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Lutz Goebel

© Mike Wolff

Interview mit Familienunternehmer Lutz Goebel: "Die AfD ist keine Alternative"

Lutz Goebel, Präsident des Verbands der Familienunternehmen, über miese Abis, anspruchsvolle Schüler, die Fehler der schwarz-roten Regierung und die Angst der Unternehmer vor einer Verschärfung der Erbschaftsteuer.

Herr Goebel, wie läuft das Geschäft in Ihrem Unternehmen?
Wir sind mitten in einer größeren Umstrukturierung. Wir haben den Finanzinvestor, der an dem Unternehmen Henkelhausen beteiligt war, ausgezahlt. Dazu haben wir das  Gasmotorengeschäft verkaufen müssen. Was bleibt, ist das  Dieselmotorengeschäft.  Aber das läuft im Moment nur mittelmäßig. Unsere Kunden sparen. Nur Aufträge, die bereits langfristig geplant sind, werden durchgezogen, mit neuen Investitionen sind die Firmen vorsichtig.

Sind die guten Zeiten in der deutschen Wirtschaft vorbei?
Noch geht’s uns gut, die Frage ist nur, wie lange noch. Aber eines ist klar: Geschenke wie die Rente mit 63, die die Politiker in den vergangenen Monaten gemacht haben, sind Geschenke an die Vergangenheit. Die große Koalition denkt heute nicht an morgen und setzt unsere Zukunft aufs Spiel.

Kostet Sie die Rente mit 63 Arbeitskräfte?
Wir haben in unserem Unternehmen derzeit 170 Mitarbeiter. Von denen können 15 bis Ende nächsten Jahres vorzeitig aufhören. Das ist eklatant. Wir versuchen, die Mitarbeiter zu halten. So gratuliere ich jedem Beschäftigten zum Geburtstag und frage bei den 62- oder 63-Jährigen bei der Gelegenheit nach, ob wir nicht was machen können. Viele haben Lust, zumindest Teilzeit weiter zu arbeiten.

Warum?
Wenn die Rente kommt, fahren viele erst einmal einen Monat lang in den Urlaub. Im nächsten Monat besuchen sie die komplette Familie und bringen ihren Garten in Ordnung. Dann wird es langsam langweilig und ohne richtige Aufgabe für den Partner wird der Frau die ständige Anwesenheit des Mannes manchmal zu viel. Da ist Teilzeit doch eine klasse Lösung.

Finden Sie noch genug Nachwuchs?
Das wird schwierig. Alle jungen Leute meinen, sie müssten studieren. Das macht die Lehrlingssuche kompliziert. Allerdings kommen relativ viele Studienabbrecher zu uns, die Elektrotechnik studiert haben, dann aber doch lieber eine Lehre machen wollen. Das sind gute Leute, und für die haben wir interessante Jobs.

Müssen die Unternehmen ihren Lehrlingen künftig höhere Ausbildungsvergütungen zahlen, um gegen den Mindestlohn anzukommen?
Das glaube ich nicht. Die Azubivergütung ist eigentlich hoch genug. Ich glaube, dass man eher beim Mindestlohn nachbessern muss. Es ist falsch, dass der schon ab dem 18. Lebensjahr greift. Auch junge Leute bis 21 oder noch älter sollten vom Mindestlohn ausgenommen werden. Noch besser wäre es, wenn der Mindestlohn an eine abgeschlossene Ausbildung gekoppelt wird.

Braucht die Wirtschaft mehr Zuwanderer, um die Lücken in der Belegschaft zu schließen?
Ja, aber leider hat diese Koalition keinerlei Konzept für eine langfristig geregelte Zuwanderung. Das wäre bitter nötig. Ansonsten sind die Euro-Krisen-Einwanderer schneller wieder weg als sie hier waren, wenn sich die wirtschaftliche Lage in ihren Ländern wieder verbessert. Aber das ist nicht die einzige Baustelle. Die Zahl der Studienabbrecher ist in Deutschland viel zu hoch. Das liegt daran, dass die Anforderungen an das Abitur immer weiter gesenkt worden sind und die jungen Leute dann zwar das Abi schaffen, aber an der Uni nicht mitkommen. Das muss besser werden. Außerdem gibt es Fehlanreize.

