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Zetsche-2000

© ddp

Interview mit Daimler-Chef Dieter Zetsche: "Die nächsten Jahre werden gut"

Daimler-Chrysler-Chef Dieter Zetsche über Daimler nach dem Verkauf von Chrysler, neue Autos und den Klimaschutz.

Herr Zetsche, macht die Arbeit wieder Spaß?

Grundsätzlich hat die Arbeit immer Spaß gemacht. Es gab natürlich Phasen größerer Anspannung und Entscheidungen, die schwierig waren. Jetzt aber haben wir für die Zukunft eine sehr gute Perspektive – und das ist natürlich auch für die persönliche Befindlichkeit positiv.

Der Kopf sei nun wieder frei, haben Sie nach dem Chrysler-Verkauf gesagt. Waren Belastungen und Blockaden so groß?

Chrysler war natürlich in den vergangenen Monaten ein zentrales Thema, und solch eine Entscheidung hat gravierende Auswirkungen. Deshalb wendet man sich dem gesamten Komplex stark zu.

Hat Chrysler nicht über zu viele Jahre zu viel Managementkapazität gebunden?

Rein quantitativ gesehen waren es vielleicht 150 Mitarbeiter, die von Daimler für Chrysler gearbeitet haben; ungefähr ebenso viele auch in der umgekehrten Richtung. Bei einem Unternehmen mit 300 000 Mitarbeitern kann das also nicht das Problem sein.

Dennoch ist die These zu hören, Mercedes hätte in den vergangenen Jahren weniger Probleme gehabt, wenn Chrysler nicht so viele Ressourcen beansprucht hätte.

Ich glaube, diese These kann man durch nichts belegen.

Aber Sie selbst sagen jetzt, dass die Präsenz der Daimler-Marken – und das bedeutet natürlich vor allem Mercedes – nach der Trennung von Chrysler größer werde.

Das betrifft vor allem die Sicht von Investoren und Aktionären. In der Konsequenz wurden das Potenzial und die Leistung von Mercedes und Trucks unterschätzt. Am Börsenwert wird das deutlich: Vor einem Jahr war das Unternehmen weniger als 35 Milliarden Euro wert, heute sind es etwa 70 Milliarden.

Hat Sie diese Entwicklung zu der Einschätzung gebracht, das Schicksal des Unternehmens jetzt stärker in der Hand zu haben als noch vor einen halben Jahr?

Ja. Das Risiko, dass andere Einfluss auf das Unternehmen nehmen, und zwar ungewollt, ist heute deutlich geringer. Wir haben generell seit einem Jahr viele Themen angegangen und gelöst. Diese Initiativen bringen Vertrauen.

Auch bei den Hedgefonds?

Die Verdopplung des Börsenwerts hat bereit stattgefunden und ist also für Finanzinvestoren nicht mehr eine Wurst, nach der zu schnappen sich lohnen würde. Doch es ist immer noch sehr viel Geld im Markt vorhanden, deshalb wird es weiterhin Investoren geben, die Daimler-Aktien kaufen. Das begrüßen wir. Wir sind jetzt gut unterwegs, und unsere Aktionäre werden davon weiter profitieren.

Ohne Chrysler wollen Sie der führende Premiumhersteller der Welt werden. Derzeit ist das BMW und Audi will es bis 2015 sein. Was unterscheidet Mercedes von diesen beiden wichtigsten Wettbewerbern?

Vorab und ganz entscheidend: Den Erfolg mache ich nicht an der Zahl der verkauften Fahrzeuge fest. Wir haben zum Beispiel einen höheren Umsatz. Im Wesentlichen geht es um die Profitabilität, und hier sind wir auf einem guten Weg. Wir haben die stärkste Marke in der Automobilindustrie und genießen hohe Wertschätzung bei den Kunden. Zudem haben wir hoch qualifizierte Mitarbeiter, die stolz sind, bei uns zu arbeiten.

Einer Umfrage zufolge ist Daimler auf der Rangliste der beliebtesten Arbeitgeber hierzulande deutlich zurückgefallen.

