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Wirtschaft: ITB 2001: Die Türkei ist bereits ausgebucht

"Almanya cok iyi" ist eine Bemerkung, die Deutsche in der Türkei immer wieder zu hören bekommen: "Deutschland ist sehr gut." Die Begeisterung kommt nicht von ungefähr, denn mit keinem anderen Land der Welt unterhält die Türkei so fruchtbare Beziehungen wie mit Deutschland.

"Almanya cok iyi" ist eine Bemerkung, die Deutsche in der Türkei immer wieder zu hören bekommen: "Deutschland ist sehr gut." Die Begeisterung kommt nicht von ungefähr, denn mit keinem anderen Land der Welt unterhält die Türkei so fruchtbare Beziehungen wie mit Deutschland. Durch die jüngste Finanzkrise der Türkei dürften diese Bande jetzt noch enger gezurrt werden. Denn nach Abwertung der Lira ist die Türkei verstärkt auf ihre Devisenbringer angewiesen.

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Als größter Handelspartner der Türkei, wichtigstes Ursprungsland der Touristenströme an die türkische Riviera und bedeutendstes Gastland der Auslandstürken gewinnt die Bundesrepublik daher noch weiter an Gewicht für die Türkei. Auch bei den ausländischen Investitionen in die türkische Wirtschaft, die nun attraktiver werden, stehen deutsche Unternehmer in der ersten Reihe. "Die Interaktion wird zunehmen", sagt Haluk Sumer, Leiter der deutschsprachigen Betriebswirtschaftsabteilung an der Marmara-Universität in Istanbul, voraus. Mehr als 20 Prozent der türkischen Exporte gehen schon seit Jahren in die Bundesrepublik. Das Land ist damit Top-Abnehmer türkischer Ausfuhren wie Textilien, Obst und Gemüse. Rund elf Milliarden Mark betrug der Erlös im vergangenen Jahr. Der Wertverlust der türkischen Lira um gut ein Drittel soll nach Wunsch der Regierung in Ankara das Geschäft mit den Deutschen weiter ankurbeln, denn die türkischen Waren werden dadurch billiger. Allerdings wollen auch die deutschen Einkäufer nichts verschenken und beginnen bereits, die Preise zu drücken.

Nach Deutschland schweift auch der Blick der türkischen Tourismusindustrie, die durch Abwertung nun Preisvorteile gegenüber der Konkurrenz in Griechenland und Spanien geltend machen kann und auf Rekordeinnahmen von mehr als 20 Milliarden Mark hofft. 2,3 Millionen Deutsche verbrachten schon im vergangenen Jahr ihren Urlaub an türkischen Stränden und behaupteten damit souverän ihren ersten Platz im türkischen Gästebuch. Fast jeder vierte Tourist kam aus Deutschland. Weil die Deutschen als besonders preisbewusst gelten, rechnet die Branche nun mit weiteren Zuwächsen. Die Entwicklung in den erste Monaten des neuen Jahres gibt Optimisten unter den türkischen Tourismus-Unternehmern recht: Das Urlauber-Zentrum Antalya beherbergte im Januar und Februar mit 185 000 Gästen so viele Urlauber wie noch nie - fast jeder zweite Antalya-Tourist war Deutscher. Dem Wachstum der Touristen-Zahlen sind allerdings Grenzen gesetzt, denn die Türkei ist für die kommende Sommersaison schon fast ausgebucht.

Dritte Devisenquelle der Türkei sind die Gastarbeiter in aller Welt, deren Überweisungen in die Heimat durch den Kursverfall der Lira ebenfalls aufgewertet wurden. Etwa zehn Milliarden Mark schicken die Auslandstürken jährlich in die Türkei - auch davon kommt der größte Batzen aus Deutschland, wo mehr als zwei Millionen der dreieinhalb Millionen Türken im Ausland leben. Allerdings dürften diese Transfers durch die Vertrauenskrise der türkischen Wirtschaft nicht gerade angekurbelt werden.

Die Krise sei der richtige Zeitpunkt für deutsche Investitionen, meinen Experten. "Der Einstieg ist jetzt sehr günstig", sagt Marc Landau, Chef der deutschen Außenhandelskammer in Istanbul, über einen Einstieg in den türkischen Markt. Diesen "guten Moment" würden deutsche Unternehmen voraussichtlich zu nutzen wissen. "Für deutsche Investoren ist die Türkei jetzt sehr interessant", meint der Betriebswirtschaftler Serhat Kutlan von der Marmara-Universität. Die Lohnkosten seien durch die Abwertung der Lira nun außerordentlich günstig. Bis sie wieder ihr vorheriges Niveau erreicht haben, werden nach seiner Schätzung zwei bis drei Jahre vergehen.

Grundstücke und Fabrikgebäude seien derzeit äußerst günstig zu kaufen, und türkische Unternehmen suchten dringend ausländische Partner. "Jede Krise ist auch eine Chance", sagt Kutlan. An seinen zweisprachig ausgebildeten Betriebswirtschafts-Studenten haben jedenfalls bereits mehrere deutsche Unternehmen Interesse angemeldet.

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