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Wirtschaft: „Irgendwann wird die Blase platzen“

Die Alba-Chefs Axel und Eric Schweitzer über das Müllgeschäft, Übernahmen und die Familienfirma

Herr Schweitzer, Herr Schweitzer, Sie führen das Unternehmen Alba gemeinsam. Wie geht das? Was sind die größten Unterschiede zu Ihrem Vater, von dem Sie die Firma übernommen haben?

AXEL SCHWEITZER: Das kann man nur schwer vergleichen. Unser Vater hat mit unserer Mutter zusammen das Unternehmen mit zwei, drei Lkw begonnen. Er hat eine gute Idee gehabt und dazu die Energie, sie umzusetzen und das Unternehmen kontinuierlich zu entwickeln. Alba wurde immer größer, so dass wir heute vor ganz anderen Aufgaben stehen.

ERIC SCHWEITZER: Unsere Eltern haben uns ein Wertesystem beigebracht, den engen Familienzusammenhalt und das gemeinsame Einstehen für das Unternehmen. Wenn die Firma in einem wachsenden Markt eine Familienfirma bleiben soll, dann geht das nur mit dem gemeinsamen Wertesystem und mit der gleichen Einstellung zur unternehmerischen Tätigkeit. Mein Bruder und ich sind gleich gepolt, deshalb funktioniert das Unternehmen.

Sind das Pole, die der Vater Ihnen mitgegeben hat?

ERIC SCHWEITZER: Das ist so. Unser Vater hat uns nie unter Druck gesetzt. Ich hatte zum Beispiel nie das Gefühl, meiner Familie irgendetwas beweisen zu müssen.

AXEL SCHWEITZER: Mir ging es immer um Unabhängigkeit. Als ich zur Schule ging, wollte ich das Abitur machen, studieren und promovieren. Das war meine Vorstellung als 16-Jähriger. Ich habe dann Wirtschaftsingenieurwesen studiert, um eine möglichst breite Ausbildung zu bekommen. Denn das ist wiederum die Basis, den beruflichen Weg selbst bestimmen zu können.

Können Sie sich vorstellen, für ein anderes Unternehmen als Alba zu arbeiten?

AXEL SCHWEITZER: Diese Frage hat sich nie gestellt. Alba hat für mich einen hohen Wert. Weil es ein Familienunternehmen ist und weil wir beide eine identische Grundeinstellung haben, wie sich das Unternehmen entwickeln soll.

Hat der Vater die Richtung vorgegeben?

AXEL SCHWEITZER: Nein. Unsere Eltern haben uns die Entscheidung über unsere Ausbildung und den Beruf überlassen. Das musste überhaupt nicht mit Alba in Verbindung stehen. Womöglich hängen wir deshalb so stark an dem Unternehmen, weil es nie einen Zwang gab.

ERIC SCHWEITZER: Wir wurden nicht materiell erzogen. Wichtig war immer, sich Ziele zu setzen und diese möglichst zu erreichen, also zum Beispiel einen Kunden zu gewinnen oder ein bestimmtes Wachstum zu erzielen. Das Ziel ist wichtig, die Stärke im Markt, nicht aber die materiellen Auswirkungen auf einen persönlich.

Was treibt Sie dann an, woher kommt die unternehmerische Motivation, wenn es nicht ums Geldverdienen geht?

AXEL SCHWEITZER: Wir können als Familienunternehmer, die nicht von der Börse abhängen, langfristig planen. Wir sind beide zutiefst von dem Weg und den Perspektiven dieses Unternehmens überzeugt. Die Entwicklung ist sehr spannend und bringt persönliche Erfüllung.

Kann der eine Bruder etwas besser als der andere?

ERIC SCHWEITZER: Wir sind vom Typ unterschiedlich. Ich bin extrovertierter als mein Bruder, der die internen Bereiche wie Finanzen, Controlling und Beteiligungen sowie Personalentwicklung verantwortet. Die Verantwortung für das operative Geschäft liegt eher bei mir. Am Ende sind die strategischen unternehmerischen Entscheidungen immer gemeinsame Entscheidungen.

Und wer hat das letzte Wort?

AXEL SCHWEITZER: Wir haben bislang keinen Vorstandsvorsitzenden gebraucht. Das bedeutet nicht, dass wir immer einer Meinung sind. Am Ende gibt es eine Sachdiskussion mit unseren Vorstandskollegen Peter Kurth und Bernd Ranneberg, bei der dann auch die wechselseitigen Charaktere berücksichtigt werden.

Und wenn der eine das Unternehmen verkaufen will und der andere nicht?

ERIC SCHWEITZER: Die strategische Entscheidung, dass Alba Familienunternehmen bleibt, ist Anfang der 90er Jahre getroffen worden. Damals haben die Eltern das Unternehmen auf uns übertragen. Das oberste Ziel ist es, Familienunternehmen zu sein. Wir hatten nie die Idee, das Unternehmen zu verkaufen. Für uns ist es ein Wert für sich, Alba nach vorne zu bringen.

