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© Cira Moro

Joachim Starbatty: "Wenn Geld für Griechenland fließt, klage ich"

Der Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty spricht über die Krise der Währungsunion und einen Ausweg für Athen.

Herr Starbatty, empfinden Sie als Gegner der Währungsunion Genugtuung über die Krise des Euro?



Nein, ich empfinde Sorge. Ich hatte nie etwas gegen die Währungsunion, sondern nur etwas gegen eine Währungsunion unter Ungleichen: Auf der einen Seite Abwertungsländer, also Länder mit einer schwachen Währung, auf der anderen Seite Aufwertungsländer, zu denen Deutschland gehört. Jetzt haben wir eine Zerreißprobe wegen dieser Ungleichheiten.

Wegen der Ungleichheiten gibt es die Konvergenzkriterien, den Stabilitätspakt mit festgeschriebenen Schuldengrenzen.

Was die Konvergenzkriterien anbelangt, haben die Politiker alle Augen zugedrückt. Mithilfe der kreativen Buchführung ist es überhaupt nicht schwer, Ausgaben zu verschieben oder Einnahmen vorzuziehen. Das haben nicht nur die Griechen so gemacht, auch die Deutschen haben getrickst. Und dann haben natürlich die Überschussländer den Euro mit moderaten Tarifabschlüssen stabilisiert. Die deutschen Gewerkschaften haben mehr für die Stabilität des Euro getan als die Europäische Zentralbank.

Wie das?

Wegen geringer Tariferhöhungen bei uns sind die Lohnstückkosten nicht gestiegen. In der Folge wurde Deutschland wettbewerbsfähiger und hat alle anderen Länder über den Warenexport mit Stabilität versorgt. Wenn es das nicht gegeben hätte, dann wäre der Euro von vornherein sehr viel schwächer gewesen. Und das ist jetzt genau das Problem: Deutschland ist wegen einer moderaten Lohnpolitik wettbewerbsfähig und hat seine Strukturen modernisiert, während das in anderen Ländern, vor allem im Süden Europas, nicht der Fall war. Es geht also ein Riss durch die Währungsunion.

Ist die Lohnzurückhaltung der IG Metall tatsächlich relevanter für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als der Euro, durch den es ja eine Aufwertung einer rein deutschen Währung nicht geben kann?

Das hängt beides zusammen. Die Lohnzurückhaltung und das relativ laxe Verhalten in anderen Staaten hätten bei flexiblen Wechselkursen zu Aufwertungen hier und Abwertungen dort geführt. Das ist nicht passiert. Wir haben also in der Währungsunion eine reale Abwertung für die deutsche Wirtschaft und eine reale Aufwertung vor allem für die Südländer.

Ist das so schlimm?

Im Süden führt das dazu, dass sie Waren und damit Stabilität importieren und gleichzeitig Arbeitsplätze exportieren. Und wir exportieren Stabilität und importieren Arbeitsplätze.

Wenn mit einem Knall die Währungsunion aufgegeben würde und Drachme und D-Mark zurückkämen, dann würde die Drachme gegenüber der D-Mark möglicherweise um 40 Prozent abgewertet. Deutsche Firmen würden es in Griechenland schwer haben, ihre Waren zu verkaufen.

Ja. Es würde sofort offensichtlich werden, dass die bisherige reale Abwertung in Deutschland zu volkswirtschaftlich falschen Strukturen geführt hat. Das ist so wie immer: Wenn es über eine längere Zeit eine Fehlentwicklung gab und diese Fehlentwicklung dann mit einem Schlag beseitigt wird, dann gibt es hohe Anpassungskosten. Diese Kosten hätten wir uns erspart, wenn das Wechselkursventil funktioniert hätte. Nun holen uns die Sünden der Vergangenheit ein.

Droht denn nun tatsächlich der Zusammenbruch des Eurosystems?

Griechenland wackelt, um es ganz vorsichtig zu formulieren. Und wenn Griechenland als Schuldner ausfällt, weil es seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, dann hat das natürlich Konsequenzen für alle anderen und damit für das System insgesamt. Also muss man sich rechtzeitig auch mit einem Fall auseinandersetzen, der bislang unvorstellbar schien.

