unseren Ansätzen mittlerweile akzeptiert.

Es gibt keine Vorbehalte in der Wirtschaft gegen den sozialistischen Minister?
Ich bin seit 1994 in der Landespolitik und beschäftige mich seitdem mit den Bereichen Finanzen und Wirtschaft. Und unabhängig von der Farbenlehre habe ich immer deutlich gemacht, welche Ansätze ich für das Land für richtig halte. Deshalb gab es auch eine Reihe von Anknüpfungspunkten. Ich muss doch, um ein Beispiel zu geben, das Energiekonzept nicht umschreiben, wenn der Vorrang für Erneuerbare Energien bereits festgeschrieben ist. Die Frage ist hier wie in vielen anderen Bereichen auch: Woher kommt das Geld?

Woher kommt das Geld?
Gegen die Eigenkapitalschwäche haben wir für die kleineren Unternehmen einen Fonds aufgelegt, aus dem Darlehen ausgereicht werden. Ich bin zwar froh über die guten Konjunkturdaten, aber es gibt ja durchaus Risiken: Die G20 haben bislang keine Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte beschlossen. Und die Entwicklung im Euroraum, Stichwort Irland, bleibt ebenfalls riskant. Da versuchen wir Vorsorge zu treffen, indem wir den Firmen für eine bessere Eigenkapitalausstattung helfen.

Das würde ein CDU-Minister genauso machen.
Wir kümmern uns auch um die soziale Verantwortung, die die Wirtschaft als Ganzes hat. Beispielsweise bereiten wir ein Vergabegesetz vor, das den Zuschlag für öffentliche Aufträge an bestimmte Bedingungen knüpft. Vor allem das Einhalten bestimmter Lohnuntergrenzen.

Ein Vergabegesetz sollte es längst geben.
Wir haben im Januar Eckwerte verabschiedet und dann die Kommunen einbezogen. Noch in diesem Jahr werden wir in der Ressortabstimmung eine Lohnuntergrenze von 7,50 Euro die Stunde festschreiben. Im Frühjahr geht das Gesetz ins Parlament, und ich gehe davon aus, dass es Mitte des Jahres in Kraft tritt.

Und damit ist dann die soziale Verantwortung der Wirtschaft gewährleistet?
Wir sind in sehr intensiven Gesprächen zum Thema Ausbildung. Beispielsweise unterstützen wir die Handwerkskammer Cottbus bei der Europäisierung der Ausbildung: Polnische Jugendliche werden in deutscher Sprache in deutschen Berufen ausgebildet. Ein anderes Thema ist Betriebsnachfolge: Wir haben einige tausend Unternehmen in Brandenburg, bei denen die nicht geklärt ist. Da versuchen wir zu helfen, indem wir die Kammern bei Beratungsleistungen für solche Firmen unterstützen. Schließlich bemühen wir uns um eine flächendeckende Lohnuntergrenze von 7,50 Euro und eine Erhöhung der Tarifbindung.

Werden künftig allein aufgrund des Fachkräftemangels nicht mehr Firmen Tarif zahlen?
Hoffentlich. Denn mit der Billigstrategie der Vergangenheit haben wir in der Zukunft keine Chance. Aktuell ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt differenziert. In der Luft- und Raumfahrtindustrie gibt es genügend Fachkräfte, weil es dort interessante Jobs gibt. Auch für Absolventen von Fachhochschulen zum Beispiel.

Ziehen die nicht in den Westen?
Nein, die bleiben zunehmend hier. In der Luftfahrt haben wir zum Beispiel einen sehr breit aufgestellten, innovativen Mittelstand mit attraktiven Arbeitsplätzen. Die Möglichkeiten, die es da gibt, auch die Karrierechancen, müssen wir noch stärker den jungen Leuten vermitteln. Was ich nicht verschweigen will: Es gibt Defizite bei der schulischen Ausbildung. Da arbeiten wir dran, aber das ist natürlich kein kurzfristiger Prozess.

Bekommt Brandenburg inzwischen auch Fachleute von jenseits der Landesgrenzen?
Durchaus. Die Region Berlin-Brandenburg ist äußerst attraktiv, vor allem für hoch qualifiziertes Personal. Wir haben vor einigen Monaten in Baden-Württemberg eine Messe durchgeführt, bei der wir Arbeitsangebote in Brandenburg vorgestellt haben - und die Leute kommen.

