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Wirtschaft: Jeder dritte Fernzug kommt zu spät

Warentest: Kunden verpassen oft den Anschluss

Mehr als jeder dritte Fernzug der Deutschen Bahn ist unpünktlich. Bei den Regionalzügen kommt jeder vierte Fahrgast zu spät an sein Ziel. Das geht aus einer Untersuchung der Stiftung Warentest vom Herbst vergangenen Jahres hervor, die am Donnerstag in der Zeitschrift „test“ veröffentlicht wurde. Aufgrund der Verspätungen verpassten Reisende jeden vierten Anschlusszug, hieß es weiter. Die Bahn wies den Bericht als „irreführend“ zurück. Die Stichprobe der Tester sei nicht repräsentativ.

Als pünktlich werteten die Prüfer Züge, die nicht später als vier Minuten nach der im Fahrplan angegebenen Zeit am Ziel eintrafen. Als Grundlage dienten mehr als 94 000 Züge, die zwischen dem 23. September und Ende Oktober 2007 verkehrten. Die Warentester nutzten die Pünktlichkeitsangaben, die die Bahn im Internet ihren Kunden zur Verfügung stellt. Streiktage, die es im Herbst gegeben hatte, ließ die Stiftung außen vor.

62 Prozent der ICE- oder IC-Verbindungen fuhren dabei pünktlich. Der Rest war verspätet – sieben Prozent sogar mehr als 21 Minuten. Am schlimmsten waren die Eurocities, die grenzüberschreitend fahren. Nachtzüge seien zudem oft durch Baustellen gebremst worden, erklärten die Tester. Regionalbahnen kamen seltener auf starke Verspätungen – angesichts der kürzeren Strecken können sich die Verspätungen in diesem Segment nicht so stark summieren.

Die Bahn wertet intern Züge als pünktlich, die bis zu fünf Minuten nach der im Fahrplan ausgewiesenen Zeit eintreffen. Nimmt man dieses Kriterium als Maßstab, so waren nach der Warentest-Analyse 27 Prozent der Fernreisezüge und 15 Prozent der Regionalzüge verspätet.

Wer im Fernverkehr Opfer einer Verspätung von mehr als einer Stunde wird, bekommt von der Bahn 20 Prozent des Fahrpreises erstattet. Im Nahverkehr gibt es eine solche Regelung nur in wenigen Bundesländern, in Berlin und Brandenburg bekommt der Kunde nichts.

Die Städte waren von Unpünktlichkeit unterschiedlich betroffen. In acht von zehn Bahnhöfen fuhr mindestens jeder vierte Zug vier oder mehr Minuten zu spät ein. Am stärksten wurde die Geduld der Kunden in Köln (36 Prozent der Züge unpünktlich), Hamburg und Dresden (jeweils 35 Prozent) strapaziert. In Berlin waren es 25 Prozent. Am besten schnitt Leipzig mit nur 16 Prozent verspäteten Zügen ab. Laut der Stiftung nahmen die Verspätungen nachmittags und abends zu, ebenso an Freitagen und Sonntagen.

Einen Lichtblick gab es: Nach dem Fahrplanwechsel im Dezember verbesserte sich die Pünktlichkeit. Nur noch jede zehnte Bahn kam zu spät. Allerdings liegt das auch daran, dass die Bahn die Puffer erhöht hat. Positiv habe sich offenbar auch das bahnfreundliche Wetter und der Abschluss der Baumaßnahmen ausgewirkt.

Die Bahn wertete die Studie als unkorrekt. Es seien nur zehn Prozent der an den Testtagen fahrenden Züge einbezogen worden, erklärte der Konzern. Demnach seien neun von zehn Zügen pünktlich gewesen, sagte ein Sprecher. Die genauen Daten über die Pünktlichkeit hält die Bahn seit Jahren unter Verschluss. Im Herbst werde zudem viel gebaut, es sei daher unkorrekt, gerade dann die Pünktlichkeit zu untersuchen. Zudem habe man zuletzt die Information der Reisenden deutlich ausgeweitet. Ein Drittel der Verspätungen kommt dem Bahn-Sprecher zufolge zustande, weil es bei Weichen oder Gleisen ein Problem gibt, ein Drittel geht auf das Konto von Lok- oder Waggonschäden und für ein weiteres Drittel seien „externe Gründe“ verantwortlich – Witterungseinflüsse oder Selbstmorde.

Kritiker verlangten von der Bahn bessere Leistungen. „Mit unzuverlässigen Zügen bekommen wir keine Verlagerung von Verkehr auf die umweltfreundliche Schiene“, sagte Winfried Hermann, Verkehrsexperte von Bündnis 90/Die Grünen. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hielt der Bahn Geheimniskrämerei vor. „Wenn die Bahn mit ihren eigenen Zahlen offen und offensiv umgehen würde, wären solche Tests gar nicht notwendig“, sagte VCD-Bahnexpertin Heidi Tischmann. Carsten Brönstrup

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