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Carmen Binnewies ist Professorin für Psychologie an der Universität Münster. Sie beschäftigt sich damit, wie wir Arbeitsstress bewältigen.

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Interview über den Urlaubseffekt: „Erholung ist sehr flüchtig“

Längere Urlaube sind nicht gleich besser: Die Arbeits-Psychologin Carmen Binnewies über den Erholungswert von Freizeit und Reisen.

Frau Binnewies, die Deutschen verreisen immer öfter, aber dafür kürzer. Was bedeutet das für die Erholung?

Die bisherige Forschung zeigt, dass die Länge des Urlaubs keinen Effekt auf die Urlaubswirkung hat. Das heißt zunächst einmal, man erholt sich in einem langen Urlaub nicht zwangsläufig besser als in einem kurzen.

Aber?

Einschränkend muss man sagen, dass es bisher nur wenig Untersuchungen zur Länge des Urlaubs gibt. Viele Untersuchungen wurden mit Leuten durchgeführt, die gleich lang Urlaub hatten – bedingt durch Betriebs- oder Schulferien.

Das heißt, es spielt keine Rolle, wie lange wir in Urlaub fahren – Hauptsache wir fahren?

Richtig. Und da es bislang keine Befunde gibt, die zeigen, dass die Länge eine Rolle spielt, es aber Befunde gibt, die zeigen, dass auch Kurzurlaube wie zum Beispiel verlängerte Wochenenden erholsam sind, ist es sogar eher ratsam, öfter kürzere Urlaube einzulegen, als ein bis zwei sehr lange Urlaube im Jahr zu machen.

Wie lange hält denn der Erholungseffekt überhaupt an?

Wir wissen, dass die positiven Urlaubseffekte sehr kurzlebig sind. Zwischen einer und drei Wochen nach dem Urlaub sind sie noch spür- und nachweisbar. Danach ist man wieder auf Vorurlaubsniveau.

Wer kurz verreist, sucht sich Ziele, die er relativ schnell erkunden kann. Städtereisen sind sehr beliebt. Sind sie auch der richtige Ausgleich zum Büroalltag?

Soweit ich weiß, gibt es keine Untersuchungen speziell zu Städtereisen. Aber generell macht es für die Erholung gar keinen Unterschied, ob man wegfährt oder zu Hause bleibt. Einige Kollegen in Norwegen haben sehr gut belegt, dass schon das Betrachten von Naturbildern – Wäldern, Seen und so weiter – sehr erholsam ist.

Wichtig ist also nicht, wo man abschaltet, sondern dass man es überhaupt tut.

Obwohl man beim Verreisen meist viele neue Eindrücke sammelt und so die Arbeit gut vergessen kann, ist es auch oft mit Stress verbunden: Koffer packen und die Anreise, eventuell Zeit- und Klimaumstellung, ungewohntes Essen. Vor- und Nachteile heben sich am Ende vermutlich auf. Vielleicht noch ein spezifischer Befund in Bezug auf Städtereisen: Kollegen aus Rom haben gezeigt, dass das Erleben antiker Stätten – davon gibt es in Rom ja sehr viele – erholsam ist wie ein Naturerlebnis. Nicht so erholsam oder eher stressend ist eine städtische Umgebung mit viel Lärm und Verkehr.

Das Gespräch führte Simon Frost.

Carmen Binnewies ist Professorin für Psychologie an der Universität Münster. Sie beschäftigt sich unter anderem damit, wie wir Arbeitsstress bewältigen und die Work- Life-Balance finden.

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