Die ziehen von Stuttgart nach Schwedt?
Warum denn nicht? In einer Stunde fahren sie von Schwedt nach Berlin. Das ist doch heute kein Problem. Auffällig ist auch die Bewerbungslage, wenn wir profilierte Stellen in der Landesregierung ausschreiben: Die Bewerbungen kommen aus dem ganzen Bundesgebiet, vor allem auch aus dem Süden.

Die rote Regierung zieht Fachpersonal an?
Das ist Ihre Formulierung. Fakt ist die Attraktivität der Hauptstadtregion. Nehmen wir nur die Schienenverkehrstechnik: Da sind wir die führende Region in Deutschland. Im Bereich Medien- und Kommunikation liegen wir auf dem dritten, in manchen Statistiken sogar auf dem zweiten Platz. Gemeinsam mit Berlin versuchen wir im Rahmen einer Innovationsstrategie unser regionales Profil auszubauen. Das ist übrigens das erste Mal in Deutschland, dass zwei Bundesländer eine gemeinsame Innovationsstrategie in dieser Form haben.

Ihr wichtigstes Innovationsthema in diesem Jahr war die Technik zur Abscheidung von CO2 bei der Braunkohleverstromung und die anschließende Speicherung. Warum geht es da nicht voran?
Im Vordergrund unserer Energiepolitik steht der Ausbau erneuerbarer Energien. Das ist schon ein Riesenproblem, weil die Widerstände immer größer werden. Dazu müssen wir in Brandenburg fast 1000 Kilometer neue Leitungen für Strom bauen, dafür brauchen wir Akzeptanz.

Und wie bekommt man die?
Man muss mit den Leuten reden.

Das klappt doch offenbar auch nicht in den Regionen im Osten Brandenburgs, wo das CO2 gespeichert werden soll.
Wir haben einen Beirat gegründet, in dem über alles debattiert wird. Es passiert nichts, ohne dass die betroffenen Regionen und Bürgerinitiativen vorab informiert wurden. Im nächsten Jahr werden vermutlich die Erkundungen der möglichen Speicher beginnen. Wenn wir wissen, wie die geologischen Gegebenheiten sind, sehen wir weiter. Falls die Sicherheit nicht gewährleistet ist, wird es keine Speicherung geben.

Können Sie die Ängste der Bevölkerung verstehen?
Wir haben in Deutschland eine ganz große Wissenschaftsbegeisterung. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse aber in Technologie umgesetzt werden, dann gibt es Widerstände. Es gibt Bürgerinitiativen, die sind für den Ausbau der Kohlekraftwerke, weil dadurch die Windkraft nicht ausgebaut wird. Und umgekehrt. Damit müssen wir umgehen: Politik, Wirtschaft, Verbände, Medien. Es geht nicht ohne einen partizipativen Ansatz, das hat Stuttgart 21 gezeigt.

Hat die Kohle in Deutschland trotz der Widerstände Zukunft?
Ja. Obwohl die Bundesregierung mit dem immer wieder verschobenen CCS-Gesetz die Unsicherheit erhöht. Und obwohl sich die Bundesregierung mit der Verlängerung der Akw-Laufzeiten für eine viel riskantere Technologie entschieden hat. Die Akw-Entscheidung geht zulasten der Kohle. Dabei ist das der einzige Energieträger, den wir haben. Ohne neue Technologien bekommen wir die Kohle aber nicht sauber, und zwar weltweit. Deshalb brauchen wir die Abscheidung und sichere Speicherung von CO2.

DER MINISTER

Seit gut einem Jahr ist Ralf Christoffers (54) Minister für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg. Der gebürtige Rostocker wurde zum Schlosser ausgebildet und arbeitete im Schiffbau. Nach einem Studium an der Hochschule der SED lehrte er von 1986 bis 1992 Philosophie. Seit 1994 sitzt er im Landtag, zeitweise war er PDS- Landesvorsitzender.

DAS LAND

Es geht aufwärts mit Brandenburg. In diesem Jahr fiel die Arbeitslosigkeit erstmals seit 1992 unter zehn Prozent, und das Wachstum wird vermutlich bei rund drei Prozent liegen. Motor des Aufschwungs ist die Industrie, die im bisherigen Jahresverlauf ihren Umsatz um etwa 14 Prozent steigerte.

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