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Wirtschaft: Kaffeeklatsch war gestern

Der Anspruch im Verkauf ist hoch – das Gehalt auch

So gut war das Vertriebsklima in Deutschland lange nicht mehr. Der Geschäftskundenvertrieb läuft hervorragend; allein das Neugeschäft legte in den letzten drei Monaten um mehr als zehn Prozent zu, teilte die auf Vertrieb spezialisierte Personalberatung Xenagos mit. Entsprechend gefragt sind gute Vertriebsleute. Sie haben sich zu einer knappen Ressource am Arbeitsmarkt entwickelt: Unternehmen suchen händeringend Spezialisten und Nachwuchskräfte, die mithelfen, die boomende Nachfrage zu bedienen.

„Die Karriere- und Aufstiegschancen im Vertrieb sind ausgezeichnet. Auch die Gehälter sind hoch“, erklärt Christian Näser, Vergütungsexperte der Personalberatung Kienbaum. Top-Verkäufer verdienten 2010 im Mittel 89 000 Euro, Vertriebsleiter erhielten ein Salär von 135 000 Euro. Meist lockt neben dem attraktiven Jahresgehalt ein Firmenwagen samt Privatnutzung. Und: Auch ohne Studium bietet der Vertrieb sehr gute Ein- und Aufstiegschancen: „Im Verkauf kommt es auf das akquisitorische Talent und weniger auf den akademischen Abschluss an“, erklärt Christian Näser.

Doch die Anforderungen an Mitarbeiter sind hoch. Auch wenn die Konjunktur boomt. Kaffeebesuch beim Lieblingskunden, freie Zeiteinteilung fernab der Zentrale – diese Zeiten sind lange vorbei. Die teure Verkäuferzeit muss ambitionierten Ergebniserwartungen gerecht werden. Auch die Ansprüche der Kunden sind seit der Krise noch einmal gestiegen. Es gilt, Vertrauen zurückzugewinnen und passende Konzepte zu bieten, anstatt gebetsmühlenartig die eigenen Leistungen zu preisen.

„Heute werden Lieferantenbeziehungen permanent überprüft. Der Verkauf wird somit ständig vor die Frage gestellt, ob er – und nicht etwa der Wettbewerb – dem Kunden am besten hilft, seine Ziele zu erreichen“, beschreibt der Düsseldorfer Verkaufstrainer Andreas Buhr die Herausforderung. Nach dem Abschluss ist vor dem Abschluss, lautet die Devise des modernen Verkaufs- und Kundenmanagements. Kundenbeziehungen sind insgesamt weniger beständig, die Wechselbereitschaft ist hoch.

Mit fachlicher Kompetenz überzeugen und dabei immer die Kundenbedürfnisse im Blick behalten: Das ist der Spagat, den Verkäufer heute leisten müssen. Nicht jeder ist hierfür geeignet. Persönlichkeit, fachliche Expertise und Motivation gelten im Verkauf als unverzichtbar – und eine vergleichsweise hohe Frustrationsgrenze und Hartnäckigkeit. Denn auch Rückschläge müssen Verkäufer wegstecken können. Trotz Absagen mit Kunden immer wieder ins Gespräch zu kommen, dieser Anspruch ist Tagesgeschäft.

Hinzu kommt: Die Arbeit im Vertrieb ist komplex. Ein dichtes Netz an Ansprechpartnern und Anliegen gilt es zu bedienen – besonders im Verkauf an Geschäftskunden. Unternehmen organisieren ihren Einkauf immer professioneller, arbeiten mit sogenannten Buying-Centern, in denen der Verkäufer nicht nur dem Einkäufer, sondern gleich einem ganzen Konglomerat aus Beschaffungsspezialisten, Controllern, Technikern und Anwendern gegenübersitzt. Dort den Interessenausgleich zu schaffen, die Anforderungen aller Beteiligten zu integrieren, ist Aufgabe des Vertriebs.

Einfühlungsvermögen, Kommunikationsstärke und die Fähigkeit, in wechselndem Umfeld immer wieder neu zu überzeugen: Diese Herausforderung – kombiniert mit vergleichsweis viel Freiheit – locken immer mehr Akademiker in den Beruf. Das Klischee des Klinkenputzers, das Hochschulabsolventen vom Vertrieb einst Abstand nehmen ließ, verblasst. Doch ganz ohne Jagdinstinkt funktioniert auch der moderne Vertrieb nicht: Über Erfolg oder Misserfolg, Mittelmaß- oder Top-Verkäufer entscheiden immer noch die erzielten Vertragsabschlüsse und das Erreichen der von der Verkaufsleitung festgelegten strategischen Ziele.

Um der gestiegenen Komplexität Rechnung zu tragen, setzen Unternehmen zunehmend auf Vertriebsteams, die je nach Kunde und Projekt in unterschiedlichen Konstellationen unterwegs sind. Teamfähigkeit ist also eine weitere Facette, die Verkäuferpersönlichkeiten heute mitbringen müssen. Eine Tatsache, an die sich auch altgediente Einzelkämpfer im Außendienst gewöhnen müssen.

Annette Mühlberger

Annette Mühlberger

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