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Wirtschaft: Italien will Wachstum in der EU ankurbeln

50 bis 70 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr sollen in öffentliche Investitionen fließen / Deutschland stimmt zu

Berlin (fw). Die italienische Regierung will mit 50 bis 70 Milliarden Euro zusätzlichen Investitionen pro Jahr die europäische Wirtschaft ankurbeln. Die EU brauche mehr öffentliche Investitionen, sonst könne sie mit den USA nicht mithalten, heißt es in einem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt und in dem die italienische Ratspräsidentschaft ihre Leitlinien für die nächsten sechs Monate vorstellt. Beim Treffen der EUStaatschefs im griechischen Thessaloniki nächste Woche soll es bereits eine grundsätzliche Einigung zu dem Thema geben. Die Bundesregierung hat am Mittwoch ihre Unterstützung für die Vorschläge signalisiert. Das Vorhaben dürfe allerdings nicht gegen den europäischen Stabilitätspakt verstoßen, hieß es im Finanzministerium.

Rom übernimmt ab dem 1. Juli die Präsidentschaft der EU. Der Vorstoß, den die Italiener „A European Action for Growth“ nennen, ist einer ihrer zentralen Pläne für ihre Präsidentschaft. Deutschland, Frankreich und Italien könnten ein solches Programm gut gebrauchen, weil es nicht den nationalen Haushalten angelastet werden soll und so auch keine Auswirkungen auf den Stabilitätspakt hätte. Die Summe soll hauptsächlich von der EU-eigenen Europäischen Investitionsbank (EIB) über Anleihen und Bürgschaften finanziert werden und betrifft daher nicht direkt den Pakt. Dieser verbietet es, dass die jährliche Neuverschuldung auf über drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) steigt.

Deutschland wächst nur 0,2 Prozent

Deutschland und Frankreich haben die Grenze bereits überschritten, Italien ist nahe dran. Dazu kommen die schlechten Wachstumsaussichten für Deutschland. Nach jüngsten Prognosen der Bundesbank wird die deutsche Wirtschaft 2003 kaum stärker wachsen als im Jahr 2002, als ein Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von 0,2 Prozent erreicht wurde.

Das Geld soll vor allem in die so genannten transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN) fließen. Das sind Autobahnen oder Eisenbahnnetze, die die europäischen Regionen besser miteinander verbinden sollen. Der Bau der TEN wird von der Europäischen Kommission auch als bedeutender Beitrag zur Förderung des Wirtschaftswachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen angesehen. Anlass des italienischen Vorstoßes ist, dass eigentlich bis 2010 geplant ist, TEN–Projekte mit Kosten von 450 Milliarden Euro in Gang zu bringen. Bisher wurden laut Kommission seit 1999 etwa 90 Milliarden investiert, jährlich rund 20 Milliarden. Das sei zu langsam, es müssten zusätzliche Gelder fließen, meint Italiens Finanzminister Giuliano Tremonti.

Die EU hat sich im Jahr 2000 mit dem so genannten „Lissabon-Prozess“ vorgenommen, bis 2010 der wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Um die Verkehrsprojekte zu fördern, schlägt Rom vor, dass die Europäische Investitionsbank mehr Gelder fließen lassen kann: Es soll eine „European Investment Facility“ geschaffen werden, also eine neues Instrument für europäische Investitionen, hauptsächlich über Anleihen und Bürgschaften. Direkt beeinflusst das die Staatsverschuldung zwar nicht, weil die EIB die Anleihen auflegt. Indirekt aber schon, weil die EIB den Staaten ja gehört. Auch nationale Investitionen sollen fließen – in welcher Höhe und Form, steht allerdings nicht in dem Papier.

Staaten machen versteckt Schulden

„Die Projekte rechnen sich privatwirtschaftlich offensichtlich nicht – sonst hätte sie schon jemand finanziert“, sagt Daniel Gros, Direktor des Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel. Rechnen sich die Projekte wirklich nicht, dann kämen die Schulden doch wieder auf die Staaten zurück, sagt Gros. Er glaubt, dass das italienische Programm zwar langfristig Voraussetzungen für mehr Wachstum schaffe. „Das wird aber noch lange Jahre dauern.“

Die EU–Kommission begrüßte den Vorstoß. Schließlich plant sie selbst Ähnliches: „Das geht in die gleiche Richtung“, sagte der Sprecher von Finanzkommissar Pedro Solbes. Auch die Kommission wolle, dass mehr in die TEN investiert werde. Auf die Summe wollte sich der Sprecher nicht festlegen. „Das vorhandene Budget für TEN muss besser ausgenutzt werden, die Mitgliedstaaten müssen Ausgaben in die TEN lenken, und die EIB muss mehr Bürgschaften leisten“. Diese Maßnahmen würden den Stabilitätspakt nicht berühren. Auf dem Treffen der Regierungschefs in Thessaloniki nächste Woche sollen beide Vorschläge diskutiert werden.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die Pläne: Der Ausbau transeuropäischer Netze sei „überfällig“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer. Mehr öffentliche Investitionen würden für mehr Wachstums in Deutschland sorgen.

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