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Bezahlbare Wohnungen bauen: „Wir peilen Kosten von 1700 bis 1800 Euro je Quadratmeter bei Neubauten an“, sagt Freiberg.

© dpa

Interview mit Vonovia-Vorstand: "Wir wollen 10.000 Wohnungen in Berlin bauen"

Klaus Freiberg ist Vorstandsmitglied der Wohnungsgesellschaft Vonovia. Mit dem Tagesspiegel spricht er über den Berliner Markt, Übernahmen und das alte Bild von der Heuschrecke.

Herr Freiberg, in zehn Tagen endet die Frist für das feindliche Übernahmeangebot für die Deutsche Wohnen. Wie viele Aktionäre des Wettbewerbers haben Ihre Offerte bislang angenommen?

Es sind knapp acht Prozent. 50 Prozent plus eine Aktie brauchen wir, um das, was wir vorhaben, umzusetzen. Institutionelle Investoren entscheiden sich aber erst kurz vor Ende der Frist, die bis 26. Januar läuft. Wir haben beim Zusammengehen mit der Gagfah das Gleiche erlebt. Der entscheidende Anteil der Aktien wurde in den letzten 72 Stunden angedient. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir Zustimmung bei den Aktionären finden werden.

Woher nehmen Sie Ihren Optimismus? Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Wohnen lehnen Ihr Angebot strikt ab.

Bevor man einen solchen Prozess startet, spricht man mit den Eigentümern beider Unternehmen. Wir haben viele positive Investorenstimmen, und wir machen den Aktionären ein finanziell attraktives Angebot. Genauso wichtig ist jedoch: Wir haben ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell und denken intensiv darüber nach, was wir unseren Kunden über den Mietvertrag hinaus alles anbieten könnten.

Zuletzt lag Ihre Offerte kaum über dem aktuellen Kurs der Deutsche-Wohnen-Aktie. Eine üppige Prämie sieht anders aus.

Natürlich ist die Prämie attraktiv, der Kurs ist ja genau deswegen gestiegen. Es geht uns aber nicht um Wachstum um jeden Preis. Unser Kerngeschäft ist die Bewirtschaftung von Wohnungen, die Verbesserung unserer Immobilien, die Zufriedenheit unserer Kunden, also unserer Mieter, die Entwicklung neuer Services und Produkte.

Als Vonovia noch Deutsche Annington hieß, galten Sie bei Mieterverbänden als Heuschrecke. Was ist heute anders?

Unser Geschäftsmodell ist ein völlig anderes. Die Finanzinvestoren unterlagen einem Denkfehler: Weil deutsche Wohnungsbestände unterbewertet sind und es vergleichsweise wenige private Wohnungseigentümer hierzulande gibt, glaubten sie, aus einem Volk von Mietern ein Volk von Eigentümern machen zu können. Und sie wollten damit schnelles Geld verdienen. Das hat nicht funktioniert. Die Wohnungen wurden mit wenig Eigenkapital gekauft und mit hohen Schulden samt Zinsen belastet – und die Betreuung der Immobilien endete in einem Desaster.

Vonovia-Vorstandsmitglied Klaus Freiberg.
Vonovia-Vorstandsmitglied Klaus Freiberg.

© Mike Wolff

Und Vonovia räumt nun auf?
Unsere Investoren sind seit dem Börsengang im Sommer 2013 ganz andere, Pensionsfonds zum Beispiel. Diese denken langfristig, da geht es nicht um kurzfristige Rendite, sondern um Werterhalt und Stabilität. Alle Dienstleistungen, die die Finanzinvestoren ausgelagert haben, haben wir wieder ins Unternehmen geholt und so die Kontrolle darüber zurückerlangt. Wir sind nun selbst verantwortlich, wenn zum Beispiel der Schnee nicht beseitigt oder die Heizung nicht rechtzeitig repariert wurde. Und wir können unseren Größenvorteil in der Beschaffung und in den Arbeitsabläufen nutzen und sind viel präsenter bei unseren Kunden.

Wie viel investieren Sie denn?

Wir investieren mehr als 30 Euro je Quadratmeter und Jahr. So viel geben nicht mal die Genossenschaften aus. 2015 haben wir insgesamt zwischen 660 Millionen Euro und 680 Millionen Euro investiert, davon etwa die Hälfte in Instandhaltung, hier tragen wir die Kosten komplett.

Welche Pläne haben Sie in Berlin?

