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Flaschensammler in Kreuzberg. Im bundesweiten Vergleich sind in Berlin die meisten Menschen auf Hartz IV angewiesen. Foto: dapd

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Wirtschaft: Jeder Siebte ist von Armut bedroht

Studie des Paritätischen Gesamtverbands: Besonders dramatisch ist die Entwicklung im Ruhrgebiet.

Berlin - Armut in Deutschland hat sich in den letzten Jahren verfestigt – auch in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs. Zu diesem Ergebnis kommt der Paritätische Gesamtverband in einer Studie, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Die Armutsgefährdungsquote von gut 14 Prozent habe sich „festgefressen“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbands. Seit sechs Jahren gebe es so gut wie keine Bewegung – obwohl die Jahre 2006, 2007 und 2010 Boomjahre waren. Die Bundesregierung sei schlecht beraten, bei der Bekämpfung der Armut in erster Linie und allein auf Marktkräfte zu setzen, mahnte Schneider.

Knapp zwölf Millionen Menschen (14,5 Prozent) hatten im Jahr 2010 weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung und galten damit als armutsgefährdet. Für einen Single- Haushalt lag die Armutsschwelle umgerechnet bei 826 Euro, für eine Familie mit zwei Kindern bei 1735 Euro. Stärker von Armut betroffen sind dabei die Menschen in Ostdeutschland: In den neuen Bundesländern galten zuletzt 19 Prozent der Menschen als armutsgefährdet, während die Quote im Westen bei 13,3 Prozent lag. Die wenigsten Armen gibt es laut der Untersuchung in Bayern (10,8 Prozent), die meisten in Mecklenburg-Vorpommern (22,4 Prozent) und Bremen (21,1 Prozent). Berlin liegt mit einer Quote von 19,2 Prozent im hinteren Mittelfeld.

Doch während in Hamburg, Brandenburg und Thüringen der Anteil der Betroffenen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückging, nahmen die Armutsquoten in Berlin und Nordrhein-Westfalen seit 2006 zu. Für besonders besorgniserregend hält der Paritätische Gesamtverband dabei die Entwicklung im Ruhrgebiet: In Dortmund etwa hat die Armutsquote in den vergangenen sechs Jahren um ein Viertel zugenommen – auf 23 Prozent. Eine deutliche Verarmung ist auch in Städten wie Duisburg (21,5 Prozent) und der Region Bochum/Hagen (17,1 Prozent) zu spüren. Die hohen Armutsquoten mit steigender Tendenz müssten im größten Ballungsgebiet Deutschlands in der Politik sämtliche Alarmglocken läuten lassen, sagte Schneider. „Wenn dieser Kessel mit fünf Millionen Menschen einmal zu kochen anfängt, dürfte es schwerfallen, ihn wieder abzukühlen.“

Im bundesweiten Vergleich sind in Berlin die meisten Menschen auf Hartz IV angewiesen. Im Jahr 2011 bezog jeder fünfte Berliner (21,1 Prozent) Arbeitslosengeld II – mehr als doppelt so viel wie im Bundesdurchschnitt (9,8 Prozent). Auch hier sind die Quoten seit Jahren nahezu unverändert.

Ein wenig finanzielle Erleichterung fürs kommende Jahr verspricht derweil der Bund der Steuerzahler. So können sich die Bundesbürger laut Berechnungen des Verbands unterm Strich auf bis zu 124 Euro mehr freuen. Vor allem Bezieher der unteren und mittleren Einkommen ohne Kinder würden die Erleichterungen bemerken. Für Familien mit Kindern bedeute es nur eine deutliche Entlastung bei mittleren Einkommen. Entlastet würden aber auch Alleinstehende mit einem Kind. Nach Berechnungen der Steuerexperten wird im kommenden Jahr eine Familie mit zwei Kindern bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3750 Euro im Jahr gut 96 Euro mehr in der Tasche haben. Bei einem Bruttoverdienst von 1500 Euro sind es nur 27 Euro.

Zum Jahreswechsel steigt die Werbungskosten-Pauschale für Berufstätige von 920 auf 1000 Euro. Außerdem werden Einzahlungen in die private Altersvorsorge stärker gefördert und der Rentenbeitrag sinkt. mit dpa

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