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Wirtschaft: Kampf der Banken

Die holländische ABN Amro wehrt sich gegen eine Zerschlagung und glänzt mit guten Geschäftszahlen

Berlin - Der Kampf um die niederländische Bank ABN Amro wird immer heißer. Die Bank wehrt sich gegen einen Übernahmeversuch durch ein Konsortium unter Führung der Royal Bank of Scotland (RBS). Nach Angaben aus Finanzkreisen will sie dem Konsortium vorerst keinen Einblick in ihre Geschäftsbücher gewähren. Stattdessen treibt sie die Verhandlungen mit der britischen Bank Barclays voran. Bis zum Mittwoch wollten die beiden ein Abkommen über ein Zusammengehen schließen, berichtet die britische Zeitung „Financial Times“. ABN Amro und Barclays führen seit mehr als drei Wochen Exklusiv-Verhandlungen. Die Frist, bis zu der die Exklusivität vereinbart ist, läuft aber am Mittwoch ab.

Das Konsortium aus der Royal Bank of Scotland, der spanischen Banco Santander und dem belgisch-niederländischen Finanzkonzern Fortis, das am Freitag sein Interesse an ABN Amro bekundet hatte, wolle die Bank untereinander aufteilen und im Notfall auch feindlich übernehmen, heißt es in Finanzkreisen. Santander habe Interesse am Geschäft in Brasilien und Italien, Fortis am niederländischen Kundengeschäft. Die RBS wolle das Investmentbanking und das US-Geschäft von ABN Amro übernehmen.

Analysten sind von dem Plan überrascht. „Bisher bin ich davon ausgegangen, dass es im Bankenmarkt keine feindlichen Übernahmen gibt“, sagte Branchenexperte Konrad Becker vom Bankhaus Merck Finck dem Tagesspiegel. „Da werde ich offenbar eines Besseren belehrt.“ Becker räumt dem internationalen Konsortium die größeren Chancen ein, falls es zu einem Bieterkampf um ABN Amro kommen sollte. „Bei einer Filetierung der Bank sind die Einsparmöglichkeiten größer, deshalb können die Bieter einen höheren Preisaufschlag zahlen“, erklärte der Analyst.

ABN Amro gehört zu den größten europäischen Banken und zeigte am Montag mit der überraschenden Vorlage ihrer Quartalsbilanz, wie gesund sie ist. Der Überschuss stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 31 Prozent auf 1,31 Milliarden Euro. Unterstützt durch die guten Zahlen und die Aussicht auf einen preistreibenden Bieterkampf kletterte die Aktie am Montag um knapp sechs Prozent auf ein Rekordhoch von 35,56 Euro. Damit ist die Bank rund 67,5 Milliarden Euro wert und es geht potenziell um die größte Bankenfusion aller Zeiten.

Dass nach jahrelangen Gerüchten nun tatsächlich Bewegung in den europäischen Bankenmarkt kommt, ist vor allem ein Verdienst der Hedgefonds. Der britische Investor TCI ist Großaktionär bei ABN Amro und hatte schon im Februar gefordert, die Bank aufzuspalten, weil damit die Einzelteile wertvoller würden. Kurz darauf hatte ABN Amro Fusionsgespräche mit Barclays aufgenommen – aus Angst, zerschlagen zu werden, wie viele Analysten meinen.

An der Börse blühen nun die Übernahmefantasien für den gesamten Bankenmarkt. In Deutschland steht die Commerzbank im Fokus. Der Kurs der Aktie legte am Montag um knapp vier Prozent zu. „Der Druck auf den deutschen Markt steigt immens“, sagte Wolfgang Gerke, Professor für Bankwesen an der Uni Erlangen-Nürnberg, dem Tagesspiegel. Die Commerzbank sei in vielen Feldern aktiv und deshalb am ehesten auf einen starken Partner angewiesen. Analyst Becker von Merck Finck glaubt hingegen nicht, dass eine deutsche Großbank bald zum Kaufobjekt werden könnte. „Warum sollte jemand, der kaufen möchte, ausgerechnet in den Markt gehen, der die niedrigsten Margen hat und am stärksten zementiert ist“, fragt er.

Stefan Kaiser

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