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Michael Glos

© Wolff

Interview mit Michael Glos: "Jetzt sehen wir Spielräume"

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos will die Steuern senken. Das Sparziel von Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt er infrage.

Der Staat wird in den nächsten vier Jahren mehr Steuern einnehmen als geplant. Was soll mit dem Geld geschehen, Herr Glos?

Die Steuerschätzung zeigt, dass wir auf der Basis unserer aktuellen, recht vorsichtigen Wachstumsprognose im Jahr 2012 mit rund 90 Milliarden Euro Mehreinnahmen zu rechnen haben. Mir ist wichtig, dass davon ein Teil zurück in den Geldbeutel der Menschen wandert. Schließlich haben die heimlichen Steuererhöhungen, die mit unserem progressiven Einkommenssteuertarif verbunden sind, die Kaufkraft gerade der Normalverdiener in den letzten Jahren erheblich geschwächt. Es ist deshalb nur konsequent und gerecht, wenn die CSU ein knappes Drittel dieser Mehreinnahmen an die Bürger zurückgeben will. Damit bleiben dem Staat immer noch zwei Drittel zur Deckung anderer Mehrkosten unseres Gemeinwesens.

Um 28 Milliarden Euro will Ihre Partei, die CSU, die Steuerzahler bis 2012 entlasten.

Der steuerpolitische Vorschlag der CSU hat meine volle Unterstützung. Bei der Rechnung darf man ja auch nicht vergessen, dass steuerliche Entlastung sowohl Anreiz für mehr Leistung als auch mehr Kaufkraft bedeuten. Wenn wir so zu mehr Wachstum kommen, bedeutet das auch höhere Steuereinnahmen für den Staat.

Dann finanziert sich das Steuerkonzept der CSU von allein?

Das wäre zwar schön, aber ein steuerpolitisches Perpetuum mobile hat noch niemand erfunden. Aber darum geht es auch gar nicht: Steuersenkungen lösen Wachstumsimpulse aus. Deshalb muss die Wirtschafts- und Finanzpolitik insgesamt die Weichen auf mehr Wachstum und Beschäftigung stellen. Deshalb sage ich: Es ist realistisch, den Menschen 28 Milliarden Euro zurückzugeben.

Der Finanzminister sieht das anders.

In einem öffentlichen Gemeinwesen sind ein sparsames Ausgabeverhalten und eine möglichst starke Begrenzung der Einnahmen durch niedrige Steuern zwei Seiten einer Medaille. Das heißt, ein öffentliches Gemeinwesen kann man nur zu sparsamem Ausgabeverhalten veranlassen, wenn man auf der Einnahmeseite keine unverdienten Überschüsse zu Lasten der Steuerzahler entstehen lässt. Ein enges Einnahmenkorsett bewirkt auch sparsame Ausgaben. Bei vollen Kassen sind den Wünschen bekanntlich keine Grenzen gesetzt – und die Kassen werden schneller wieder leer, als uns mancher glauben machen möchte. Im Übrigen: Bereits im Frühjahr 2007 habe ich dafür plädiert, den Menschen ihr Geld wieder zurückzugeben, das der Staat ihnen über die kalte Progression genommen hat, sobald sich dafür Spielräume ergeben. Jetzt sehen wir diese Spielräume. Daher will die CSU bereits im nächsten Jahr einen ersten Schritt gehen. Es geht vor allem um Entlastung für Familien und für die Leistungsträger unserer Gesellschaft – Normalverdiener, Facharbeiter, Handwerker. Die Kinderfreibeträge und das Kindergeld sollen erhöht und die Pendlerpauschale soll wieder in vollem Umfang geltend gemacht werden können.

Glaubt man dem Finanzminister, dann gibt es bei der Aufstellung der kommenden Bundeshaushalte nicht mal Spielraum für die Ausgabenwünsche des Kabinetts, geschweige denn Geld für Steuersenkungen.

