zum Hauptinhalt
Immer enger wird die Lage für die Mitarbeiter der Kette Kaiser’s Tengelmann.

© REUTERS

Kaiser's Tengelmann: Angst vor dem Kassensturz

Der Verkauf von Kaiser’s an Edeka zieht sich schon über zwei Jahre. Allein in Berlin sind davon 5.600 Angestellte betroffen.

An einem der unordentlichsten Orte der Stadt sorgt sie für Ordnung. In der Kaiser’s Filiale am Kottbusser Tor legt die Angestellte Wurst in die Auslage, schneidet Schinkenknacker ab und wiegt Schnitzel. Ob sie in einer Woche noch hier ist? „So schnell geht das nicht.“ Was wirklich wird aus dem Laden und aus ihr, „das wissen nur die Chefs“.

Von Monat zu Monat werden die Kaiser’s-Mitarbeiter unruhiger, sagt die Leiterin einer andere Filiale. Wie alle anderen Beschäftigten möchte sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Wieder und wieder fragen Kunden: „Was wird aus euch? Bleibt ihr?“ Viel antworten können die Mitarbeiter dann nicht, denn sie wissen wenig. Was sie wissen, erfahren sie von Zetteln, die in die Filialen gefaxt werden. Das letzte Fax kam am vergangenen Freitag. Darin stand, dass Firmeneigentümer Karl-Erivan Haub entschieden habe, zwei weitere Wochen zu warten, bis das Unternehmen zerschlagen und Einzelteile verkauft werden. Die Filialleiterin sagt: „Ich habe noch die Hoffnung.“ Aber: „Was sollen zwei Wochen bringen, was zwei Jahre nicht gebracht haben?“

"Nach jeder Schlagzeile kommen weniger Kunden"

Die Geschichte beginnt am 7. Oktober 2014. An diesem Tag teilte Tengelmann mit, dass die Unternehmensgruppe beschlossen habe, „Kaiser’s Tengelmann zum 30. Juni 2015 an den Edeka-Verbund abzugeben“. Zwei Monate bevor die 450 Supermärkte verkauft werden sollen, entscheidet das Bundeskartellamt, den Verkauf zu stoppen. Denn der neue Edeka- Kaiser’s-Konzern könne aufgrund seiner Größe den Wettbewerb gefährden und die Preise unverhältnismäßig erhöhen.

„Es wäre das Beste, wenn wir von Edeka übernommen werden würden“, meint die Filialleiterin. Für diesen Fall garantiert das Unternehmen jedem Angestellten, ihn mindestens fünf Jahre lang weiter zu beschäftigen. Das war eine der Auflagen, die Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Januar diesen Jahres gestellt hatte und die Edeka bereit war zu erfüllen. Gabriel unterzeichnete also eine Ministererlaubnis, mit dieser überstimmte er das Bundeskartellamt. Ein Edeka-Deal schien möglich – bis Mitte Juli. Da watschte das Oberlandesgericht Düsseldorf Gabriel ab und hob dessen Erlaubnis vorläufig auf. „Nach jeder Schlagzeile kommen weniger Kunden“, hat ein anderer Kaiser’s-Filialleiter beobachtet. Und Schlagzeilen gab es viele. Auch Mitarbeiter würden kündigen – vor allem junge, sagt der Filialleiter.

Seit 1989 keine Bewerbung geschrieben

Sie würden versuchen, schon jetzt woanders unterzukommen, bevor womöglich demnächst sehr viele Kaiser’s-Mitarbeiter auf den Arbeitsmarkt drängen. In den 120 Berliner Kaiser’s-Filialen arbeiten 5600 Menschen. Sollte der Konzern zerschlagen werden, könnte schätzungsweise jeder Zweite seinen Job verlieren. „Ich habe in meinem Leben nur eine Bewerbung geschrieben“, sagt der Filialleiter. Das sei 1989 gewesen, damals bewarb er sich bei Kaiser’s. Das Unternehmen hat er seitdem nicht verlassen.

Ihren Marktwert testen wollte die Filialleiterin. Sie bewarb sich auf zwei Stellen, führte Gespräche. Als das Telefon klingelte und jemand sagte, sie könne anfangen, sagte sie: „Ich melde mich.“ Sie wartet ab und hofft, dass Rewe die Klage zurückziehen wird. Doch ein Kompromiss sei nur mit den Supermarktkonzernen Markant und Norma möglich, teilte Rewe am Freitag mit. Die drei Unternehmen reichten Klage gegen die Ministererlaubnis ein. Zögen sie diese zurück, könnte Edeka alle Kaiser’s-Filialen übernehmen.

"Wir sind in den finalen zwei Wochen"

Deshalb saßen vor acht Tagen erstmals alle an einem Tisch: der Eigentümer von Kaiser’s, Karl-Erivan Haub, Edeka-Chef Markus Mosa, der Rewe-Vorstandsvorsitzende Alain Caparros und der Vorsitzende von Verdi, Frank Bsirske, der das Treffen initiiert hatte. Markant- Chef Franz-Friedrich Müller ließ sich telefonisch zuschalten. Norma blieb fern. Hinterher hieß es, sie hätten „Fortschritte erzielt“. Haub verschob daraufhin die Aufteilung von Kaiser’s um zwei Wochen. Eine Woche ist vergangen, getroffen haben sich die Beteiligten bislang nicht mehr. Wann sie das nächste Mal zusammenkommen, ist nicht bekannt. Aber die Zeit läuft ab. Wenn es in den nächsten Tagen keine Lösung gibt, wird Haub seine Filialen Ende kommender Woche zum Verkauf ausschreiben. Vorher, am Mittwoch und Donnerstag treffen sich die Mitarbeiter von Kaiser’s in Nordrhein-Westfalen und Berlin auf Betriebsversammlungen.

In den Betrieben hielten die Mitarbeiter eng zusammen, sagt der Filialleiter. Um die Stimmung nicht noch stärker zu belasten, sei er nachsichtiger geworden und sehe auch schon mal über kleine Fehler hinweg. Wie viele Mitarbeiter ahnt er, dass die Frist bis zum kommenden Freitag die letzte sein könnte. „Wir sind in den finalen zwei Wochen.“ Immerhin helfen die Kunden, indem sie vielen Angestellten Mut machen. Eine andere, schon ältere Mitarbeiterin sagt, sie sei mit den Kunden alt geworden. „Jetzt sterben sie uns weg. Die vorm Tresen, wir hinterm Tresen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false