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Hallo Berlin. Sascha Hingst hätte mit seinem Staatsexamen in Jura auch einen anderen beruflichen Weg gehen können, ist aber nach wie vor gerne Journalist.

© rbb/Oliver Ziebe

Journalist werden: Ran ans Mikro

In der Branche kriselt es. Dennoch wollen die meisten Studenten irgendwas mit Medien machen. Was der RBB-Abendschau-Moderator Sascha Hingst ihnen rät.

Wenn es wieder so laufen würde, wenn er so viel Glück hätte wie damals, wenn er wüsste, dass sich seine beruflichen Stationen genau so wiederholen, dann würde Sascha Hingst wieder neben dem Jurastudium als Reporter arbeiten, beim Südwestfunk in Mainz, bei Arte in Frankfurt. Er würde wieder nach dem Staatsexamen nicht Anwalt werden, sondern Moderator bei der Hessenschau in Wiesbaden, dann bei der Berliner Abendschau des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Seit 2007 tritt er jetzt dort vor die Kamera, um die Nachrichten zu moderieren – und findet vieles an seinem Job „toll“.

Er weiß aber natürlich nicht, wie es ihm ergehen würde, wenn er heute noch einmal von vorne anfangen würde. Deshalb antwortet Sascha Hingst mit „Jein“ auf die Frage, ob er sich mit den Erfahrungen, die er im Laufe seines Berufslebens gesammelt hat, wieder für den Journalismus entscheiden würde. „Wenn man am Anfang steht, weiß man ja nicht, wie es weitergeht“, sagt der 44-Jährige. Heute sei es sicher deutlich schwieriger, den gleichen Weg, den er beschritten hat, zu gehen, glaubt er.

Tatsächlich wandelt sich die Medienbranche seit Jahren, suchen Zukunftsplaner nach neuen, lukrativen Wegen in der digitalen Welt. Das Geld ist knapp, die Arbeitsbedingungen sind unsicher. Mitarbeiter werden oft auf freier Basis beschäftigt, so wie Hingst, müssen sich privat um Versicherungen kümmern, ihren Urlaub aushandeln. In Berlin ist es besonders schwer, eine Stelle zu finden. Die Konkurrenz ist groß. Vor allem bei Printmedien, Zeitungen und Magazinen, gibt es immer weniger Jobs, sagt Dorothée Peterz von der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg.

Doch all das kann den Nachwuchs offenbar nicht schrecken. Die meisten angehenden Hochschulabsolventen wollen nicht zu den großen Autoherstellern, zu hippen Unternehmensberatungen oder ins sichere Bankwesen: 17 Prozent, fast jeder sechste, würde gern in der Verlags- und Medienbranche arbeiten und etwa Journalist, Mediendesigner, Lektor oder Verleger werden, hat eine Umfrage der Universität Maastricht mit dem Zeitarbeitsvermittler Studitemps ergeben. 20 000 Studierende aller Fächer haben teilgenommen. Die Automobilbranche landete mit 12,5 Prozent nur auf Rang zwei der beliebtesten Wirtschaftszweige.

Am liebsten würde fast jeder siebte Studierende, der „irgendwas mit Medien“ machen will, bei der ARD und ihren Landesanstalten wie dem RBB arbeiten (15 Prozent), gefolgt von ProSiebenSat1 (13,5 Prozent), dem ZDF (11,8 Prozent) und dem Springer Verlag (6,5 Prozent). Dabei sind sich die Befragten laut Studie bewusst, dass die Arbeitsbedingungen dort oft zu wünschen übrig lassen und sie in der Regel weit weniger verdienen als Akademiker in anderen Branchen. Es ist etwas anderes, was sie an diesen Jobs reizt.

Samstag, 19.30 Uhr. „Hallo Berlin und schönen guten Abend“, grüßt Sascha Hingst die 300 000 Zuschauer am Fernsehbildschirm zuhause. Im Hintergrund leuchtet blau der Fernsehturm. Die Registrierungsstelle für Flüchtlinge in der Bundesallee nimmt ihre Arbeit auf, berichtet der Moderator, der BER soll sich nach Eröffnung selbst finanzieren. Und: Die Ökostrom-Umlage und Netzgebühr steigen. Vor der Kamera stehen, konzentriert, freundlich und mit der richtigen Portion Mimik seinen Text vom Teleprompter ablesen, das ist der Höhepunkt seines Arbeitstages – und gleichzeitig kurz vor Schluss.