Zunächst einmal: Es ist Aufgabe des Finanzministers, den Bundeshaushalt aufzustellen. Hier muss er die richtigen Prioritäten setzen, damit wir den zukünftigen Herausforderungen für unsere Gesellschaft gerecht werden können. Das Verhalten von Finanzminister Steinbrück vor einigen Wochen hat mich sehr erstaunt. Es ist sehr ungewöhnlich, dass er öffentlich versucht hat, auf einige Kabinettskollegen Druck auszuüben, anstatt sich mit ihnen zu beraten Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf mein Ministerium. Denn der Koalitionsvertrag verpflichtet die Bundesregierung, bis 2010 die Ausgaben von Staat und Wirtschaft für Forschung und Entwicklung auf drei Prozent des Bruttosozialproduktes zu steigern: Nichts anderes hat mein Ministerium in der Haushaltsanmeldung umgesetzt und hier geht es um Innovation und Technologie – um die Zukunft unserer Wirtschaft.

Wenn das Geld nicht reicht, wird der Finanzminister die Wünsche zusammenstreichen müssen.

Der Finanzminister wäre gut beraten, wenn er sich zuerst die großen Ausgabenblöcke ansehen würde. Nach wie vor ist der größte Etat, der zudem die größten Steigerungen aufweist, der des Arbeitsministers. Probleme für die Zukunft entstehen immer dort, wo durch Leistungsgesetze Ausgabenlasten geschaffen werden, die dauerhaft Ansprüche bewirken. Ein gutes Beispiel ist die verlängerte Zahldauer des Arbeitslosengeldes I. Der Finanzminister ist verantwortlich dafür, diese Belastungen auf den Prüfstand zu stellen. Wenn Steuergelder in den Staatskonsum fließen und dann für Zukunftsinvestitionen fehlen, sind Haushaltsprobleme programmiert.

Wie relevant ist es, ob der Bundeshaushalt 2011 ohne neue Schulden auskommt?

Dieses Ziel dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, aber auch nicht isoliert über alles andere stellen. Beides ist möglich, Entlastung der Bürger und Konsolidierung des Haushalts, wenn wir auf Ausgabenseite die richtigen Prioritäten setzen und über die Einnahmeseite Wachstumsimpulse geben. Es wäre falsch, nun allein den Bundeshaushalt als Maßstab für steuerliche Entlastungen zu nehmen. Wichtig ist doch, dass der Staat insgesamt – Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen – aufhört, sich Jahr für Jahr über neue Schulden zu finanzieren. Und dieses Ziel, den ausgeglichenen Staatshaushalt, haben wir im letzten Jahr – erstmals wieder seit 1989 – erreicht.

Welchen Eindruck macht Ihre Partei auf Sie im Landtagswahlkampf in Bayern?

Wir haben wieder zur Geschlossenheit zurückgefunden. Die Stimmung verbessert sich in dem Maß, in dem die neue Führung geschlossen agiert. Nach ersten Unsicherheiten tritt die CSU wieder aktiv nach außen. Das zeigt gerade auch die Vorlage des Steuerkonzepts. Es wird wieder mehr über politische Inhalte als über Personen geredet. Das ist auch richtig so.

Inwiefern sind die immer neuen Erkenntnisse über die Vorgänge bei der BayernLB dabei hinderlich?

Die Finanzkrise hat alle Banken getroffen und ist auch an den Landesbanken nicht vorbeigegangen. Das trifft auch auf die BayernLB zu. Als Mitglied des Verwaltungsrats der KfW-Gruppe habe ich meine eigenen Erfahrungen mit der Finanzkrise gemacht. Bis heute ist das volle Ausmaß immer noch nicht ganz bekannt.

Sollten Politiker überhaupt verantwortliche Positionen bei Banken haben?

Eigentümer müssen immer die Verantwortung übernehmen. Die BayernLB gehört den Sparkassen und dem Freistaat, deswegen müssen auch in der Verantwortung stehende Politiker in den entsprechenden Gremien vertreten sein. Hierdurch wird das Fachwissen der Banker nicht auf die Seite gedrängt. Bei der KfW gibt es eine Sondersituation. Sie ist da hineingeraten, weil das Management einer anderen Bank, an der sie eine Beteiligung hält, offensichtlich verantwortungslos gehandelt hat. In Relation zur Größe der IKB war das Engagement bei diesen hochriskanten Papieren viel zu stark. Ich halte es nicht erst seit dieser Erfahrung für falsch, dass sich eine staatliche an einer privaten Bank beteiligt. Der Staat sollte sich aus solchen Geschäften heraushalten.

Wie weit ist der Verkaufsprozess bei der IKB gediehen?

Das offizielle Bietverfahren ist am Pfingstmontag abgeschlossen worden. Jetzt muss zügig eine Bewertung vorgenommen werden. Ob ein Zuschlag erteilt wird und wer ihn gegebenenfalls bekommt, wird sich zeigen. Noch im Mai werden die Gremien der KfW darüber beraten.

