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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geht davon aus, dass die hohe Zuwanderung der deutschen Wirtschaft nicht schaden wird.

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Update

Jahreswirtschaftsbericht: Gut, aber nicht gut genug

Um 1,7 Prozent wird die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr wohl wachsen, meint Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Das ist weniger, als die Bundesregierung zuletzt erwartet hat.

Neues Jahr, neues Glück: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat am Mittwoch den Jahreswirtschaftsbericht vorgestellt – und der fällt alles in allem ordentlich aus. Für das Gesamtjahr rechnet der Vizekanzler zwar nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent – 0,1 Prozentpunkte weniger als bislang angenommen. Die Arbeitslosenquote allerdings soll trotz des Flüchtlingszuzugs bei 6,4 Prozent verharren. Die Zahl der Beschäftigten wiederum soll 2016 sogar noch um 0,9 Prozent – 380 000 Beschäftigte – steigen, heißt es im Bericht. Damit würde die Zahl der 43 Millionen Beschäftigten aus dem letzten Jahr noch übertroffen und ein „absoluten Rekord in der Geschichte der Republik“ aufgestellt werden, so Minister Gabriel. Doch trotz dieser guten Zahlen: in Feierlaune geriet der SPD-Chef am Mittwoch nicht.

Im Gegenteil. Weil der Ölpreis niedrig und der Wechselkurs des Euros schwach ist, hatte man im Wirtschaftsministerium eigentlich auf deutlich bessere Zahlen gehofft. Denn beide Faktoren stärken die Exportindustrie: Bei geringen Ölpreisen sinken die Transportkosten der Firmen während ein schwacher Kurs der europäischen Gemeinschaftswährung deutsche Waren im Ausland erschwinglich machen. Gabriels Bewertung der der Jahresprognose fiel daher dann auch verhalten aus: Angesichts der guten Rahmenbedingungen müsse die wirtschaftliche Dynamik eigentlich oberhalb von 1,7 Prozent liegen. „Bei diesen Wachstumsaussichten sollten wir nachdenklich sein“, sagte er.

Konsum treibt das Wachstum

Statt von der Außenwirtschaft werde das Wachstum daher wie schon im Vorjahr von der robusten Binnennachfrage getragen. Weil die Löhne zuletzt kräftig gestiegen seien, andererseits die Inflation nach wie vor gering ausfalle, bleibe den Arbeitnehmern unterm Strich mehr im Portemonnaie übrig. Und weil Sparen durch die geringen Zinssätze derzeit nicht belohnt wird, sitzt das Geld bei vielen Verbrauchern locker: Schon im vergangenen Jahr wurden knapp 54 Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung durch den Konsum der privaten Haushalte gestemmt. Nachdem die Konsumausgaben 2015 um 0,6 Prozent gestiegen sind, erwartet Gabriel 2016 gar einen Anstieg um 1,1 Prozent.

Das wiederum dürfte Auswirkungen auf Preisteuerung haben. Lag die Inflationsrate im letzten Jahr bei lediglich 0,3 Prozent, wird sie dieses Jahr wohl auf 0,9 Prozent steigen, heißt es im Jahreswirtschaftsbericht. Immerhin, auf die Verbraucher kann sich Gabriel offenbar auch im laufenden Jahr verlassen. Trotz gestiegener Terrorgefahr und der schwelenden Flüchtlingskrise zeige sich die Stimmung der Verbraucher auch zu Jahresbeginn stabil, berichtete das Marktforschungsunternehmen GfK am Mittwoch in seiner neuesten Konsumklimastudie. Für Februar prognostiziert der GfK-Gesamtindikator 9,4 Punkte nach ebenfalls 9,4 Zählern im Januar. Solange die Konjunktur stabil und die Arbeitsplätze sicher sind, dürfte sich das vorerst auch kaum ändern, sagte der GfK-Konsumforscher Rolf Bürkl der Deutschen Presse-Agentur. Auch in Bezug auf die Konjunktur seien die Deutschen wieder etwas optimistischer.

Gabriel will mehr Investieren

Um die Wirtschaft fit für künftige Herausforderungen zu machen, drängte Gabriel die Unternehmen zu höheren Investitionen. „Wir müssen jetzt die Weichen für die Zukunft stellen, damit Deutschland auch in zehn Jahren ein leistungsfähiger, global führender Wirtschafts- und Industriestandort ist“, sagte der Vize-Kanzler. „Dafür müssen wir unsere Wirtschaft modernisieren und auf einen höheren Pfad von privaten und öffentlichen Investitionen bringen.“ Wie das Handelsblatt am Mittwoch berichtete, soll dabei ein „Modernisierungspakt“ helfen, der bis 2025 angelegt ist. Bis dahin sollen Staat und Wirtschaft jährlich 60, insgesamt also 600 Milliarden Euro zusätzlich investieren – vor allem die Infrastruktur, aber auch Forschung, Bildung und Qualifizierung. Den größte Batzen wollen die Sozialdemokraten laut „Handelsblatt“ dabei in die digitale Infrastruktur leiten.

Für Unruhe sorgte derweil die Entscheidung Gabriels, die Regeln für die Fusionskontrolle zu erweitern. In diesem Jahr steht die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen an. Gabriel will sie dazu nutzen, der Digitalisierung gerecht zu werden. Das Problem: Manche Fusionen fallen unter die Schwelle, bei der das Bundeskartellamt aktiv wird, weil der Umsatz des Unternehmens, das übernommen werden soll, zu gering ist. Künftig sollen die Wettbewerbsbehörden deshalb auch abhängig vom Kaufpreis tätig werden können. Nach Ansicht des Digitalverbands Bitkom könnte es für Gründer und Investoren mit der Novelle schwieriger werden, ihr Start-up zu verkaufen. „Zusätzliche Bürokratie verunsichert Investoren, verzögert und gefährdet Exits und schwächt den Start-up-Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb“, warnte Bitkom-Geschäftsleiter Niklas Veltkamp.

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