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Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur.

© Thilo Rückeis

Interview mit Bundesnetzagenturchef Jochen Homann: "Beschwerden gegen die Deutsche Post steigen eklatant"

6100 Fälle gab es vergangenes Jahr bei der Bundesnetzagentur. Agenturchef Jochen Homann über verspätete Briefe und Pakete, langsames Internet und die Funkloch-App.

Herr Homann, wann haben Sie das letzte Mal vergeblich auf ein Paket gewartet?

Ich persönlich hatte bisher keine Probleme mit der Paketzustellung. Die meisten Pakete kommen pünktlich. In der Tat gibt es aber immer wieder Beschwerden an einzelnen Orten. Und es gibt immer mal wieder Orte und Situationen, wo sich die Beschwerden häufen.

Zum Beispiel?
Wenn Zusteller krank werden oder Urlaubsvertretungen ausfallen, wird's schnell eng. In Berlin etwa hat es im letzten Oktober in einigen Bezirken enorme Schwierigkeiten bei der Briefzustellung gegeben.

Steht die Post als Staatskonzern nicht in besonderer Verantwortung, genug Leute zu beschäftigen, um Ausfälle kompensieren zu können?
Die Deutsche Post AG ist ein privates Unternehmen, das von sich behauptet, genügend Personal vorzuhalten und die Personalbemessung nach anerkannten Methoden vorzunehmen. Was wir aber in unserer Funktion als Verbraucherschutzbehörde feststellen ist ein erheblicher Anstieg der Verbraucherbeschwerden.

Wie viele Beschwerden bekommen Sie?
Wir haben im vergangenen Jahr nach bisherigen Zahlen 6100 Beschwerden im Postbereich erhalten – ein Anstieg von 2000 gegenüber dem Vorjahr. Das liegt aber nicht nur an der Unzufriedenheit mit der Post, sondern auch daran, dass immer mehr Menschen die Bundesnetzagentur kennen und wissen, dass sie sich hier an uns wenden können.

Beschweren sich die Kunden vor allem über die Paketboten oder die Briefträger?

Im letzten Jahr hatten wir wieder mehr Beschwerden zur Briefbeförderung als zur Paketbeförderung.

Und was unternehmen Sie dann?
Manchmal reicht es schon, dass wir nachfragen, damit eine Besserung eintritt. Darüber hinaus können wir leider wenig tun. Die Bundesnetzagentur hat hier bislang keine Sanktionsmöglichkeiten, wir werben aber in der Politik dafür. Es würde den Verbraucherinnen und Verbrauchern schon erheblich helfen, wenn man Bußgelder verhängen könnte, falls Postdienstleister schlecht arbeiten.

Wie überprüfen Sie das?
Wir gehen Beschwerden nach und die Unternehmen liefern der Bundesnetzagentur Informationen.

Hat sich bei der Frage nach Leerung der Briefkasten etwas geändert?
Ja, es gibt die Tendenz, dass mehr vormittags geleert wird und weniger nachmittags, was vor allem wenig frequentierte Briefkästen zu betreffen scheint.

Niemand darf es weiter als 1000 Meter bis zum nächsten Briefkasten haben, und die Post muss mindestens 12 000 Postfilialen oder -agenturen unterhalten. Wie zeitgemäß sind solche Vorgaben im Internetzeitalter noch?
Die Menschen gestalten ihr Leben unterschiedlich. Nach unserer Einschätzung werden physische Briefsendungen auch zukünftig ihre Bedeutung haben. Es ist aber in Zeiten der Digitalisierung sinnvoll, über den Umfang des Post-Universaldienstes zu diskutieren.

Hat die Post bei Ihnen schon eine Portoerhöhung beantragt? Sie musste ja nach der letzten Erhöhung drei Jahre Pause machen, aber Ende 2018 dürfte sie wieder.
Nein, noch nicht. Aber ich rechne damit, dass sie das tun wird nach Abschluss des Verfahrens zur Festlegung der Preisänderungsspielräume für die nächste sogenannte Preis-Cap-Periode.

Ärger gibt es nicht nur bei der Post. Ein Großteil der Internetnutzer erreicht nur die Hälfte der Geschwindigkeit, die ihnen versprochen wurde. Wie kann das sein?
Die Anbieter versprechen „Bis-zu-Geschwindigkeiten“. Wenn man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Telekommunikationsanbieter genau liest, wird man das so auch feststellen.

Aber wenn ich einen Ofen kaufe, der bis 250 Grad heizen soll und er nur 100 Grad schafft, würde ich den zurückgeben. Das ist doch Verbrauchertäuschung.
Wenn Sie aber immer nur Wasser kochen, stellen Sie doch gar nicht fest, dass Ihnen die 250 Grad fehlen. Wir haben kürzlich die Verbraucherinnen und Verbraucher nach ihrer Zufriedenheit befragt. Die meisten haben das Gefühl, dass ihre Internetverbindung für den häuslichen Gebrauch völlig ausreicht. Viele wissen gar nicht, dass sie eine viel schnellere Verbindung vereinbart haben.

Was können diejenigen tun, die die versprochenen Höchstgeschwindigkeiten nicht erreichen?