Finanzkrise und Konjunktur sind ein Thema – aber viele Bürger sind vor allem wegen der hohen Energiepreise besorgt.

Die Sorge der Menschen ist berechtigt. Durch die hohen Rohstoffpreise kommt es zu einem Wohlstandstransfer von den produzierenden hin zu den Ländern, die Rohstoffe besitzen. Es ist schwer, diese Entwicklung, die sich auch bei der Kaufkraft der einzelnen Bürger niederschlägt, auszugleichen. Deswegen müssen wir beim Energiemix verantwortungsvoll handeln und alle Möglichkeiten der Stromerzeugung ausnutzen, die nicht oder nicht sehr vom Rohstoffimport abhängen. Ich meine die erneuerbaren Energien, aber ausdrücklich auch die Kernkraft. Darüber hinaus müssen wir unsere Anstrengungen zum Energiesparen verstärken.

Einfluss auf die Preise haben Sie auch über die Mehrwertsteuer.

Ich halte es für richtiger, die steuerliche Entlastung auf Arbeit und Leistung zu beziehen, anstatt auf den Verbrauch. Allerdings müssen wir gerade mit Blick auf die gestiegenen Benzinpreise die Menschen entlasten, die gezwungen sind, das Auto zu benutzen. Deswegen müssen wir die Pendlerpauschale wieder in vollem Umfang einführen. Dies gilt unabhängig davon, wie das Bundesverfassungsgericht die gegenwärtige Regelung bewertet.

Wollen Sie nicht auf das Urteil warten?

Die Politik darf nicht auf das anstehende Urteil wie das Kaninchen auf die Schlange starren. Dass eine Klage anhängig ist, sehe ich als zusätzliches Argument an, dass Handlungsbedarf besteht. In erster Linie zwingt uns aber die vorher nicht absehbare Entwicklung der Treibstoffpreise, jetzt aktiv zu werden und die Pendlerpauschale umgehend wieder einzuführen. Hinzu kommt, dass wir auch die ländlichen Räume entwickeln wollen, wo es keinen öffentlichen Nahverkehr gibt.

Ist Benzin nicht viel zu billig, wenn man die Klimaschutzziele ernst nimmt?

Es kommt schon mal vor, dass ich beim Spaziergang Menschen sehe, die zum Spaß mit hoher Geschwindigkeit und viel Lärm ein Quad fahren. Dann frage ich mich, ob das so richtig ist. Wenn ich dann aber die Arbeitnehmer bei mir im Wahlkreis höre, die aus Ortschaften im Steigerwald jeden Tag nach Schweinfurt fahren müssen, weil es näher eben keine Arbeit gibt, dann habe ich keinen Zweifel daran, dass der Sprit derzeit viel zu teuer ist. Deshalb ist es richtig, die Pendlerpauschale wieder in vollem Umfang einzuführen.

Wie bedrohlich ist der hohe Ölpreis?

Wir haben in unseren Wachstumsprognosen einen Ölpreis von 105 Dollar je Barrel zu Grunde gelegt. Derzeit sind es rund 125 Dollar, aber niemand weiß, wie lange das so bleibt. Zu den hohen Preisen trägt ja auch viel Spekulation bei. Bei uns hat der hohe Ölpreis insgesamt nicht so starke Folgen. Zum einen, weil Öl in Dollar abgerechnet wird und die Aufwertung des Euro unsere heimische Ölrechnung entlastet. Zum anderen stärkt der hohe Ölpreis die Kaufkraft der ölproduzierenden Länder. Das kommt uns zugute, weil die deutsche Industrie ein bevorzugter Lieferant dieser Länder ist. Volkswirtschaftlich sieht die Bilanz besser aus als beim einzelnen Arbeitnehmer im Portemonnaie.

Pünktlich zu den Pfingstferien sind die Benzinpreise auf einen neuen Höchststand geklettert. Steckt da System dahinter?

Das Bundeskartellamt hat solche Preiserhöhungen wieder und wieder geprüft und bislang keinen Anlass gefunden, aus kartellrechtlichen Gründen zu intervenieren. Aber keine Frage, dieses Problem müssen wir weiter im Visier behalten.

Das Interview führten C. Brönstrup, M. Döbler und A. Sirleschtov.

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