Neben Investitionen in den Bestand werden wir auch massiv bauen: Bei Zustimmung zur Transaktion wären das 10 000 Wohnungen in den kommenden zehn Jahren. Das ist die Hälfte dessen, was wir bundesweit planen. Alleine in diesem Jahr werden wir insgesamt für einen dreistelligen Millionenbetrag modernisieren, Dächer aufstocken und Grundstückslücken schließen. Wir werden auch in die Entwicklung der Quartiere investieren, deren bauliche und soziale Qualität verbessern, den Einzelhandel stärken und andere Hauseigentümer motivieren, mitzumachen. Dies tun wir in Essen bereits heute schon, wo wir das Eltingviertel mit Millionenbeträgen gemeinsam mit der Stadt sanieren und neu beleben.

Und so die Gentrifizierung in Ihren Wohnvierteln vorantreiben?

Aktuell haben wir 30 000 Wohnungen in Berlin. Und ganz klar nein, es geht um bezahlbaren Wohnraum. Es gibt zu wenig für normal verdienende Arbeitnehmer. Mit dem Neubau von Wohnungen für 4000 Euro pro Quadratmeter oder Luxussanierungen bekommt man diese Nachfrage nicht in den Griff. Deshalb machen wir uns ja so viele Gedanken um die Kosten und die Prozesse der Modernisierung und kaufen unsere Fenster direkt beim Hersteller in Rumänien und sind dadurch 40 Prozent günstiger. Mittlerweile deckt unsere rund 3000 Mann starke Handwerkertruppe bis auf die Möblierung alle Gewerke der Wohnungsrenovierung ab. Und noch etwas: Der Mietspiegel ist die Grenze, deren Gültigkeit wir nicht anzweifeln.

Die Deutsche Wohnen, die Sie übernehmen wollen, klagt gegen den Mietspiegel.

Wir nicht. Wir haben andere Wachstumspotenziale: Wir kalkulieren mit moderaten Mieterhöhungen und Modernisierungsumlagen. Wir setzen zudem auf individuelle Serviceleistungen und haben zum Beispiel ein Bad- und ein Küchenprogramm, das wir den Mietern anbieten, aber eben gerade nicht aufzwingen.

Klingt nach sozialem Wohnungsbau. Was sagen denn Ihre Aktionäre dazu?

Unser Geschäftsmodell ist seit dem Börsengang unverändert und zielt auf nachhaltigen Ertrag und Effizienz ab, die wir durch Skaleneffekte erzielen. Dazu brauchen wir eine gewisse Größe, um zum Beispiel günstiger einkaufen zu können. Wir peilen Kosten von 1700 bis 1800 Euro je Quadratmeter bei Neubauten an. Wir bieten keine S-Klasse, sondern liegen zwischen Polo- und Golfklasse – aber mit Werkstattservice und Fachpersonal.

Aber Ihre Mieter müssen mit steigenden Mieten rechnen – auch in Berlin?

Unsere Mieter sehen wir als Kunden, denen wir ein Angebot machen, ähnlich wie die Autoindustrie es tut mit solider Serienausstattung und individuellen Sonderausstattungen, um im Bild zu bleiben. Bei Modernisierungen bieten wir zum Beispiel für das Bad drei Pakete an. Der Mieter kann sich für eines entscheiden – oder eben auch gar keines nehmen. Es muss ein nachvollziehbares Angebot sein mit Mehrwert für den Kunden. So sind dann auch Mietsteigerungen von rund drei Prozent zu erzielen und zu rechtfertigen.

Ihr Geschäftsmodell funktioniert bei niedrigen Zinsen. Können sich Ihre Mieter darauf verlassen, dass Sie auch in zehn Jahren noch investieren?

Darauf können sie sich verlassen, so ist unser Geschäftsmodell angelegt, das wir auch unseren Anlegern vorgestellt haben. Wir setzen auf ein einheitliches Bewirtschaftungsmodell in ganz Deutschland. Das funktioniert nur, wenn wir nachhaltig in die Substanz investieren. Wir spielen nicht das alte Immobilienspiel: „Wir sind auf einem heißen Markt und warten darauf, dass der Kessel immer heißer wird.“

Aber Berlin ist ein sehr heißer Markt.

Stimmt. Wir stellen aber – um im Bild zu bleiben – mehrere Kessel aufs Feuer. Das ist der Unterschied zum früheren Finanzinvestorenmodell.

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