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Nicht George Clooney: Angela Merkel mit Nestlé-Chef Paul Bulcke.

© dpa

Kaffeekapseln aus Mecklenburg-Vorpommern: Angela Merkel legt Grundstein für Nestlé-Werk in Schwerin

Nestlé baut in Schwerin ein Werk für Kaffeekapseln. Es ist die größte private Investition seit Jahren in Mecklenburg-Vorpommern. Angela Merkel kam zur Grundsteinlegung.

Angela Merkel ist ein bisschen zu schnell. „Sie müssen warten, bis alle ihren Schraubenschlüssel angesetzt haben“, ruft der Polier. Doch die Kanzlerin fixiert bereits eifrig eine überdimensionale weinrote Kaffeekapsel in einem Plexiglasgestell.

„Dolce Gusto“ steht auf der Kapsel. In ein bis zwei Jahren sollen jährlich zwei Milliarden von ihnen die Nestlé-Fabrik im Süden Schwerins verlassen.

Bis auf einen Verwaltungstrakt im Rohbau und eine planierte Fläche groß wie sieben Fußballfelder ist bei der Grundsteinlegung an diesem Freitagmittag noch nicht viel zu sehen. Der Wind treibt den Sand vor sich her.

Ursprünglich sollten hier bayerische Autos gebaut werden. Nun sind es eben schweizer Kaffeekapseln, die bald vom Band laufen. Zwischen dem geplanten und dem tatsächlichen Ereignis liegt mehr als ein Jahrzehnt, in dem der ehemalige Truppenübungsplatz auf seine neue Nutzung als Industriegebiet wartet.

2001, als der Kanzler noch Schröder hieß, entschied sich BMW, die Milliarde Euro für ein neues Werk doch lieber im sächsischen Leipzig als in Schwerin zu investieren. Doch Erwin Sellering (SPD), Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns, schaut lieber nach vorn. „Wien als Hauptstadt des Kaffees wird Schwerin wohl nicht ablösen“, ahnt er zwar. Rund 220 Millionen Euro steckt der schweizer Lebensmittelmulti mit einem Jahresumsatz von gut 92,2 Milliarden Franken in das Projekt. Gut 22 Millionen Euro gab das Land dazu. Das Werk sei eine „sehr wichtige Investition“ für das gesamte Bundesland.

450 neue Arbeitsplätze

Das hat auch Merkel erkannt. Die Region ist dünn besiedelt und strukturschwach. Die Werften an der Ostsee, einst der industrielle Stolz mit rund 30 000 Mitarbeitern, beschäftigen heute gerade noch 3000. Die Landeshauptstadt Schwerin bietet vor allem jenen Beschäftigung, die im öffentlichen Dienst, in Behörden oder in anderen Bereichen des Dienstleistungssektors arbeiten. Das Kapselwerk soll 450 Arbeitsplätze im Verarbeitenden Gewerbe schaffen und ist die größte private Einzelinvestition seit 1990. Merkel hat ihren Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern, im Herbst will sie wiedergewählt werden. Einen besseren Termin, um sich als heimatverbundene Macherin zu inszenieren, wird sie schwer finden.

Die günstige geographische Lage sei mit ausschlaggebend für die Entscheidung von Nestlé gewesen, sagt Konzernchef Paul Bulcke vor den rund 200 Gästen. Der Hamburger Hafen als weltweit größter Umschlagplatz für Kaffee ist eine runde Autostunde entfernt. Nordeuropa ist über Nord- und Ostsee erreichbar. Die Facharbeiterdichte in der Region sei hoch, betont Deutschlandchef Gerhard Berssenbrügge.

Bei der Schweriner Arbeitsagentur hat man viel zu tun, seit die Schweizer sich vor gut einem Jahr für den Standort entschieden. Mehr als 1200 Bewerbungen sind bei Britta Hentrich eingegangen. Für die Auswahl hat die Arbeitsagentur sogar ein eigenes vierköpfiges Nestlé-Team gegründet. Etwa 60 Prozent der Bewerber kommen aus dem Schweriner Raum, schätzt die Arbeitsvermittlerin. Die große Nachfrage noch bevor überhaupt eine der zwölf geplanten Fertigungsstraßen ansatzweise fertig ist, hängt wohl auch mit der Bezahlung zusammen. „Alle Arbeitsplätze sind tarifgebunden“, sagt Mario Klepp, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Nachfrage in Mecklenburg-Vorpommern ist mäßig

In der Ernährungsindustrie in Mecklenburg-Vorpommern sind gut 14000 Menschen beschäftigt. Mit einem Jahresumsatz von gut vier Milliarden Euro ist sie der stärkste Industriezweig im Land.

Das Umsatzwachstum bei Kaffeekapseln liegt nach Nestlé-Angaben deutlich im zweistelligen Prozentbereich. Das Unternehmen sei Marktführer in Deutschland und europaweit. Am neuen Standort haben die Schweizer aber noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Lediglich 14 Prozent der Haushalte in Mecklenburg-Vorpommern haben eine Kapselmaschine, hat Konkurrent Tchibo in einer Studie herausgefunden. Bei Spitzenreiter Hamburg sind es fast 24 Prozent.

Am Ende hält die Kanzlerin inne. Alle – Sellering, Gulcke, Berssenbrüge und Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) – dürfen nun doch noch mitschrauben.

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