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Wirtschaft: Justiz weitet Irak-Ermittlungen aus

Auch Fresenius Medical Care im Visier der Staatsanwälte / Siemens baut Kontrollwesen um

Berlin – Die Ermittlungen gegen deutsche Unternehmen wegen Verstößen gegen das Irak-Embargo weiten sich aus. Allein die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main führt neun Verfahren gegen Firmen aus ganz Hessen, wie Oberstaatsanwalt Günter Wittig am Donnerstag dem Tagesspiegel auf Anfrage mitteilte. Sämtliche Verfahren wurden erst im vorigen Jahr eingeleitet, also deutlich nach der Veröffentlichung erster Vorwürfe.

Neben der Medizintechnikfirma B. Braun Melsungen, die von Ludwig Georg Braun, dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) geleitet wird, ist Fresenius Medical Care (FMC) das prominenteste Unternehmen auf der Liste der Ermittler. Dessen Sprecher Joachim Weith bestätigte, dass es zwei Fälle gegeben habe, die man den Behörden auch mitgeteilt habe. „Es handelt sich um einen zeitlich und sachlich begrenzten Vorgang, der nicht im Einklang mit unseren internen Regeln steht.“

Im Herbst 2005 wurde ein Untersuchungsbericht einer Kommission unter Vorsitz des ehemaligen US-Notenbankchefs Paul Volcker veröffentlicht, in dem auch 63 deutsche Unternehmen beschuldigt wurden, das Wirtschaftsembargo mit Schmiergeldzahlungen umgangen zu haben. Weith zufolge leitete FMC eine interne Untersuchung ein, als deutlich wurde, dass die Firma in der Liste genannt werden würde. Sämtliche Informationen zu den beiden Fällen habe man der Staatsanwaltschaft übergeben, bevor die ein Verfahren eingeleitet habe.

Auf der 381-seitigen Liste taucht FMC mit drei Tranchen von insgesamt knapp 175 000 Dollar auf. Offiziell ist von „After Sale Service Fees“ (etwa: nach Verkauf bezahlte Servicegebühren) die Rede, doch geht es nach Erkenntnissen der Kommission um Schmiergeld. Bei FMC waren es gut neun Prozent der Auftragssumme, die nach der Lieferung von medizinischem Gerät anfiel. FMC bestreitet den Umfang der Zahlungen nicht.

Dagegen widerspricht B. Braun Melsungen sämtlichen Vorwürfen „im Zusammenhang mit angeblichen Kickback-Zahlungen“. Sprecherin Bernadette Tillmanns-Estorf erklärte, „dass weder die B. Braun Melsungen AG noch deren Tochtergesellschaften Zahlungen an das frühere irakische Regime oder deren Mittelsmänner geleistet haben“. In der Volcker-Liste taucht das Unternehmen jedoch samt diverser französischer und malaysischer Töchter mit 23 Zahlungen von insgesamt 3,26 Millionen Dollar auf.

Weitere Ermittlungen wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz führen die Frankfurter Ermittler gegen Verantwortliche der Firmen Biotest Pharma, Emco Wheaton, Karl Kolb, Polyma Energietechnik, Slamed, Schulz & Rackow und Technical Trade Thone. Bekannt sind auch Ermittlungsverfahren gegen Daimler-Chrysler, Siemens, Linde sowie mehrere kleinere Unternehmen wie etwa den Maschinenbauer Maurer Söhne aus München.

Allerdings muss es nicht zwangsläufig zu Anklagen kommen. Die Berliner Staatsanwaltschaft will ein Verfahren gegen Schering-Verantwortliche in den nächsten Tagen einstellen, weil sich kein hinreichender Tatverdacht ergeben hat. Der inzwischen von Bayer übernommene Pharmakonzern taucht in der Volcker-Liste allerdings auch nur mit einer angeblichen Schmiergeldzahlung von gut 8000 Dollar auf.

Bei Siemens untersucht die Münchner Staatsanwaltschaft in einem getrennten Verfahren auch ein weit verzweigtes System von schwarzen Kassen. Der Konzern hat als Reaktion auf die Affäre jetzt sein internes Kontrollwesen umgebaut. Die Compliance-Abteilung werde jetzt vom ehemaligen Staatsanwalt Daniel Noa geleitet und sei in die Rechtsabteilung eingebettet worden, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Somit seien die Kontrolleure auch näher an die Bilanzrevision gerückt. „Dies ermöglicht einen direkteren Zugriff auf alle Ressourcen, die für die Aufklärung der Sachverhalte notwendig sind.“ Der Umbau folge ersten Empfehlungen der externen Berater, die Siemens zur Aufklärung bestellt hatte.

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