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Sattelberger

© dpa

Interview: "Die Telekom ist eine verborgene Schönheit"

Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger spricht im Interview über Aufbau, Umbau und Abbau von Arbeitsplätzen und erklärt, wie er nach der Spitzelaffäre das Vertrauen im Unternehmen wieder herstellen will.

Herr Sattelberger, was kommt 2009 auf die Telekom zu?


Der Umbau geht weiter wie bisher. Erstens: Wir werden in großem Umfang neue Mitarbeiter zur Telekom holen. Geplant sind deutlich über 3000 Einstellungen. Das gilt natürlich vorbehaltlich der wirtschaftlichen Situation. Aber wir haben ja ziemlich gut Kurs gehalten. Zweitens: Wir werden die Erfolgsstory zum Thema "Perspektiven für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst" fortschreiben.

Was heißt das?

Das Thema ist ja ein bisschen belächelt worden. Aber wir haben allein in diesem Jahr 2500 Beamtinnen und Beamte, aber auch Angestellte, in passende Stellen vor allem in den öffentlichen Dienst, also außerhalb der Telekom, vermitteln können.

Wo sind die Beamten hingegangen?

Überwiegend in die Bundesagentur für Arbeit. Einige sind auch zu Berufsschullehrern umgeschult worden oder sie arbeiten in den Verwaltungen der Länder und Kommunen. Aus unserer internen Personalagentur Vivento ist im Grunde eine Drehscheibe geworden, die auf Freiwilligkeit beruht. Die Beschäftigten können sich in eigener Regie auf Jobangebote bewerben. Wir kommen bei den Themen Aufbau, Umbau und Abbau von Arbeitsplätzen gut voran. Entscheidend ist der Dreiklang.

Der Personalabbau geht also weiter?

Die sozialverträgliche Anpassung wird weitergehen wie in den Jahren zuvor. Dass die Telekom in ihren Beschäftigtenstrukturen kleiner werden muss, ist allseits bekannt. Diesen Reformprozess wollen wir gemeinsam mit dem Sozialpartner bewältigen.

Telekom-Chef René Obermann hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen weiteren  Ausbau des Breitbandnetzes angeboten, wenn er dafür günstige Rahmenbedingungen bekommt. Kann die Telekom im Gegenzug garantieren, dass der Ausbau Arbeitsplätze sichert?

Der Ausbau erfolgt ja bereits in städtischen Gebieten. Da erzielen wir akzeptable Margen. Darüber hinaus gibt es einen Bereich, wo unter den jetzigen regulatorischen Bedingungen ein Glasfaserausbau betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Genau in diesem Bereich bringen Investitionen unmittelbare Wachstumsimpulse mit Beschäftigungseffekten, je nachdem wie viele Haushalte man mit dem Netz abdeckt. Ich würde schätzen, dass wir bei einem mittleren Ausbauszenario Arbeitplätze mehr als 25.000 Arbeitplätze schaffen können. Die Jobs würden nicht nur bei der Telekom entstehen, sondern auch in anderen Branchen,  etwa im Tiefbau.

Können Sie die Arbeitsplätze fest zusichern?

Die wären Teil der betriebswirtschaftlichen Berechnung. Personalpolitisch ist eines klar: Der Glasfaserausbau hätte einen Beschäftigungseffekt von vielen tausend Stellen bei der Telekom selbst. Damit wären diese Arbeitsplätze über Jahre gesichert.

Der Ausbau ist eine Sache. Zugleich modernisiert die Telekom die Netze, so dass viel Jobs überflüssig werden. Wie viele Mitarbeiter braucht die Telekom künftig noch?

Wenn wir zu einem betriebswirtschaftlich sinnvollen Szenario des Glasfaserausbaus kommen, dann ist es für uns möglich, die negativen Effekte der Modernisierung nicht nur zu kompensieren, sondern zumindest über einige Jahre hinweg einen Zuwachs zu erhalten.

Das heißt, ein weiterer Arbeitsplatzabbau fände dann nicht statt?


Unter dem Strich würde der Abbau in der Technik  dann in der ersten Hälfte des nächsten Jahrzehnts nicht stattfinden. Ein Abbau, der ansonsten technologisch begründet wäre – so, wie man eben auch keinen Heizer auf einer E-Lok braucht.

Wann soll auf das moderne Next Generation Network umgestellt werden?

Da wird ja nicht einfach der Schalter umgelegt, sondern das ist ein kontinuierlicher Prozess. Das wird ungefähr vier bis fünf Jahre dauern. Natürlich würden wir uns richtig freuen, wenn es gelingen würde, das Thema Glasfaserausbau und das Thema Umsetzung Next Generation Network einigermaßen zeitlich zu harmonisieren. Das würde uns helfen, über sehr beschäftigungskritische Jahre hinwegzukommen.

Im Januar stehen die Tarifverhandlungen für die 50.000 Mitarbeiter von T-Service an. Für den Fall eines maßvollen Abschlusses haben Sie bereits eine Verlängerung des Schutzes vor betriebsbedingten Kündigungen über 2012 hinaus angeboten. Verdi fordert 8,5 Prozent mehr Geld, ist das maßvoll?

Ich gehe davon aus, dass am Schluss der Tarifverhandlungen eine Zahl steht, die für beide Seiten akzeptabel ist.

Was bieten Sie an?

