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Wirtschaft: Joachim Finke

(Geb. 1922)||Sein Name, sein Programm: Gott richtet auf.

Sein Name, sein Programm: Gott richtet auf. Die Männer sitzen auf den Stufen und trinken. Einer von ihnen, ein Deutscher, steht auf, torkelt um die Ecke und uriniert gegen das Gebäude. Keine Moschee, sonst hätte es Schläge gehagelt auf dem Leopoldplatz in Wedding. Nein, die Alte Nazarethkirche, von Schinkel entworfen und 1835 eingeweiht.

Monsignore Finke, hätte er diese Szene miterlebt, wäre dazwischengetreten. Nicht mit Fäusten nach Art Don Camillos – polterig war er nicht, aber ähnlich resolut in seinem Glauben. Er hat oft Leserbriefe geschrieben, wenn er Religiöses in den Medien ungehörig dargestellt fand. Und wann immer eins seiner Gemeindemitglieder aus der Kirche austrat, hat er nach den Gründen geforscht.

Joachim Finke wirkte in der Rosenkranz-Basilika in Berlin Steglitz, die im Jahr 1900 fertiggestellt worden war. Sie überstand den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet, nur die Kuppelfenster gingen zu Bruch, und die Glocken wurden, wie schon im Ersten Weltkrieg, zur Waffenherstellung eingeschmolzen.

Auch Joachim Finke hatte Glück, er überlebte unversehrt den Krieg. Einer Herzschwäche wegen war er spät eingezogen worden. Er kam zur Kurlandarmee, die, eingekesselt, sich erst im Mai 1945 ergab. 189 000 Gefangene.

Teilen der Truppe gelang die Flucht nach Schweden, da General Dönitz die Ostseeflotte noch immer vorrangig dem Militär und nicht den zivilen Flüchtlingen zur Verfügung hielt. Und dann wurden sie doch aus der schwedischen Haft an die sowjetische Armee ausgeliefert. Drei Jahre Gefangenschaft in Russland, über die Joachim Finke nie viele Worte verlor. Aber wieder hatte er Glück im Unglück, er wurde vorzeitig entlassen.

32 Jahre Rosenkranzgemeinde. 6700 Gemeindemitglieder. „An den Sonntagen zählen wir in fünf heiligen Messen durchschnittlich 2100 Gottesdienstbesucher.“ Das war 1964, als er seinen Dienst antrat.

Sein erstes Anliegen: Das Haus Gottes wieder wohnlich machen. Das Provisorium der Fenster und der Glocken wurde im Laufe der Jahre behoben, die Kirche erhielt wieder das richtige Licht und den eigenen Ton.

Sein wichtigstes Anliegen: die Seelsorge. „Gott richtet auf“, so die Bedeutung des Namens Joachim. Joachim und Anna waren die Eltern Marias, die erst spät Eltern wurden, wie durch ein Wunder. Und so war Joachim Finke, dank seines Namens und trotz Zölibats Patron der Eheleute.

Die Direktiven des Vatikans in diesen Dingen im Alltag umzusetzen, ist nicht immer einfach. Joachim Finke beließ es nicht bei Kanzelreden. Mit unaufdringlicher Beharrlichkeit brachte er jungen Eltern im Gespräch zu Bewusstsein, was gleichermaßen im Glauben wie in der Vernunft begründet werden kann: dass ein Kind keine Anschaffung ist, sondern ein Glück, und dass es Geschwister braucht, weil es sonst nie wirklich erfahren wird, was eine Familie ist, und einen Glauben. Sei es auch nur, um später davon abfallen zu können.

Das Leben in der Nachfolge Christi kann sehr erfüllend sein. Joachim Finke ging in seinem Dienst an den Menschen völlig auf. Aber gelegentlich, wenn er von einem Besuch bei einem Bettlägrigen zurückkam, bat er, dass ihm dieses Schicksal erspart bleiben möge.

Das Leben in der Nachfolge Christi kann sehr leidvoll sein. Denn nicht alle Gebete werden erhört.

Dreiunddreißig Monate nach seiner Pensionierung erlitt Joachim Finke einen Schlaganfall. Vierzig Stunden später wurde er gefunden. Er lag auf dem Boden. Seufzte, als der Freund in den Raum kam. Es hatte Anrufe gegeben. Aber das Telefon war außer Reichweite.

Fortan war er bettlägrig, musste künstlich ernährt werden. Augenkontakt. Leichter Händedruck. Mehr Mittel blieben ihm nicht, sich mitzuteilen.

Er wurde liebevoll umsorgt, Post wurde ihm vorgelesen, Neuigkeiten aus der Gemeinde berichtet. Zuweilen wirkte er tief verzweifelt, meist allerdings schien es so, als hätte er sein Martyrium angenommen.

„Gott richtet auf“, so die Bedeutung des Namens Joachim. Und immer wieder erhielt er in diesen sieben Jahren ermunternde Briefe von befreundeten Laien, Priestern und Bischöfen, in denen beteuert wurde, dass in diesem Leiden ein tieferer Sinn walten müsse. Alles eine Sache des Glaubens.

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