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Am Stand von Mallorca ist es voll wie jedes Jahr.

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ITB und Schuldenkrise: Urlaub bei den Euro-Sündern

Portugal, Irland, Griechenland und Spanien spüren auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB), wie die Schuldenkrise ihr Image als Reiseländer verändert.

Wegen dieser Sache ist er lieber selbst nach Berlin gekommen. Pavlos Yeroulanos, griechischer Minister für Tourismus und Kultur, macht auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) höchstpersönlich Werbung für sein Land. Er ist in Sorge: Die anderen Europäer wollen nämlich nicht mehr nach Griechenland reisen. Die Besucherzahlen aus den EU-Staaten sind im vergangenen Jahr im Schnitt um 5,3 Prozent zurückgegangen. Besonders auffällig dabei: Bürger aus den größten Nettozahlern der EU meiden das Land überdurchschnittlich: 13,2 Prozent weniger Deutsche kamen im Vergleich zum Vorjahr nach Griechenland, die Zahl der französischen Gäste sank um 10,4 Prozent. Die Zahl britischer Gäste brach mit minus 15,9 Prozent regelrecht ein – allerdings ging es den Inseleuropäern selbst zuletzt ökonomisch schlecht.

„Das letzte Jahr war das schlimmste aller Zeiten“, sagte Pavlos Yeroulanos dem Tagesspiegel. Der Tourismusminister ist der Meinung, dass das unmittelbar mit den negativen Schlagzeilen um die Finanzhilfen für sein Land zu tun hat.

Griechenland ist nicht das einzige Land, das spätestens seit dem vergangen Jahr aufgrund der immensen Staatsverschuldung unter besonderer Beobachtung steht. Am Stand gleich nebenan liegt Portugal, auch nach Italien und Spanien ist es auf der ITB nicht weit. Nur wer nach Irland reisen möchte, muss einmal durch die ganze bunte Welt der ITB laufen. Diese fünf Länder wurden in der Finanzwelt teilweise als die „Schweine“ unter den Euro-Ländern bezeichnet, weil es sich anbot, aus den Anfangsbuchstaben ihrer Namen das Akronym PIIGS (sprich Englisch „pigs“) zu bilden.

Armes Athen. Pavlos Yeroulanos, der griechische Tourismusminister, der in dieser Funktion auch für die Insel Korfu (rechts oben) zuständig ist, klagt: „Das letzte Jahr war das schlimmste aller Zeiten.“
Armes Athen. Pavlos Yeroulanos, der griechische Tourismusminister, der in dieser Funktion auch für die Insel Korfu (rechts oben) zuständig ist, klagt: „Das letzte Jahr war das schlimmste aller Zeiten.“

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Finanzhilfen haben bisher nur Griechenland und Irland erhalten. Sie haben auch am meisten zu kämpfen. Spanien ist als zweitbeliebtestes Reiseland der Welt ohnehin kaum zu erschüttern. Und vermutlich könnte nicht mal eine Milliardenzahlung die Deutschen davon abhalten nach Mallorca zu fliegen. Spanien blieb auch im vergangenen Jahr das beliebteste Urlaubsziel der Deutschen im Ausland.

Auch aus Italien waren am Mittwoch nur positive Entwicklungen zu hören. Und in Portugal glaubt man, dass die Schlagzeilen sich sogar positiv auf den Tourismus ausgewirkt haben. Portugal sei bei vielen als Urlaubsland noch nicht richtig präsent, sagte Luis Manuel Patrão, Präsident des portugiesischen Tourismusbüros. „Wir nutzen die Berichte, um bekannter zu werden.“ Um 10,2 Prozent wurde der Gesamtumsatz 2010 gesteigert, sechs Prozent mehr Besucher kamen. „Es ist das beste Ergebnis, das wir je hatten“, sagte Patrão. Dementsprechend ausgelassen war die Stimmung am Nachmittag bei Wein und gegrillten Meeresfrüchten.

Gute Stimmung versuchen auch Griechen zu verbreiten, doch sie hat es am schlimmsten getroffen. Das Land erhielt im Mai die Zusage für 110 Milliarden Euro Hilfskredite über drei Jahre verteilt, allein Deutschland trägt 22,4 Milliarden. Und das haben die Europäer offenbar besonders übel genommen, die für Griechenland mit 89,3 Prozent mit Abstand der wichtigste Markt sind. Für Griechenland könnte diese Entwicklung insofern gefährlich werden, da der Tourismus 18 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmacht. Rund 700 000 Arbeitsplätze hängen daran. „Gerade jetzt, wo die Regierung einen Neuanfang versucht, brauchen wir den Tourismus mehr denn je“, sagte der Minister. Der allerdings droht den Griechen in ihren Kernländern wegzubrechen. Insgesamt sind die Besucherzahlen zwar auf gleichem Niveau geblieben – vor allem durch erhebliche Steigerungen aus Polen und Zypern. Jedoch erzielte Griechenland in der Branche insgesamt sechs Prozent weniger Einnahmen.

Die ITB auf dem Berliner Messegelände unterm Funkturm läuft noch bis Sonntag.
Die ITB auf dem Berliner Messegelände unterm Funkturm läuft noch bis Sonntag.

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Ähnlich dramatische Zahlen sind aus Irland zu vernehmen. Auch hier waren die Besucherzahlen im vergangenen Jahr um rund zehn Prozent rückläufig. Bei Tourism Ireland führt man das jedoch eher auf die Aschewolke zurück, weniger auf die 85 Milliarden Euro Finanzhilfen, die der Staat im Atlantik erhalten hat. Aufgrund der geografischen Lage war Irland stärker von den Einschränkungen des europäischen Flugverkehrs im Vorjahr betroffen als andere Länder. Über das Jahr verteilt, seien die Zahlen stabil. Rund 400 000 Deutsche besuchen Irland jährlich, nach Großbritannien ist es der wichtigste Markt. „Die deutsche Öffentlichkeit hat die irischen Probleme zwar wahrgenommen, sie ihnen jedoch im Gegensatz zu den Griechen nicht übel genommen“, vermutet Christian Rübel vom Deutschen Büro von Tourism Ireland an der obligatorischen Guinness-Bar seines ITB-Stands. Das zeigte auch eine positive Entwicklung, die sich in den ersten Monaten des Jahres angedeutet habe.

Auch in Griechenland hofft man nun auf eine Trendwende. Durch das Senken der Mehrwertsteuer für Hotels, Ausgaben für die Infrastruktur und massive Werbemaßnahmen, will Griechenland auch touristisch wieder auf die Füße kommen. In den ersten Monaten des Jahres habe es bereits positive Anzeichen gegeben. „Auch im Tourismus sind viele Fehler gemacht worden“, gab Pavlos Yeroulanos zu. „Wir wollen, dass Griechenland in Zukunft aus einem anderen Blickwinkel gesehen wird.“

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