Es ist klar, dass wir bei der Neuausrichtung des Unternehmens auch an Entscheidungen nicht vorbeikamen, die für manche Mitarbeiter schwer waren. Wir sind durch diese Phase im Wesentlichen durch. Jetzt haben wir ein Unternehmen, das gerade auch für die Mitarbeiter hervorragende Perspektiven aufzeigt. Wohl auch deshalb spüren wir im Moment eine Aufbruchstimmung in der Belegschaft.

Wie spüren Sie das?

Ich sitze ja relativ selten in diesem Büro, sondern bin meistens draußen – im Design, der Entwicklung und in der Produktion. Wenn Sie kein Autist sind, bekommen Sie die Stimmung sehr gut mit, dass etwa vor einem Jahr die Stimmung nicht sehr gut war und jetzt deutlich besser ist. Es gibt Begeisterung für das, was an Chancen vor uns liegt.

Dann hat Chrysler offenbar gewaltig auf die Stimmung gedrückt.

Zunächst muss man sagen, dass wir in allen Geschäftsfeldern unsere Herausforderungen hatten. Die Stimmung auch in der deutschen Belegschaft war durchaus ambivalent, als wir die Trennung von Chrysler entschieden hatten. Zum einen werden die Chancen gesehen, die wir mit den verbleibenden Geschäften haben. Die Mitarbeiter nehmen ja auch die Entwicklung der Aktie wahr. Auf der anderen Seite haben uns die neun gemeinsamen Jahre mit Chrysler nähergebracht; es sind Freundschaften über den Atlantik entstanden, so dass es nun auch einen Schmerz des Loslassens gab. Positiv ist, dass wir ja auch mit 19,9 Prozent an Chrysler beteiligt bleiben und wir damit die für beide Seiten wirtschaftlich sinnvollen Projekte fortsetzen können.

Sie haben auf die Profitabilität hingewiesen. BMW, zuletzt mit einer Umsatzrendite von 8,4 Prozent, liegt seit Jahren vor Mercedes, wo Sie für 2007 gut sieben Prozent erwarten. Wann schließen Sie auf?

Im ersten Quartal haben wir schon deutlich besser abgeschnitten. Ich bin sicher, wie unsere Entwicklung sein wird, und wir werden uns noch in diesem Jahr dazu äußern. Die nächsten Jahre werden gut.

Ähnlich wie Ihre Wettbewerber sprechen auch Sie von einem „Produktfeuerwerk“. Was für neue Autos wird es geben?

Wir denken nicht an eine weitere Produktoffensive mit ganz neuen Fahrzeugen. In der Breite unserer sehr jungen Modellpalette sind wir gut aufgestellt und konzentrieren uns nun darauf, mit den Nachfolgern der einzelnen Modelle noch besser zu werden. Gegenwärtig haben wir viele neue Autos im Markt, steigern unseren Absatz und werden in absehbarer Zeit mit einem kleinen Geländewagen und dann mit der neuen E-Klasse weitere Akzente setzen.

Doch auf einem wichtigen Markt wie China fährt Mercedes hinterher.

BMW verkauft dort mehr Fahrzeuge als wir, aber wir erreichen wahrscheinlich das bessere Ergebnis. Die Hälfte unserer S-Klasse mit Zwölfzylinder verkaufen wir in China. Natürlich haben wir noch Wachstumspotenziale in der E- und vor allem der C-Klasse. In China gibt es derzeit 400 000 Millionäre, und diese Zahl verändert sich schnell. Nicht, dass man in China Millionär sein muss, um unsere Autos zu kaufen, aber es zeigt, dass das Potenzial des chinesischen Marktes groß ist, auch weil die Marke Mercedes dort einen hervorragenden Klang hat.

Das gilt auch für Russland. Müsste nicht Daimler – ebenso wie in China – dort selbst produzieren?

Wir wachsen sehr schnell in Russland. Bisher können wir die Nachfrage aus Importen befriedigen. Das ist aber keine Aussage, die auf Dauer gelten muss. Je größer der Markt, desto größer die Chance, vor Ort mit einer Produktion Vorteile ausschöpfen zu können. Im Moment gibt es aber keine konkreten Pläne.

Auf dem größten Automarkt, den USA, läuft der Mercedes-Absatz seit Jahren gut, und nächstes Jahr wird der Smart eingeführt. Kommt dort endlich auch der Dieselabsatz in Schwung?

