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Wirtschaft: Jobwunder sind nicht übertragbar

Übertragbarkeit des US-Modells auf soziale Marktwirtschaft umstritten / Berliner Kongreß beendetVON HENRIK MORTSIEFER BERLIN.Jobwunder - etwa nach amerikanischem oder niederländischem Muster - lassen sich in Deutschland nicht schablonenhaft wiederholen.

Übertragbarkeit des US-Modells auf soziale Marktwirtschaft umstritten / Berliner Kongreß beendetVON HENRIK MORTSIEFER

BERLIN.Jobwunder - etwa nach amerikanischem oder niederländischem Muster - lassen sich in Deutschland nicht schablonenhaft wiederholen.Mit gebotener Zurückhaltung vor eiligen Schlußfolgerungen und Empfehlungen für die deutsche Beschäftigungspolitik beendeten am Dienstag die Teilnehmer des Abschlußpodiums den Berliner Kongreß "Innovation und Beschäftigung - Strategien zur Halbierung der Arbeitslosigkeit".Zwar sei die Halbierung der Arbeitslosigkeit bis zur Jahrtausendwende möglich, betonte Heide Pfarr, Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung, und verwies auf die Bedingungen, die am Vortag im Berliner Memorandum genannt wurden.Schlecht beraten sei allerdings, wer Modelle kopieren wolle.Vielmehr müsse die Lethargie im Lande beendet werden.Soweit herrschte Einigkeit unter den Experten.Auf dem Wege zur Verwirklichung der Kraftanstrengung freilich schieden sich die Geister. "Arbeitszeitverkürzung und mehr Teilzeit können einen neuerlichen Beschäftigungsschub auslösen", sagte Frau Pfarr mit Blick auf die 80er Jahre, als zwischen 1983 und 1990 in Deutschland 3,2 Millionen Arbeitsplätze entstanden."Ein höheres Beschäftigungsrisiko führt zu mehr Beschäftigung", postulierte Heik Afheldt, Mitglied des Herausgeberbeirats des "Handelsblatts", und wies auf den in den USA lockeren Kündigungsschutz hin.In der guten Absicht, soziale Standards zu erhalten, sei in Deutschland der Strukturwandel blockiert worden, so Afheldt.180 Mrd.DM pro Jahr habe dies unnötig verzehrt.Christoph F.Büchtemann vom Internationalen Forschungsinstitut für Innovation und Gesellschaft aus Santa Barbara, USA, ließ die Zahlen sprechen: Rund 40 Millionen neue Jobs seien seit 1974 in den USA entstanden, ein Plus von jährlich 2,6 Prozent.In Europa habe das jährliche Beschäftigungswachstum im gleichen Zeitraum bei 0,3 Prozent gelegen.Durchschnittlich sinkende Reallöhne hätten das Job-Wunder begleitet.Niedrigere Einkommen, die - so Büchtemanns Schlußfolgerung - aufgrund der gestiegenen Frauenerwerbstätigkeit und einer wachsenden Zahl von Doppelverdienern nicht zu sinkenden Lebensstandards der meisten Familien geführt hätten."Ein Drittel der neuen Jobs wird oberhalb des Durchschnitts-Einkommens entlohnt", so Büchtemann. Daß der amerikanische Mittelstand offenbar doch erhebliche Schwierigkeiten hat, den Lebenstandard zu halten, gab Norman Birnbaum von der Georgetown Universität, Washington, zu bedenken.Mehrfach-Beschäftigung, wachsende Sorge um die soziale Absicherung und politisches Desinteresse seien der Preis für das US-Modell, Apathie und Unruhen die Folgen."Bleibt die amerikanische Prosperität auf Dauer mit den demokratischen Traditionen vereinbar?", fragte Birnbaum und zeigte sich besorgt darüber, daß sich ökonomische Entscheidungen in den USA der politischen Sphäre vollkommen entzogen hätten.Hier setzte auch Friedhelm Hengsbach vom Oswald-von-Nell-Breuning-Institut, Frankfurt (Main), sein Plädoyer für eine demokratische Marktwirtschaft an.Hengsbach sprach sich für "eine Marktwirtschaft für alle und mit allen" aus.Das deutsche System sei in eine demokratische Verfassung eingebettet, die beim Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit zu schützen sei.Die "krankhaft export-fiebrige" Nation werde sich im vereinten Europa vom Wunderglauben abwenden und wieder der Binnennachfrage und ihrer inneren Verfassung zuwenden müssen, so Hengsbach.

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