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Christine Novacovic. Als Christine Licci leitete sie von 2001 bis 2004 die Citibank in Deutschland. Foto: p-a/dpa

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Interview: "Wir Frauen sind selber schuld"

Christine Licci hat als Bankerin rasant Karriere gemacht. Heute heißt sie Novakovic, verkauft Kunst und macht sich ihre Gedanken - über die Finanzkrise und die Chancen von Frauen in der Wirtschaft

Frau Novakovic, Sie waren früher Deutschlands prominenteste Bankerin. Was machen Sie heute?

Ich handele mit Kunstwerken der klassischen Moderne. Das ist die Zeit von 1850 bis 1950/60. Picasso oder Chagall gehören dazu. Ich betreue einige große Kunden, arbeite mit Galeristen und Kunsthändlern zusammen. Das funktioniert sehr gut und macht viel Spaß. Ich war zwar auch mit Leidenschaft Bankerin. Aber ich hatte keine Lust mehr darauf, fremdgesteuert zu sein und 17 Stunden am Tag zu arbeiten.

Auf Ihrer Homepage steht ein Satz des Malers Pablo Picasso: Gute Geschäfte zu machen, sei die größte Kunst. Machen Sie jetzt bessere Geschäfte als früher?

Ich mache andere Geschäfte. Aber egal welche Geschäfte man macht, die besten sind die, bei denen beide Seiten am Ende mit dem Deal zufrieden sind.

Das Gefühl hatten Sie auch als Bankerin?

Ja.

Sind Sie froh, dass Sie rechtzeitig vor der Finanzkrise ausgestiegen sind?

Ich bin nie jemand gewesen, der schwierige Situationen gescheut hat. Im Gegenteil, für schwierige Fälle bin ich immer gerufen worden. Das hat den Reiz für mich ausgemacht. Krisen sind spannende Phasen, in denen man viel lernen kann. Ich kann also im Nachhinein nicht sagen, dass ich froh bin, vorher ausgestiegen zu sein. Ich bin aus rein persönlichen Gründen ausgestiegen. Ich habe geheiratet, bin in die Schweiz gezogen und habe mein Hobby zum Beruf gemacht.

Für einen Mann wäre das ein ungewöhnlicher Schritt. Die meisten Chefs wollen noch im Aufsichtsrat sitzen, wenn sie 80 sind. Warum geben Frauen früher auf?

Ich weiß nicht, ob es aufgeben ist. Ich habe mich lange mit dem Thema auseinandergesetzt, weil ich natürlich viele Fragen beantworten musste. Ich glaube, dass viele Männer sich selbst vor allem über ihren beruflichen Erfolg definieren. Auch die Gesellschaft tut das. Das ist bei einer Frau anders. Wenn eine Frau beruflichen Erfolg hat, dann wird das immer noch als Ausnahme gesehen. Schon Ihre Frage bestätigt das. Männer können es sich in vielen Fällen besonders auch finanziell gar nicht leisten zu sagen, ich mache jetzt mal etwas anderes. Und dann gibt es natürlich noch die, die süchtig nach Macht sind. Ich glaube, wenn man sich über den Job und die Macht definiert, ist es schwierig auszusteigen.

Die Karriere war für Sie nicht so wichtig?

Es war spannend, es war gut. Ich bin auch überzeugt, dass ich weiterhin erfolgreich gewesen wäre. Wenn man einen Führungsstil hat, der über die Motivation und den Respekt der Menschen läuft, dann bekommen Sie so viel zurück, dass Sie automatisch als Chef erfolgreich sind. Aber ich habe mich nie über den Titel oder die Position definiert. Bei mir ging es immer nur um die Aufgabe.

Viele Frauen, die Toppositionen erreichen, ziehen sich wieder zurück. Warum?

Ich finde es total bedauerlich – auch wenn das blöd klingt, wenn es ausgerechnet von mir kommt. Aber ich glaube, dass es jedem Unternehmen gut tut, Frauen in Führungspositionen zu haben. Die zwei Geschlechter ergänzen sich einfach gut – auch in Führungsaufgaben. Es ist oft so, dass Frauen emotionaler führen.

Warum sieht die Realität anders aus?

Männer werden darauf getrimmt, Karriere zu machen. Frauen nicht. Und wir haben viel weniger Toleranz für die ganzen Machtspielchen, die da oben gespielt werden. Und die man betreiben muss, um sich oben zu behaupten. Ich hatte einfach keine Lust mehr, die Hälfte meiner Zeit mit so einem Blödsinn zu verbringen, der weder mein Team noch das Unternehmen vorangebracht hat.

Lassen sich Frauen auf Karriere trimmen?