Trotz der schwierigen Wechselkursbedingungen verdienen wir ordentlich Geld in den USA, was nicht für alle unserer Wettbewerber gilt. Wir sind das 14. Jahr in Folge auf Rekordkurs in den USA und verkaufen dabei zunehmend auch unsere saubere Dieseltechnologie Bluetec.

Aber längst nicht so stark wie in Europa.

Als wir vor drei Jahren in New York einen Diesel für einen Chrysler angekündigt haben, konnte ich mir nicht vorstellen, wie positiv sich die Einstellung verändern würde. Wir haben einen Trend eingeleitet, den wir von der Spitze weg weiter verstärken werden. Dabei ist es vor allem eine kommunikative Herausforderung, die Qualität des Diesel den Amerikanern deutlich zu machen. Die Sicht war ja etwas verstellt durch den überhöhten Hype um den Hybridantrieb. Inzwischen legt sich diese Verschleierung der Realität und es wird auch in den USA klarer, dass der Diesel auf längerer Strecke weniger verbraucht als ein Hybrid.

Auch Mercedes kommt demnächst mit einem Hybrid auf den Markt.

Weil das ein wichtiger Baustein für die Zukunft ist. Wir werden künftig für jedes Modell einen Hybridantrieb im Angebot haben wie auch einen Diesel als Bluetec.

Einige Jahre nach Toyota kommen die Deutschen mit einem Hybrid. Zuvor überließ man den Dieselfilter den Franzosen. Warum hat die Branche geschlafen?

Wir rüsten viel mehr Autos mit Filter aus als die Franzosen, wir müssen uns da in keiner Weise verstecken. Was den Hybrid angeht, war Toyota eher am Markt, das ist ein Fakt. Alles in allem müssen wir sicher feststellen, dass wir unsere Leistungen, die beträchtlich sind, nicht laut genug kommuniziert haben. Bei Mercedes haben wir zum Beispiel den durchschnittlichen Verbrauch in den letzten 15 Jahren um 30 Prozent reduziert.

Vor allem wegen Smart und A-Klasse.

Auch auf jedes einzelne Fahrzeug bezogen ist der Verbrauch nach unten gegangen. Insgesamt haben wir vieles geleistet und nehmen unsere Verantwortung ernst. Wir wollen die Fortschrittsgeschwindigkeit noch erhöhen. Alle vier deutschen Hersteller haben ihren Anteil auf den Weltmärkten erhöht und entscheidenden Anteil am Exporterfolg der deutschen Wirtschaft. Wenn dann in den Überschriften hierzulande steht, wir würden die Zukunft verschlafen, dann stimmt was nicht mit der Wahrnehmung.

Ökoverbände werfen Ihnen vor, den neuen Smart ohne Partikelfilter zu bringen.

Letztendlich brauchen Umweltverbände auch konkrete Gegner, das hilft ihnen bei der eigenen Legitimation. Mit dem Smart, der 88 Gramm CO2 ausstößt, haben wir das sauberste Auto der Welt. Ausgestattet ist der Smart mit einem nicht geregelten Filter, vom nächsten Jahr an auch mit einem geregelten Filter. Die meisten Wettbewerber bieten ihre Autos in diesem Segment ohne Filter an.

Der Klimawandel und die CO2-Reduzierung sind das Megathema heute und morgen. Wie stellt sich Daimler darauf ein?

Letztlich kann die Antwort auf das Klimaproblem nur eine technologische Antwort sein, und da sind wir am besten aufgestellt. Wir wollen in allen Segmenten die beste Lösung anbieten können. Wichtig ist, dass es uns gelingt, im S-Klasse-Segment das verbrauchsgünstigste Auto anzubieten.

Dass die Autos kleiner werden, leichter und sauberer, ist unwahrscheinlich?

Das Thema Sicherheit bleibt auch auf der Tagesordnung. Die höheren Anforderungen führen zu höherem Gewicht. Letztendlich definiert die Kundennachfrage, wie die Produkte gestaltet werden. Aber in den einzelnen Segmenten ist unsere Aufgabe, die optimale Technik anzubieten und den geringsten Verbrauch zu erreichen. Ich kenne keine Forderung, dass Menschen nur noch in Einzimmerwohnungen leben sollten, weil die am wenigsten Energie verbrauchen.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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