Die Bundesnetzagentur stellt seit September 2015 ein Messtool unter der Webseite www.breitbandmessung.de zur Verfügung. Mit dem Test können Internetnutzer die Leistungsfähigkeit Ihres Internetzugangs überprüfen und die Messergebnisse mit der vertraglich vereinbarten Datenübertragungsrate vergleichen. Im Juli 2017 hat die Bundesnetzagentur zudem eine Mitteilung zu Abweichungen bei Breitbandgeschwindigkeiten im Festnetz veröffentlicht. Diese konkretisiert, wann nach unserer Auffassung eine nicht vertragskonforme Leistung vorliegt. Der Nachweis von Abweichungen soll mittels installierbarer Version der Breitbandmessung der Bundesnetzagentur erfolgen.

Es sollte schon im ersten Quartal die installierbare Version der Breitbandmessung kommen. Was ist damit?
Die sogenannte Desktop-App wird ab Anfang Mai bereitstehen. Internetnutzer können damit den Nachweis einer nicht vertragskonformen Leistung gegenüber ihrem Anbieter erbringen. Nicht zu verwechseln mit der Funkloch-App, die aktuell von politischer Seite gefordert wird.

Wie sinnvoll ist diese Funkloch-App überhaupt, haben Sie die Daten nicht sowieso?
Natürlich kann eine App helfen, zusätzliche Erkenntnisse zu liefern und damit die Analysen zur Breitbandversorgung unterstützen. Die Bundesnetzagentur verfügt zwar durch die Breitbandmessung über umfangreiche Messergebnisse zur Qualität der Breitbandzugänge, jedoch nicht zur Netzabdeckung.

Wann kommt diese App?
Ich gehe davon aus, dass wir die Funkloch-App noch dieses Jahr auf den Markt bringen.

Was muss passieren, um dann die Funklöcher zu schließen?
In jedem Fall muss das Netz ausgebaut werden. Zudem will die Bundesnetzagentur in diesem Jahr die Frequenzen für 5G-Anwendungen vergeben. Es gibt aber noch viele Diskussionen über die Bedingungen. Ein Thema sind dabei auch lokale und regionale Frequenzen. Wir werden in Zukunft erleben, dass Unternehmen eigene Netze unabhängig von den großen Telekommunikationsbetreibern aufbauen, zum Beispiel für das berühmte Internet der Dinge in der Lagerhaltung. Daher haben wir auch vorgeschlagen, dass man einen Teil der Frequenzen dafür zurückhält. Es gibt viele verzwickte Themen mit starken wirtschaftlichen Interessen im Hintergrund, die geklärt werden müssen.

United Internet will unter bestimmten Bedingungen als vierter großer Netzbetreiber einsteigen. Machen Sie das möglich?

Auch das werden wir diskutieren. Das Unternehmen sagt, es kann als Neueinsteiger nicht gleich die ganze Republik versorgen und ist darauf angewiesen, dass die Nutzer auch in andere Netze hineinkönnen. Sie können sich vorstellen, dass diejenigen, die diese Netze jetzt haben, hier eine andere Meinung haben.

Aber erst mit 5G werden die Funklöcher geschlossen?
Das kann man so nicht sagen. Mit den Frequenzen, um die es hier geht, kann man viele Menschen auf engem Raum erreichen, aber nicht über weite Strecken. Um mit diesen Frequenzen die Fläche zu versorgen, müsste man fast alle 300 Meter eine Antenne aufstellen. Die Frequenzen, die wir vor zwei Jahren vergeben haben, sind dagegen für die Fläche viel besser geeignet. Die Vergabe hier hatten wir deshalb mit entsprechenden Auflagen verbunden.

Warum gibt es dann noch so viele weiße Flecken?
Es gibt eine Frist bis 2020. So lange haben die Unternehmen Zeit. Auch auf Wunsch der Bundesländer übrigens. Denn so muss der Rundfunk diese Frequenzen nur schrittweise räumen.

Wenn die Meldungen der Funkloch-App mal ausgewertet sind, ist das Problem also schon gelöst?
Das wäre wunderbar, aber so wird es nicht sein. Denn die Auflagen aus der letzten Frequenzversteigerung beziehen sich nicht auf die Fläche sondern auf die Haushalte. Es müssen 98 Prozent erreicht werden. Wir sprechen jetzt also über die letzten zwei Prozent. Die Debatte, wie wir die auch in der Fläche erreichen, geht jetzt in die nächste Runde.

DER BEAMTE

Jochen Homann, geboren 1953 in Rotenburg/Wümme, ist seit dem 1. März 2012 Präsident der Bundesnetzagentur in Bonn. Davor war er als beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie für die Energie,- Industrie- und Technologiepolitik zuständig. Im Bundeskanzleramt leitete er von 1991 bis 2001 das Grundsatzreferat in der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik.

DIE BEHÖRDE
Die Bundesnetzagentur ist für den Wettbewerb auf den fünf Netzmärkten Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnverkehr verantwortlich. Sie ist eine obere deutsche Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums. Verbraucher können sich kostenfrei an die Behörde wenden. Beispielsweise, wenn sie Probleme mit ihrem Telefonanbieter oder der Post haben.

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