In vielen Fällen sind wir Frauen selber daran schuld, dass wir keine Karriere machen. Abgesehen davon, muss natürlich jeder selbst entscheiden, wann er erfolgreich und glücklich ist. Erfolg muss ja nicht ein Sitz in einem Vorstand sein. Aber wenn man als Frau versucht, die Karriereleiter nach oben zu steigen, muss man mit Widerstand rechnen. Es bringt überhaupt nichts, sich darüber zu beschweren. Das ist einfach so. Man muss weiterkämpfen und vor allem seine Arbeit gut machen. Die Akzeptanz für Frauen, die ihre Arbeit sorgfältig und gut machen und ein bisschen Humor mitbringen ist absolut da. Aber es ist in unserer Kultur immer noch ein langer Weg zu gehen.

Was halten Sie von Quoten?

Von Quoten halte ich nichts. Man merkt relativ schnell, wenn eine Frau irgendwo hingehoben wurde, nur wegen der Quote. Wenn sie dann ihren Platz nicht erfüllt, schadet das der ganzen Frauenbewegung Richtung Führungsetage.

Was wäre ein besserer Weg?

In den unteren Führungsebenen hat sich schon viel getan. Da gibt es bereits viele Frauen, als Teamleiterin zum Beispiel. Diesen Frauen muss man einfach Zeit geben, ihren Weg zu machen. Man kann nicht oben anfangen. Der beste Weg ist aber immer noch die innerste Überzeugung der obersten Führungsebene, dass Diversität eine Bereicherung und ein Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen ist.

Wäre die Finanzkrise glimpflicher verlaufen, wenn mehr Frauen etwas zu entscheiden gehabt hätten?

Das glaube ich nicht. Zur Krise ist es gekommen, weil das Regelwerk und die Rahmenbedingungen der Finanzwelt es zugelassen haben. Es war ein Zusammenspiel zwischen Gesetzgebung, Steuerung der Zentralbanken sowie natürlich dem Verhalten der Banker und der Investoren, die immer höhere Renditen haben wollen. Es ist nicht so, dass die machthungrigen und gierigen Banker waghalsige Risiken gefahren sind, die sie nicht hätten fahren dürfen. Man darf nicht vergessen: Sie handelten innerhalb ihrer Kapitalrichtlinien und innerhalb der Gesetze. Wo war denn die Gesetzgebung? Einige Entwicklungen waren lange absehbar.

Zum Beispiel?

Die zu geringe Eigenkapitalhinterlegung für Derivate. Das diskutiert man seit vielen Jahren. Aber da ist nichts passiert. Hinterher denen die Schuld zu geben, die als letzte in der Kette die Ausführung machen, ist nicht richtig.

Wer war denn Schuld an der Krise?

Es gibt keine einzelnen Schuldigen, das war ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Sicher hat der Renditedruck bei den Banken auch eine Rolle gespielt. Aber schauen Sie sich doch einmal an, welche Banken wirklich unter der Krise gelitten haben: Zu allererst waren das in Deutschland die Landesbanken. Hier haben die Verantwortlichen einfach nicht verstanden, welche Risiken sie eingegangen sind und haben sich außerhalb ihrer Kernkompetenzen bewegt. Einfacher gesagt: Was haben die Landesbanken im US-Immobiliengeschäft zu suchen?

Wird das Richtige getan, um solche Krisen in Zukunft zu verhindern?

Einige Dinge, die diskutiert werden, sind sehr populistisch. Ich glaube nicht, dass Sie die Finanzkrise lösen, indem Sie den Managern weniger Geld zahlen. Das ist absoluter Quatsch. Dann bekommen Sie einfach nicht die guten Leute. Mich erschreckt, dass die Politik im Moment so eine Neiddebatte führt.

Worum sollte sich die Politik kümmern?

Sie sollte die Transparenz in der Bilanzierung und in der Kapitalhinterlegung nach vorn treiben. Vor allem sollte sie in jenen Instituten, wo der Staat selbst mit drinsitzt, die Kontrollgremien mit Leuten besetzen, die Ahnung von den Themen haben.

Das Interview führte Corinna Visser.

ZUR PERSON

ERSTE KARRIERE

Christine Novakovic, Tochter einer Hoteliersfamilie aus Südtirol, studierte Betriebswirtschaft in Mailand. Unter ihrem ersten Ehenamen Licci machte sie Karriere bei der Dresdner Bank, dann bei der UBS. 2001 wurde sie Chefin der Citibank in Deutschland. 2005 wechselte die von der „Wirtschaftswoche“ zur

Managerin des Jahres gekürte Licci in den Vorstand der HypoVereinsbank. Als Unicredit die HVB übernahm, stieg sie aus.

ZWEITE KARRIERE

Heute lebt Christine Novakovic mit ihrem zweiten Mann in der Schweiz. Die 45-Jährige arbeitet nun für das Kunsthandelshaus Barr & Ochsner.

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