"Der Mindestlohn benachteiligt Vollzeitkräfte"

Welche?
Der Mindestlohn benachteiligt Vollzeitkräfte gegenüber geringfügig Beschäftigten. Ein Mindestlohn bei Minijobbern bedeutet Brutto gleich Netto. Beschäftigte in Vollzeit müssen auf ihren Brutto-Lohn Steuern und Sozialabgaben zahlen. So kommt es zu der skurrilen Situation, dass ein Minijobber einen wesentlich höheren Stundenlohn hat als die Vollzeitkraft, die das Netto vom Mindestlohn erhält. Es gibt somit keinen finanziellen Anreiz, von einem Minijob auf eine volle Stelle zu wechseln. Das ist unfair und muss geändert werden.

Die Regierung ist bald ein Jahr im Amt. Viel Freude scheint Ihnen Schwarz-Rot ja bislang nicht gemacht zu haben.
So ist es. Die Regierung hat die Wirtschaft nur belastet und unsere Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert. Nehmen Sie nur die Energiepolitik. Die Energie ist unsagbar teuer geworden. Die  Befreiung der energieintensiven Unternehmen ist zwar richtig, aber sie läuft völlig willkürlich und öffnet der Mauschelei Tür und Tor. Es gibt Firmen, die wegen der hohen Energiekosten das Land verlassen. Die Wacker Chemie aus Burghausen baut ihr neues Werk nicht in Deutschland, sondern in den USA. Und das ist kein Einzelfall. Neue Investitionen werden immer häufiger im Ausland und nicht mehr im Inland getätigt. Die Agenda 2010 hat dazu geführt, dass wieder einiges an Industrie in Deutschland entstanden ist. Jetzt machen wir den Standort wieder unattraktiv.

Ist die AfD für Sie eine Alternative?
Nein, die Partei stellt zwar die richtigen Fragen, gibt aber die falschen Antworten. Ein Austritt aus dem Euro wäre für die deutsche Wirtschaft fatal.

An der Spitze der großen Wirtschaftsverbände stehen derzeit lauter Familienunternehmer: Eric Schweitzer von Alba beim DIHK, Ulrich Grillo von den Grillo-Werken beim BDI, Ingo Kramer bei den Arbeitgeberverbänden. Wie kann es sein, dass ein Dreivierteljahr lang Politik an Ihren Interessen vorbei gemacht wurde?
Die CDU hat ihre Wirtschaftskompetenz verloren, und die SPD setzt ausschließlich auf teure Sozialpolitik. Die große Koalition sonnt sich in Selbstgefälligkeit und sieht nicht, wie uns die Wettbewerber aus China, den USA oder Südkorea den Rang ablaufen. Wir sind unflexibel geworden. Das zeigt sich etwa beim Arbeitsrecht. Der Kündigungsschutz ist so hoch, dass Sie einem Arbeitnehmer aus verhaltensbedingten Gründen so gut wie nicht kündigen können. Um dennoch flexibel zu bleiben, haben die Unternehmen Zeitarbeiter beschäftigt, Werkverträge oder befristete Verträge abgeschlossen. Die Koalition will das nun auch einschränken. Oder nehmen Sie die Arbeitszeitkonten, auf denen Mitarbeiter Überstunden ansparen oder abbauen können. Die sollen jetzt alle zwölf Monate ausgeglichen werden. So ein Quatsch. Damit wären wir in der großen Finanzkrise 2009/2010 in den Abgrund gestürzt. Warum überlässt man das nicht den Betrieben, den Unternehmern und ihren Mitarbeitern selbst?