Morgens oder mittags, je nachdem, was zu tun ist, kommt Sascha Hingst in die Redaktion. Dann stehen Planungssitzungen und Recherchen an, Nachrichten und Aktuelles in Zeitungen und Internet lesen. Was ist los in Berlin? Welche Themen sollen in die Nachrichten? Mit den Grafikern spricht er die Bilder für den Hintergrund ab. Schaut den ab 15 Uhr eintrudelnden Reportern beim Schneiden der Beiträge über die Schulter. Den ganzen Tag über denkt er sich Anmoderationen für die Themen aus. Erst kurz vor knapp aber, zwischen 17 und 19 Uhr, formuliert er sie aus. Um 19 Uhr ist Maske. Um 19.30 Uhr geht es los. Um 20 Uhr ist die Sendung vorbei.

Vom Journalist zum Moderator, das ist ein typischer Weg ans Mikro. Freie Mitarbeit in einer Redaktion ist der erste Schritt in den Beruf, sagt der RBB-Personalchef Nicolas Bielefeld (siehe Kasten).

„Journalist sollte man nicht werden wollen, um berühmt zu werden, um viel Geld zu verdienen und auch nicht, um die Welt zu retten“, rät Sascha Hingst. Das gelinge wenigen. Der Beruf sei das Richtige für Menschen, die Spaß daran haben, sich in unterschiedlichste Themen schnell einzuarbeiten, die neugierig sind auf Menschen, darauf in verschiedenste Lebensbereiche hineinzuschnuppern, die spannende Antworten aus ihrem Gegenüber herauskitzeln, informieren und unterhalten wollen, sagt Sascha Hingst. All das hat ihn selbst ans Mikro geführt.

So wie der RBB-Moderator wollen offensichtlich viele Hochschulabsolventen nicht Jurist, auch nicht Programmierer oder Ingenieur beim Rundfunk werden, sondern lieber Journalist, Redakteur oder eben Moderator. Doch beim RBB ist es wie in vielen Medienhäusern. Die Stellen für die Programmmacher sind rar. Von den insgesamt 3200 Beschäftigten arbeiten etwa 670 als Redakteur, 320 davon sind angestellt, 350 frei beschäftigt, berichtet Personalchef Bielefeld.

Und die Redakteursjobs sind begehrt. Während es von Jahr zu Jahr schwieriger werde, Stellen im IT-Bereich, in der Technik oder der Verwaltung zu besetzen, erhält das Haus auf freie Redakteursstellen bis zu 60 Bewerbungen. Noch viel mehr Interessenten gibt es für die 16 Volontariate für Nachwuchsjournalisten, die alle eineinhalb Jahre ausgeschrieben werden. Bis zu 300 Bewerber melden sich dafür.

Anders als viele Fernsehjournalisten oder Reporter kann sich Sascha Hingst seine Arbeitszeiten recht flexibel einteilen, so dass er auch mal mittags seine Kinder aus der Kita abholen kann. Arbeitet er allerdings etwa an einer Reisereportage für die RBB-Serie Abenteuer hat der Tag schon mal zwölf bis 14 Stunden. Und dann stehen auch noch Termine an für Jobs, die er neben seiner Tätigkeit beim RBB annimmt, als Moderator von Veranstaltungen etwa oder als Medientrainer.

Diese Nebenjobs macht er auch, weil er nicht ohne Plan B dastehen will, wenn ihn der Rundfunk irgendwann aussortieren sollte, weil er zu alt ist für den Bildschirm.

Darüber sorgt sich Hingst aber genauso wenig wie darüber, dass die Abendschau bald nicht mehr zeitgemäß sein und er deshalb seinen Job verlieren könnte. „Zum einen wandelt sich die Sendung ständig, zum anderen sind Veränderungen eine Chance“, sagt er. Technologischen Fortschritt findet er spannend. „Wenn es nicht immer Menschen gegeben hätte, die daran glauben, würden wir heute noch alle Beeren pflücken.“

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