Ich kann hier leider keine Tarifpolitik machen. Aber es wird keine Nullrunde geben und auch keine Absenkung. Die Vereinbarungen zu T-Service aus dem Jahr 2007 hätten ja eine Absenkung der Löhne zu folge. Das wird nicht passieren. Hinzu kommt das Angebot den Kündigungsschutz, der für die Mitarbeiter bereits bis Ende 2012 reicht, zu verlängern. In der heutigen, wirtschaftlich schwierigen Zeit ist ein so langer Zeitraum ein unschätzbares Gut für die Menschen. Und wir wären bereit, diesen Zeitraum bis weit in die erste Hälfte des Jahrzehnts hinein auszuweiten. Verdi bereitet sich auf eine harte Auseinandersetzung vor und ist nicht gerade auf Kompromisskurs.
Säbelrasseln gehört zum Geschäft.

Als T-Service vereinbart wurde, haben Sie den Mitarbeitern Weiterbildung und Karrieren im Service versprochen. Was haben Sie eingelöst?

Zum einen wird bis Ende März kommenden Jahres jeder Mitarbeiter eine dreitägige Service-Qualifizierung bekommen haben. Und zum zweiten haben wir es geschafft, das Thema Servicekarrieren Anfang dieses Monats zu Ende zu verhandeln. Das ist eine echte Innovation. Wir unterscheiden zwischen dem Breitensport, der Servicequalifizierung, und dem Spitzensport, der Servicekarriere. Dafür sind 2300 Karierremöglichkeiten vereinbart worden. Das drückt sich auch im Gehalt aus. Deshalb haben die Verhandlungen so lange gedauert.

Harte Verhandlungen gab es auch um die Call-Center. Vier der fünf Telekom-Call-Center in Berlin sollen geschlossen werden. Das hat auch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit verärgert.

Ich habe nicht die geringste Veranlassung, am Ergebnis der Einigungsstelle noch einmal herumzudeuteln. Ich akzeptiere die Lösung, die dort nach zähem Ringen vereinbart wurde. Das gebietet schon mein Respekt vor der betrieblichen Mitbestimmung. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass wir in dem verbleibenden Call-Center personell moderat aufstocken. Etwas anderes sehe ich nicht.

Im kommenden Jahr wollen Sie mehr als 3000 Mitarbeiter neu einstellen. Wie attraktiv ist die Telekom als Arbeitgeber?

Um Ihnen eine Zahl zu sagen: Wir haben für 3600 Ausbildungsplätze im Jahr fast 50.000 Bewerbungen. Auf ein Angebot kommen also zehn bis 15 Bewerbungen. Die Telekom ist eine verborgene Schönheit. Sie müssen ein bisschen durch Dornen gehen, bis Sie die Schönheit sehen.

Viele Mitarbeiter sind verunsichert wegen der vielen Umstrukturierungen in den vergangenen Jahren.

Wir haben bei unserer Mitarbeiterbefragung Spitzenwerte beim Thema: Wie gern machen Sie Ihre Arbeit? Ob die Menschen dann sagen, sie verstehen die Strategie des Vorstands, das ist eine andere Frage. Schlechtere Ergebnisse sind vor dem Hintergrund des schwierigen Reformprozesses nicht wirklich überraschend.  Hier haben wir noch richtige Hausaufgaben.

Welchen Schaden hat die Bespitzelungsaffäre angerichtet?

Das berührt uns persönlich zutiefst und zwar nicht nur intellektuell, sondern auch emotional. Da eröffneten sich für uns Abgründe. Ich vergleiche das immer mit einem Bild: Wir renovieren ein Haus und stellen dabei fest, dass ein paar Grundmauern asbestverseucht sind.

Wie wollen Sie Vertrauen im Unternehmen wieder herstellen?

Dieser Vorstand tut alles dafür, um aufzuklären und ist komplett offen für andere, die an diesem Thema aufzuklären haben. Wichtig ist, dass wir uns selber makellos verhalten, dass wir rücksichtslos offen sind und dass wir proaktiv alles tun, um Strukturen, Prozesse und menschliches Verhalten auf diese neuen Anforderungen auszurichten.

Das Misstrauen, gerade beim Betriebsrat sitzt tief.

Es wurden nach Erkenntnis der Staatsanwaltschaft Aufsichtsräte, Arbeitnehmervertreter, Familienangehörige und Externe bespitzelt. Im Fokus standen sicher die Arbeitnehmervertreter. Für mich ist das entweder ein Angriff auf die Mitbestimmung oder ein billigendes in Kauf nehmen. Beides ist unerträglich. Das habe ich vor den Betriebsräten auch deutlich zum Ausdruck gebracht. Ich habe mich mit René Obermann  außerdem darüber verständigt, dass wir einen Prozess der weiteren kulturellen Verbesserungen einleiten.

Wie sieht der aus?

Zunächst werden wir unsere handlungsleitenden  Verhaltensprinzipien, also die Unternehmenswerte, überarbeiten. Wir haben auch die Arbeitnehmervertreter gebeten, an diesem Dialogprozess teilzunehmen. Dann wird es darum gehen, dieses Wertgerüst sichtbar zu machen. Wir werden Maßnahmen erarbeiten, die allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Unternehmen zeigen, dass hier ein anderer Wind weht.

Wann werden Sie mit den neuen Regeln fertig sein?

Spätestens zum Ende des kommenden Quartals wollen wir den neuen Verhaltenskodex vorlegen. Der darf aber nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss in harter Arbeit umgesetzt werden. Das ist ein zwei- bis dreijähriger Prozess.

Interview von Corinna Visser

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