Das Ende des Euro?

Ein Kollege hat mal im Zuge der Wiedervereinigung gesagt, „wir leben in einer Zeit, in der das Wort im Mund veraltet“. In so einer Zeit leben wir jetzt auch. Die Geschehnisse überstürzen sich. Es könnte sein, dass sich jeweils die Hartwährungsländer und die Schwachwährungsländer zusammentun. Sollte den Griechen geholfen werden von den Überschussländern, würde die Währungsunion zu einer Haftungsgemeinschaft und Transferunion. Denn es ist völlig klar: In einem Gebiet mit einer gemeinsamen Währung bei unterschiedlichen Produktivitäten muss es irgendwann zu Transfers von den Starken zu den Schwachen kommen, um dort Infrastruktur und Arbeitsplätze zu erhalten.

Aktuell werden die Griechen von den Finanzmärkten zum Sparen gezwungen, um von den hohen Risikoprämien runterzukommen. Gibt es nicht doch eine Konvergenz durch das unterschiedliche Zinsniveau?

Darauf setzen ja alle. Aber wenn man 40 Prozent Abwertung, die notwendig wären, ersetzt durch binnenwirtschaftliche Maßnahmen, geht man durch eine harte Kur. Das erinnert mich an einen schwäbischen Bauern, der seiner Ziege das Fressen abgewöhnen wollte. 29 Tage hat das geklappt, am 30. Tag war die Ziege tot. Wenn die Griechen tun, was sie tun müssten, steuern sie ihre Volkswirtschaft in eine Rezession. Dann bricht die Kreditfähigkeit endgültig weg, weil die Einnahmen für den Schuldendienst ausbleiben.

Sie haben die Situation mit Reichskanzler Brünings Politik in der Weimarer Republik verglichen. Kommen die griechischen Faschisten wieder?

Die Ausgangssituation war damals ähnlich, Deutschland musste internationales Ansehen und Vertrauen erwerben, um das für die Reparationszahlungen erforderliche Kapital aus dem Ausland zu bekommen. Dazu war damals eine harte Konsolidierungspolitik erforderlich. Die gleiche Lage haben wir jetzt in Griechenland: Die Griechen brauchen internationale Reputation, fahren dazu eine harten Sparkurs, der wiederum zu einer Radikalisierung im Land führen kann.

Nun argumentiert etwa der Wirtschaftsweise Peter Bofinger, die Griechen müssten ihren Sanierungsweg allein gehen, aber die Euro-Gemeinschaft solle dabei flankieren, indem Hilfe zur Selbsthilfe gewährt wird.


Das ist eine Münchhausen-Strategie. Irgendwann werden die Gelder fließen müssen, und das passiert dann nicht nur einmal, sondern dauernd.

Das ist den Euro-Staaten verboten.

Die Not kennt kein Gebot, lautet ein deutsches Sprichwort. Aber wenn es dazu kommen sollte, werden wir dagegen klagen.

Sie und Ihre drei Gefährten, die bereits 1997 gegen die Währungsunion klagten?

Ja.

Was würden Sie den Griechen raten?

Die Währungsunion verlassen und die Drachme abwerten. Wenn die ausländischen Produkte dann zu teuer werden, muss man eben griechische Produkte kaufen, Griechenland kann mehr exportieren und würde auch als Reiseland attraktiver. Den Thailändern und Indonesiern hat es sehr gut getan, dass ihre Währungen Ende der 90er Jahr so stark abgewertet wurden.

Und dann kommen die Spekulanten, zocken die Drachme rauf und runter und destabilisieren das Land erst richtig.

Wenn Spekulanten versucht haben, etwas in ihrem Sinne zu drehen, und die ökonomischen Daten dagegen standen, haben sie sich immer eine blutige Nase geholt. Spekulationen lohnen sich immer, wenn politische Versprechen und ökonomische Realität auseinanderklaffen – das ist seit Jahren der Zustand im Euroraum.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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