AXEL SCHWEITZER: Als eigenständige Unternehmer können wir das Unternehmen besser voranbringen. Es gibt also neben der emotionalen auch eine wirtschaftliche Komponente, die gegen den Verkauf spricht.

Wie geht es denn Alba aktuell?

AXEL SCHWEITZER: In diesem Jahr werden wir rund 600 Millionen Euro umsetzen, das sind etwa 20 Prozent mehr als 2005. Und mit Interseroh, an der wir mit 46 Prozent beteiligt sind, erreichen wir einen Umsatz von ca. 1,7 Milliarden Euro. Auf dem deutschen Markt sind wir hinter Remondis und vor Sulo auf dem zweiten Platz. Alle drei Unternehmen kommen zusammen auf weniger als 20 Prozent Marktanteil in Deutschland. Im Schnitt halten in den europäischen Ländern die größten drei Firmen aber rund 40 Prozent. Deshalb gehen wir davon aus, dass sich der Markt weiter konsolidiert.

Es wird weitere Übernahmen geben?

AXEL SCHWEITZER: Ja. Der Konzentrationsprozess in der Entsorgungswirtschaft, die hierzulande noch kleinteilig und familiär strukturiert ist, wird sich beschleunigen. Seit dem Einstieg der Investmentgesellschaften Blackstone und Apax ist klar, dass der Markt kapitalmarktfähig ist. Auch das befördert die Konsolidierung.

ERIC SCHWEITZER: Es gibt drei Megatrends in unserer Branche. Erstens: Langfristig werden weitere Kommunen ihre Entsorgung privatisieren. Zweitens: Immer stärker wird Abfall als Rohstoff gesehen, und wir werden weltweit eine steigende Rohstoffnachfrage sehen. Daraus ergeben sich Geschäftsmöglichkeiten, weil die Preise für Rohstoffe weltweit steigen, zum Beispiel Metalle. Zum Dritten verändert sich das Systemgeschäft in der gesamten Bandbreite, so beim Pfand oder der Verpackungsverordnung.

Und was bedeutet das für Alba?

ERIC SCHWEITZER: Alles in allem wird langfristig im Entsorgungsmarkt der kommunale Anteil am Gesamtvolumen eher sinken und die Bedeutung des Rohstoffgeschäftes steigen. Früher, bevor es die Verpackungsverordnung und die gelbe Tonne gab, war alles Restmüll. Nehmen wir zum Beispiel eine Jahresmüllmenge pro Kopf von 300 Kilogramm. Davon sind 20 Kilogramm Leichtverpackung, also gelbe Tonne, 30 Kilo Glas und 60 Kilo Papier. Diese 110 Kilo waren früher im Hausmüll, wofür es eine Gebühr gab. Heute sind diese Mengen in einem anderen Markt, der von privaten Firmen durchgeführt und in dem für Rohstoffe bezahlt wird. Der Anteil, der über Gebühren finanziert wird, sinkt also. Der Entsorgungsmarkt verschiebt sich.

AXEL SCHWEITZER: Deshalb haben wir uns an der Interseroh AG beteiligt, die stark in dem so genannten Systemgeschäft auf Grundlage der Verpackungsverordnung tätig ist. Alba sammelt und verwertet Verpackungen im Auftrag von Interseroh, dem Dualen System Deutschland (DSD) und anderen Systembetreibern. Das Geschäft mit dem Grünen Punkt ist sehr wettbewerbsintensiv. Die DSD-Preise für Entsorgungsunternehmen sind in den letzten Jahren um ein Drittel gesunken.

ERIC SCHWEITZER: Auch weil die Preise fallen, wird Größe wichtiger, um Mengeneffekte realisieren zu können. Für uns ist weiteres Wachstum deshalb unverzichtbar, und zwar organisch und über Akquisitionen. Zuletzt ging die Umsatzsteigerung bei Alba zu 70 Prozent auf die Ausweitung des eigenen Geschäfts und zu 30 Prozent auf Übernahmen zurück.

Welche Akquisitionen stehen an?

AXEL SCHWEITZER: In den vergangenen Jahren haben hohe Renditeerwartungen Private-Equity-Kapital angezogen; das hat auch die Preise nach oben getrieben. Doch Fondsrenditen von bis zu 50 Prozent sind auf Dauer in keinem legalen Mark möglich. Deshalb wird irgendwann die Blase platzen. Wir haben unser Wachstum immer solide finanziert und werden auch künftig keine Mondpreise für Übernahmen zahlen.

Auch nicht für Sulo, die Nummer drei auf dem deutschen Markt?

ERIC SCHWEITZER: Wenn die Sulo-Eigentümer zu dem Punkt kommen, dass sie an einen strategischen Investor verkaufen wollen, werden wir miteinander sprechen. Bislang war das nicht der Fall. Völlig unabhängig von Sulo werden wir in den nächsten Jahren weiter zweistellig wachsen. Mein Bruder ist 37 und ich bin 41. Wir freuen uns auf die nächsten Jahre mit Alba.

Das Interview führten Moritz Döbler und Alfons Frese

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