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Wirtschaft: Italienisches Design – made in China

Schlechte Stimmung auf der weltgrößten Möbelmesse in Mailand: Billigprodukte aus Fernost verdrängen Italiens Markenhersteller

Mailand. Wählerisch zu sein, das haben sich die italienischen Möbelhersteller abgewöhnt. Ob strenger Minimalismus oder üppiger Barock – mit der Exklusivität ist es vorbei. Stattdessen nehmen sie jeden aktuellen Trend mit. Hauptsache er lässt sich verkaufen, heißt es in diesem Jahr beim Mailänder „Salone del Mobile“, der größten Design- und Möbelmesse der Welt, die noch bis zum kommenden Montag läuft.

Die italienische Möbelbranche mit ihren über 33000 Unternehmen und über 200000 Beschäftigten steckt in einer tiefen Krise. Und so ist auch die Stimmung in Mailand mies – trotz der vielen Design-Vernissagen und Cocktail-Szene-Partys rund um den Salone del Mobile. Schon das vergangene Jahr verlief für die erfolgsverwöhnte italienische Möbelbranche alles andere als gut: Vor allem der Export brach ein, vor allem in Ländern wie Deutschland und den USA, die bisher die höchsten Wachstumsraten gebracht hatten. Da half es den italienischen Möbelherstellern auch wenig, dass sie ihre Exporte nach Russland steigern konnten. „Der starke Euro und der schwache Dollar sind für uns eine Katastrophe“, klagt Claudio Luti, Präsident der Design-Firma Kartell. Darunter leide nicht nur die Möbelbranche, sondern das gesamte Made-in-Italy-Geschäft.

Doch es ist nicht nur der Euro, der den Umsatz schmälert. Vor allem die immer aggressivere Konkurrenz aus dem Fernen Osten drückt auf die Stimmung der Italiener. China hat mit seinen 50000 Möbelherstellern und einem Geschäftsvolumen von rund 15 Milliarden Euro Italien längst überholt und führt nun weltweit die Möbelbranche an. Eine Konkurrenz, gegen die die Italiener nicht ankommen. „Anders als die Chinesen müssen unsere Möbelhersteller über 80 Prozent ihrer Materialien importieren“, sagt Paolo Boffi, Chef des Boffi-Küchenunternehmens und Präsident des italienischen Einrichtungsverbandes Assoarredo. Hinzu kämen dann noch die wesentlich höheren Produktions- und Lohnkosten.

Für viele Unternehmer gibt es zurzeit nur eine Alternative: Die Produktionsstätte nach Asien zu verlegen, um so wettbewerbsfähig zu bleiben. Große Namen der italienischen Möbelbranche, wie etwa der Polstermöbelhersteller Pasquale Natuzzi, haben schon längst Teile ihrer Produktion nach China verlegt. Doch nicht alle sehen darin eine Lösung. Zum Beispiel Philipp Selva, Chef des gleichnamigen Möbelunternehmens in Bozen. Er machte im vergangenen Jahr 100 Millionen Euro Umsatz – 92 Prozent davon durch das Exportgeschäft. Selva würde seine Möbelkollektion niemals in fernöstlichen Ländern herstellen lassen: „Unsere Stärke ist die Qualität“, sagt er. Statt einer Produktionsverlagerung schlägt Selva vor, in einzelnen Geschäftsbereichen Joint-Ventures mit den chinesischen Herstellern zu gründen.

Kopien aus Fernost

So hofft Selva auch ein weiteres Problem der italienischen Möbelhersteller in den Griff zu kriegen – die Raubkopien aus Fernost. Denn schon heute existiert ein Großteil des klassischen Made-in-Italy-Designs auch als billiges Plagiat aus China. „Sie können da ganze Heere von Rechtsanwälten auffahren, aber das interessiert die Kopierer herzlich wenig, sie bekommen das Problem nur schwer unter Kontrolle“, sagt Alessi-Stardesigner Stefano Giovannoni. Echte Trends und Exklusivität gebe es daher in der Möbelbranche gar nicht mehr. Es scheint, als habe Giovanni deswegen die Lust am Design von Einrichtungsgegenständen verloren. Stattdessen probiert er sich nun in anderen Branchen aus. So wird er in diesem Jahr den von ihm völlig neu durchgestylten Fiat Panda präsentieren. Und auch das nächste Projekt ist schon beschlossene Sache – eine exklusive Heizungskollektion.

Claudia Russo

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