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Wirtschaft: Jetzt schafft der Aufschwung Arbeit

2007 könnte die Zahl der Erwerbslosen im Schnitt unter vier Millionen sinken. Schon im alten Jahr entstanden 300 000 neue Stellen

Berlin – 2007 kommt der Aufschwung auch am Arbeitsmarkt an. Die Arbeitslosigkeit wird womöglich im Schnitt unter die Vier-Millionen-Marke sinken. Bleibe das Wachstum weiterhin so stark wie bislang, könne es mehr neue Stellen geben als bislang angenommen, sagten Wirtschaftsforscher dem Tagesspiegel. „Wenn das Wachstum in die Richtung von 2,5 Prozent geht, werden wir auf jeden Fall auf Dauer die Vier-Millionen-Grenze knacken“, prognostizierte Marco Bargel, Chefökonom der Postbank.

Bislang gehen die meisten Ökonomen von einem um rund zwei Prozent höheren Bruttoinlandsprodukt aus – bei einer durchschnittlichen Arbeitslosenzahl von gut 4,1 Millionen. Das bedeutet, dass die Arbeitslosigkeit in schlechten Monaten auch deutlich über der Vier-Millionen-Grenze liegen könnte. Bereits in diesem Jahr sind dank der boomenden Wirtschaft rund 300 000 neue Stellen entstanden, allerdings gab es im Schnitt immer noch knapp 4,5 Millionen Arbeitslose.

„Die Großwetterlage ist sensationell“, schwärmt Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts. Der Bundesverband der Deutschen Industrie teilt den Optimismus. BDI-Präsident Jürgen Thumann erwartet nun ein Wachstum von mehr als 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Bislang war er nur von 1,3 bis 1,5 Prozent ausgegangen. Die Unternehmen hatten in der letzten Befragung zum Ifo-Geschäftsklima wieder von enormem Optimismus für die kommenden Monate berichtet. Laut einer Umfrage des „Handelsblatts“ unter 1175 europäischen Spitzenmanagern hat Deutschland seine Konkurrenzfähigkeit stärker als andere Nationen verbessert und geht als wettbewerbsfähigstes Land der Euro-Zone ins neue Jahr. Auf einer Skala von eins (sehr gut) bis fünf (sehr schlecht) kommt Deutschland auf eine Durchschnittsnote von 2,5. 2005 lag sie noch bei 2,8, 2003 sogar nur bei 3,4.

Auch die Bürger sehen die Wirtschaftslage derzeit so rosig wie seit zehn Jahren nicht. 53 Prozent der Deutschen erwarten Umfragen zufolge derzeit, dass es mit der Wirtschaft im kommenden Jahr aufwärts geht. Im Dezember 2005 vertraten nur 32 Prozent diese Ansicht.

„Ich schließe ein stärkeres Wachstum absolut nicht aus – es gibt für unsere Prognose klare Aufwärtsrisiken“, sagte Postbank-Volkswirt Bargel. Vieles hänge davon ab, welche Spuren die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte im ersten Quartal hinterlasse. Unklar ist, ob die Deutschen Ende 2006 Anschaffungen im großen Stil vorgezogen haben und deshalb Anfang 2007 sparen müssen – oder ob sie sich von der höheren Steuer gar nicht schocken lassen. „Wenn die Delle nicht so stark ausfällt, können wir uns durchaus vorstellen, dass es deutlich besser läuft“, sagt Bargel. Dann sei ein Wachstum von 2,5 Prozent im Bereich des Möglichen. Jedoch könnte sich der Fachkräftemangel bei einigen Unternehmen mittelfristig zur echten Wachstumsbremse entwickeln. „Wenn weiterhin 30 000 neue Stellen pro Monat entstehen wie zuletzt im November, kann es ab Mitte 2007 schwierig werden.“

Als Folge der guten Lage auf dem Stellenmarkt werde die Binnennachfrage weiter anziehen, erwartet Bargel. „Dank neuer Jobs wächst die Lohnsumme, es steht mehr Geld für den privaten Konsum zur Verfügung.“ Mit höheren Tarifabschlüssen im Frühjahr könnten auch die Durchschnittslöhne wieder steigen. Für Optimismus gebe auch der weiter laufende Investitionszyklus Anlass. „Die Unternehmen verdienen auch 2007 gut.“ Auch für den Außenhandel sieht er gute Impulsen. Die Risiken für die Konjunktur hält Bargel für weniger bedrohlich als andere Volkswirte. „Der Dollar wird im Laufe von 2007 wieder stärker werden, weil die Angst vor einem Abschwung in den USA verfliegt.“ Der Aufschwung in Deutschland werde deshalb vermutlich auch 2008 anhalten.

Auch Roland Döhrn, Konjunkturchef des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), schließt ein Absinken der Arbeitslosigkeit unter die Marke von vier Millionen nicht aus. Das hänge zum einen von der Konjunktur ab. „Zum anderen könnte es sein, dass sich viele Menschen wegen der verschärften Sanktionen der Arbeitsagenturen nicht mehr als arbeitslos führen lassen.“ Ohnehin müsse man bei Wachstumsprognosen immer mit Unschärfen leben. Auch vor Beginn dieses Jahres hatten die meisten Experten eine wesentlich schwächere Wirtschaftsleistung erwartet. Statt der damals maximal angenommenen 1,8 Prozent werden es nun vermutlich mindestens 2,5 Prozent sein.

Weitere Entlastung auf dem Arbeitsmarkt werde es aber aber nur geben, wenn die Lohnabschlüsse mäßig blieben, warnt Joachim Scheide, Chefökonom des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, das mit seiner Wachstumsprognose von 2,1 Prozent am optimistischsten ist. „Um die Arbeitslosigkeit auf Dauer zu senken, muss die Lohnpolitik moderat bleiben“, mahnt Scheide. Wegen der soliden Investitionsnachfrage werde der Aufschwung 2007 fest bleiben. Offenbar erwarteten Unternehmer eine weitere Erholung, sonst würden sie nicht in dem Maße Maschinen kaufen und Leute einstellen wie derzeit. Neue Stellen entstünden vor allem in exportlastigen Branchen wie im Maschinenbau.

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