Dass die Politik eingreift, liegt aber auch daran, dass viele Unternehmen Schindluder mit Werkverträgen oder Leiharbeitern getrieben haben.
Ja, in der Vergangenheit hat es sicherlich hat einige Fehlentwicklungen gegeben. Diese gehören beseitigt.  Das heißt aber nicht, dass der Gesetzgeber an sich sinnvolle Instrumente nun kaputt regulieren sollte.

"Die Frauenquote ist schädlich"

Die Politik greift auch ein, weil es noch immer kaum Frauen in Führungspositionen gibt. Deshalb kommt jetzt die Frauenquote.
Ein Fehler. In Unternehmen, die stark technikgetrieben sind und in denen viele Männer arbeiten, ist eine Frauenquote schädlich. Bei uns Familienunternehmen stellt sich die Sache aber anders da. 25 Prozent der Familienunternehmen werden bereits von Frauen geführt, Tendenz steigend. Viele Unternehmer haben unheimlich motivierte und starke Töchter, die den Betrieb gern übernehmen.

Sie auch?
Ja, ich habe zwei Töchter. Meine jüngere hat Interesse an der Firma und eine Wirtschaftsausbildung. Die kann das, schauen wir mal, ob sie dann auch kommt. Ich glaube, das Thema Frauen in Führungspositionen wird sich von selbst lösen, dazu braucht man keine Quote. Wichtiger ist es, dass Beruf und Familie besser miteinander vereinbart werden können – etwa mit Firmenkindergärten und anderen Angeboten.

Der Übergang von Betrieben an die nächste Generation könnte schwieriger werden, wenn fürs  Vererben von Unternehmen künftig höhere Steuern anfallen. Bisher gibt es hier enorme Erleichterungen wenn dadurch Arbeitsplätze erhalten werden. Aber das Bundesverfassungsgericht wird demnächst entscheiden, ob diese Privilegien rechtmäßig sind.
Die Betriebsverschonung, die wir haben, hat ja trotz allem zu Steuereinnahmen von 4,8 Milliarden Euro im Jahr geführt. Wir hoffen, dass die Verfassungsrichter den Zusammenhang zwischen dem Erhalt der Betriebssubstanz und dem Erhalt der Arbeitsplätze sehen. Wir sind zuversichtlich. CDU, CSU und SPD haben ja bereits erklärt, dass sie den Mittelstand mit seinen Arbeitsplätzen schonen wollen.

Sitzen zur Zeit viele Unternehmer beim Notar, um sicherheitshalber jetzt schnell noch ihr Unternehmen zu übertragen?
Jeder, der volljährige Kinder hat, macht das. Das kann man den Unternehmern auch nur empfehlen. Meine Frau und ich haben auch bereits jeweils 20 Prozent der Firmenanteile an unsere Töchter übertragen. Besser wird die Regelung nicht.

Wandern Unternehmer aus, wenn das Bundesverfassungsgericht hohe Erbschafts- und Schenkungssteuern verhängt?
Ja, sicher. Österreich und Schweden haben gar keine Erbschaft- und Schenkungsteuer. Aber ich hoffe, dass die Politiker die Gefahr sehen und zu vernünftigen Lösungen kommen, mit denen alle Seiten leben können.

Lutz Goebel (59) kommt aus einer Unternehmerfamilie. Er studierte Bauingenieurwesen, arbeitete vorübergehend für die Beratungsfirma Arthur D. Little kehrte dann aber wieder ins Unternehmerlager zurück. Goebel leitet jetzt als geschäftsführender Gesellschafter das Krefelder Maschinenbauunternehmen Henkelhausen. Seit 2011 ist er zudem Präsident des Verbands der Familienunternehmen, der 5000 Firmen mit zwei Millionen Arbeitnehmern repräsentiert. Sorge macht den Unternehmern derzeit ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, in dem es um Steuererleichterungen geht. Wird ein Betrieb mit mehr als 20 Mitarbeitern vererbt oder verschenkt, sparen die Nachfolger derzeit 85 Prozent der Steuer, wenn sie die Firma weitestgehend erhalten.

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