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Interview: "Die Gesetze verleiten dazu"

Jürgen Pinne, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes (DStV), fordert ein einfacheres Steuerrecht.

Herr Pinne, wie korrupt sind wir Deutschen?

Mit dem Wort „korrupt“ kann man die aktuellen Entwicklungen nicht einfach abtun. Die Steuerhinterziehungen sind eine Folge nicht gerechtfertigter und zu komplizierter Steuergesetzgebung. Die Höhe der Steuersätze verleitet den Bürger regelrecht dazu, dem Staat Gelder zu entziehen. Wir drängen ja schon seit Jahren darauf, die Steuergesetze zu vereinfachen, was aber bisher nicht passiert ist.

Herr Zumwinkel und die anderen Steuerhinterzieher sind also Opfer des deutschen Steuerrechts?

Herr Zumwinkel und die anderen haben sich natürlich nicht richtig verhalten. Sie haben sich gegen unser Gesetz gewandt, um ihre Gewinne zu maximieren. Da werden dem Staat Gelder vorenthalten, die gesamtgesellschaftlichen Zwecken dienen sollten. Dass das Handeln dieser Steuerhinterzieher verboten ist und bestraft werden muss, ist daher selbstverständlich.

Reichen die Strafen denn aus?

Grundsätzlich reichen unsere Strafverfolgungsgesetze aus. Das Problem ist nur, dass sie in ihrer vollen Schärfe nicht angewandt werden. Da werden Kompromisse eingegangen, wenn sich jemand geständig zeigt, die zu einem schwächeren Ergebnis führen.

Ist denn jeder – ob prominent oder nicht – gleich vor dem Gesetz?

Manchmal hat man das Gefühl, bei dem kleinen Bürger, der sich für eine Straftat rechtfertigen muss, wird das Gesetz in aller Härte angewandt. Wenn man etwa zwei Millionen Euro nachzahlen muss, geht man ins Gefängnis und muss seine Strafe voll absitzen. Ein Großer aber, kann sich durch eine Zahlung von viel Geld zumindest halb freikaufen.

Ist das wirklich so?

Nehmen Sie nur die Beispiele einiger Prominenter, die doch auch nicht im Gefängnis gelandet sind.

Hätte es eine abschreckende Wirkung, wenn ein Herr Zumwinkel besonders rigide bestraft würde?

Es würde schon ausreichen, wenn Herr Zumwinkel normal bestraft würde.

Wird das vom Bundesnachrichtendienst gekaufte Beweismaterial gegen die jetzt verfolgten Steuerhinterzieher denn verwendbar sein?

Ich zweifle daran, dass man geklaute Daten kaufen und danach auswerten darf. Man löst damit auch ein Stück Denunziantentum aus.

Was raten Sie Mandanten, die in diesen Tagen schlaflose Nächte haben?

Da gibt es nur einen Rat, nämlich die Selbstanzeige zu wählen. Die Selbstanzeige hat zur Wirkung, dass eine Strafverfolgung ausgesetzt wird, vorausgesetzt man legt wirklich alles offen. Von meinen Klienten hat sich in diesen Tagen jedoch noch keiner gemeldet, der Beratungsbedarf hatte.

Das Gespräch führte Yasmin El-Sharif

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