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Interview: Geißler: "Der Ausgang des Stresstests ist offen"

Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler über Indiskretionen bei der Deutschen Bahn, Anfängerfehler von Winfried Hermann und den Protest gegen das Bahnprojekt.

Herr Geißler, am Wochenende sind aus Bahnkreisen Fakten aus dem Stresstest für Stuttgart 21 bekannt geworden. Gehen Sie auch davon aus, dass die Bahn den Test bestanden hat?

Ich kann nur bestätigen, das die Bahn wohl dieser Auffassung ist, das kann man den Verlautbarungen schon entnehmen. Aber ob der Stresstest wirklich das bestätigt, was die Bahn glaubt und hofft, das kann heute noch nicht gesagt werden. Die eigentliche Entscheidung wird gefällt durch SMA, die Schweizer Firma, die sowohl von Projektbefürwortern als auch von Projektgegnern als die Instanz vereinbart worden ist, die letztlich das Testat abgibt. Davor kann man über den Ausgang den Tests nichts sagen.

Die Bahn behauptet, es seien keine großen Veränderungen nötig. Nur eine zusätzliche Signaltechnik und ein zweigleisiger Flughafenanschluss fehlten noch. Reicht das Ihrer Auffassung nach aus?

Die Bahn muss im Zusammenhang mit dem Stresstest auch noch andere Bedingungen verbindlich erfüllen: Zu einer guten Betriebsqualität gehört, dass der Bahnhof behinderten- und familiengerecht gebaut wird, das ist er nach bisheriger Planung nicht. Der Bahnhof ist nicht akzeptabel, wenn Behinderte und Frauen mit dem Kinderwagen nicht aus dem Bahnhof herauskommen, wenn es zum Beispiel im Bahnhof brennt. Die Bahn muss außerdem erklären, wie sie die Brandschutzmaßnahmen umsetzen will – dazu hat sie sich verpflichtet –, die die Stuttgarter Feuerwehr vorgeschlagen hat. Das war nach bisheriger Planung nicht gegeben. Und als dritten Punkt muss die Bahn ein Notfallkonzept vorlegen, falls es zu einer Sperrung der beiden Tunnel kommt, durch die die Gleise laufen. Das alles sind Voraussetzungen, die auf jeden Fall mit abgeklärt werden müssen.

Sind alle Beteiligten der Schlichtung Ihrer Ansicht nach bisher ausreichend informiert und eingebunden worden?

Nein, und das ist ein sehr wichtiger Kritikpunkt an dem bisherigen Verfahren. Die Informationspolitik der Bahn gibt zu Missverständnissen Anlass. Wenn das Ergebnis tatsächlich schon vorliegen sollte, was ja offiziell von der Bahn noch nicht bestätigt wurde, dann muss man auch die Einzelheiten des Stresstests den Beteiligten sofort zugänglich machen. Und dazu gehört nicht nur das Verkehrsministerium in Stuttgart, sondern auch die Vertreter des Aktionsbündnisses. Und ich habe auch der Bahn gesagt, dass diese Vertreter bei der nächsten Besprechung des Lenkungskreises in der kommenden Woche dabei sein und informiert werden müssen. Ich werde dann auch dabei sein.

Gefährdet die Indiskretion der Bahn den Schlichtungsprozess?

Erleichtern tut sie ihn in jedem Fall nicht. Das ist eine unnötige Pressepolitik, die dort gemacht worden ist, aber es ist nun auch nichts absolut Ungewöhnliches. Jetzt gibt es wieder einige Tage Aufregung, allerdings glaube ich, das wird sich wieder legen. Es ist doch in Berlin gang und gäbe, dass Projekte auch in der Entwicklungsphase schon durchgestochen werden. Allerdings führt diese Strategie selten zu etwas Gutem, und es erleichtert natürlich die Situation nicht, wenn der Eindruck entsteht, dass die Bahn schon die Ergebnisse hat, sie den Projektgegnern gegenüber aber erst Mitte Juli herausrückt. Wir haben gerade erst Ende Juni. Es ist unheimlich wichtig, solche Ungereimtheiten auszuräumen.

Schlichter beim Bahnprojekt Stuttgart 21: Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler.
Schlichter beim Bahnprojekt Stuttgart 21: Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler.

© dpa

Verkehrsminister Winfried Hermann steht jetzt auch in der Kritik, weil er in einem Interview über das Ergebnis gesprochen haben soll.

Der Journalist hat nach meinen Informationen ein unautorisiertes Zitat verwendet. Trotzdem, das ist ein Anfängerfehler. Es sollte einem so gewieften Politiker nicht passieren, dass er Zitate nicht autorisiert.

Fürchten Sie angesichts der sich nun verhärtenden Fronten eine neue Eskalation beim Protest gegen Stuttgart 21?

Ich glaube, die Fronten sind gar nicht so verhärtet. Das ist jetzt ein wenig ein offenes Muskelspiel und auch eine Frage der Gesichtswahrung. In Wirklichkeit müssen alle ein Interesse daran haben, dass die Sache mit dem Stresstest nicht im Krawall endet. Dafür kann auch das SMA-Testat sorgen. Denn diese Firma wurde ja von den Grünen vorgeschlagen und von den Befürwortern des Projekts ebenfalls akzeptiert. An diesem Testat kann dann eigentlich niemand mehr Kritik üben.

Wollen Sie die Ergebnisse weiterhin am 14. Juli vorstellen?

Ja. Alle anderen Meldungen sind falsch. Natürlich ist das daran gebunden, dass alle informiert werden und das Verfahren einvernehmlich abläuft, das ist die Bedingung. Aber ein Konsens über das Verfahren muss keinen Konsens im Ergebnis bedeuten. Es wird immer Leute geben, die gegen den Bahnhof sind. Es ist eine falsche Vorstellung, man könnte alle Menschen durch einen Stresstest überzeugen.

Das Gespräch führte Elisa Simantke.

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