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Interview: „Einflussnahme lohnt sich nicht“

Henning Klodt, Professor am Kieler Institut für Weltwirtschaft, über den neuen Protektionismus in Europas Wirtschaft.

Herr Klodt, gibt es in Europa eine Tendenz der Renationalisierung?

Der ehemalige französische Premierminister Dominique de Villepin hat vor zwei Jahren die Parole vom Wirtschaftspatriotismus ausgegeben. Wie er haben offensichtlich viele Politiker den Spaß an der Freihandelsidee verloren und möchten jetzt wieder ein wenig intervenieren – gerade in höher entwickelten Ländern. Das Problem ist nur, zum Intervenieren braucht man Geld, etwa für Subventionen. Da das fehlt, wird nun versucht, auf Fusionen Einfluss zu nehmen.

Kann das gelingen?

Das kann nur schiefgehen. Schon bei Unternehmensfusionen, aus denen sich der Staat raushält, klappt die Hälfte nicht. Sollten nun Politiker entscheiden, welche privatwirtschaftlichen Firmen fusionieren sollen, wird die Misserfolgsrate noch höher liegen. Da würde dann richtig viel Geld verbraten.

Warum nehmen Abschottungen zu?

Die Politik empfindet ein Ohnmachtsgefühl gegenüber der Globalisierung. Wirtschaftliche Abläufe vollziehen sich heute auf globaler Ebene, die Politik kann eigentlich nur noch reagieren. Doch sie möchte Einfluss nehmen. Und Einfluss, etwa auf Firmenübernahmen, lässt sich politisch gut verkaufen. Das sieht man gerade an Frankreich. Dass man damit aber die Grundlagen der Marktwirtschaft aushöhlt, sieht fast niemand.

Was kann passieren?

Die Befürchtung ist, dass staatlich verordnete Fusionen zu Ineffizienz führen. Das bedeutet höhere Kosten, die je nachdem die Beschäftigten oder die Verbraucher zahlen müssen.

Frankreich will mit der Fusion von Gaz de France und Suez einen nationalen Champion schaffen. Zahlt sich das aus?

Nein. Die Vorstellung nationaler Champions ist ein Anachronismus, der nicht zur Kenntnis nimmt, wie sich die Welt eigentlich geändert hat. Ein Beispiel für das Problem dieses Konzeptes ist die Firma International Computers Limited (ICL) in Großbritannien. Sie sollte mit staatlichen Geldern fit gemacht werden in der Computertechnologie, um der Konkurrenz aus Japan besser gewachsen zu sein. Das funktionierte prima – und dann wurde die ICL von Fujitsu aufgekauft.

Wenn aber alle Einfluss nehmen – muss Deutschland nicht nachziehen?

Es ist eine Sache, wenn die französische Regierung sagt, Gaz de France und Suez sollen fusionieren. Eine solche aktive Industriepolitik kann eigentlich nur volkswirtschaftliche Nachteile bringen. Möchte aber ein ausländischer Staatskonzern mit deutschen Konzernen aus politischen Motiven fusionieren, sollte das Außenwirtschaftsgesetz schon die Möglichkeit bieten, dies zu unterbinden. Zum einen sollte geschaut werden, ist das ein Staatsfonds oder nicht. Wichtig ist aber auch, ob der Fonds Geld verdienen will – das kann bei einem privaten oder einem Staatsfonds der Fall sein. Erst wenn erwiesen ist, dass ein Staatsfonds ein deutsches Unternehmen aufkaufen will, obwohl er damit Geld verliert, sollte das unterbunden werden.

Wie kann das überprüft werden?

Im Außenwirtschaftsgesetz sollte eine zusätzliche Kontrollinstanz eingeschaltet werden, zum Beispiel die Monopolkommission.

Bislang gibt es keine Kontrollen?

Nein, aber das Außenwirtschaftsgesetz wurde auch noch nicht oft angewandt. Es bietet bislang nur Interventionsmöglichkeiten, wenn rüstungsrelevante Betriebe aufgekauft werden sollen.

Sollte man die Liste ausweiten?

Das halte ich für den falschen Ansatz. Weitet man die Branchen aus, wie es das Finanzministerium anstrebt, lassen sich auch Fusionspläne von privaten Investoren abblocken. Das wäre viel protektionistischer, als wenn man genau auf die Motive des Investors schaut.

Kann man die Motive immer so genau herausfinden?

Im Zweifel nicht. Doch dann ist die Frage: Will man geschlossene Kapitalmärkte und Protektionismus, oder hält man die Investitionsfreiheit hoch? Ein Land wie Deutschland, das derzeit noch Exportweltmeister ist, ist sehr auf offene Märkte angewiesen.

Henning Klodt (55)

ist Professor am Kieler Institut für Weltwirtschaft und forscht über die Wirkung der Globalisierung in hoch entwickelten Ländern. Mit ihm sprach Juliane Schäuble.

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