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Wirtschaft: Jeden Tag die Polizei im Haus

Daimler lädt zur Diskussion über Compliance.

Berlin - Compliance ist ein Begriff, der in Deutschland vor wenigen Jahren noch unbekannt war. Unter anderem die Schmiergeldskandale bei Siemens und Daimler haben das geändert. Inzwischen sind die Unternehmen stolz darauf, dass sie „nur noch saubere Geschäfte machen“ und reden gern darüber, wie sie das geschafft haben. „Compliance ist laut Duden regelgerechtes, vorschriftsgemäßes, ethisch korrektes Verhalten“, erklärt der Journalist Stefan Aust das sperrige Wort zu Beginn einer Podiumsdiskussion in Berlin, zu der Daimler am Dienstag eingeladen hat.

Der Autokonzern hatte sich 2010 schuldig bekannt, über zehn Jahre lang in mindestens 22 Ländern Regierungsbeamte bestochen zu haben. Dafür zahlte Daimler 185 Millionen Dollar Strafe. Die Aufarbeitung sei noch viel teurer gewesen, bekennt Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Ein weiterer Teil der Einigung war die Einstellung eines Monitors, also eines Beraters, der die Einführung eines Compliance-Systems überwacht. Dieser Mann war von 2006 bis Frühjahr 2013 der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh. Ob das nicht seltsam gewesen sei, jeden Tag die Polizei im Haus zu haben, fragt Aust. Am Anfang sei die Unsicherheit sehr groß gewesen, gibt Zetsche zu. Aber die ganze Affäre sei ein Schock gewesen und auch dies habe geholfen, den notwendigen Kulturwandel voranzutreiben. Denn es reiche nicht, klare Regeln einzuführen, die ganze Kultur im Unternehmen müsse sich ändern, sagt Freeh. „Wir profitieren am Ende davon, dass wir ein integres Unternehmen sind“, ist Zetsche überzeugt.

Für Unternehmen werde es immer schwieriger, schmutzige Geschäfte zu vertuschen, sagt Georg Kell von der UN-Organisation Global Compact. „Die Technologie hat viel dazu beigetragen, dass die Informationen an die Öffentlichkeit kommen.“ Dennoch gebe es 70 Länder auf der Welt, die als systematisch korrupt gelten. Der Schaden, der weltweit durch Korruption entstehe (die UN schätzt ihn auf geschätzt jährlich eine Milliarde Dollar), sei nicht nur finanziell, meint Peter von Blomberg von Transparency International. „Schaden entsteht auch, weil nicht die beste Leistung gekauft wird.“

Es waren die Amerikaner, die zuerst auf Compliance wert gelegt haben. Das sei aber nicht passiert, weil sie so viel besser seien als andere, sagte Freeh, sondern weil es eben dort so viele spektakuläre Fälle von Korruption und Insiderinformationen gegeben habe. Der Fall des Energiekonzerns Enron sei so einer gewesen. In Deutschland dagegen wurden Compliance-Regeln erst später eingeführt. Die Experten auf dem Podium sind sich darüber einig, dass das auch daran gelegen habe, dass Schmiergeldzahlungen bis 1999 als nützliche Aufwendungen steuerlich absetzbar waren.

Aber auch Deutschland ist nicht vorbildlich. Ex-Finanzminister Theo Waigel, vier Jahre lang Monitor bei Siemens, findet es eine Schande, dass Deutschland die Antikorruptions-Konvention der UN nicht ratifiziert hat, die sich gegen die Bestechung von Abgeordneten richtet. Er hofft, dass sich das bald ändert. Schließlich will Aust noch wissen, wie Daimler in einem Fall wie bei Uli Hoeneß gehandelt hätte. Wäre Hoeneß aus dem Aufsichtsrat geflogen? „Ratschläge aus Stuttgart sind in München so beliebt wie die Kehrwoche in Berlin“, meint Zetsche dazu. Corinna Visser

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