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Wirtschaft: Kampf gegen Chipkarten-Missbrauch

Techniker-Krankenkasse führt erstmals bundesweit Prüfsoftware ein

Berlin - Immer mehr Krankenkassen wollen gegen den Missbrauch von Versichertenkarten vorgehen. Nach Tagesspiegel-Informationen wird die Techniker Krankenkasse (TK) ab Herbst bundesweit eine spezielle Prüfsoftware für Arztpraxen einführen, die so genannte Verax-Liste. Die TK ist mit 5,6 Millionen Versicherten Deutschlands drittgrößte Krankenkasse – und die erste, die Verax flächendeckend einsetzen wird. 100000 Ärzte und 44000 Zahnärzte werden dann eine Software auf ihren Praxisrechnern haben, die prüft, ob die vorgelegte TK-Chipkarte gültig ist und ob der Patient von Zuzahlungen befreit ist. Sie kann gesperrte Karten identifizieren, zum Beispiel wenn ein Versicherter deren Verlust oder Diebstahl gemeldet hat.

Auf dem Schwarzmarkt werden die herrenlosen Chipkarten für bis zu 150 Euro gehandelt. Die Kunden sind zum Beispiel illegal in Deutschland lebende Ausländer oder Osteuropäer, die sich so teuere Medikamente besorgen, die es in ihren Heimatländern nicht gibt. Oder auch Drogenabhängige, die sich mit den gestohlenen Karten anonym Opiate oder Ähnliches organisieren.

Umstritten ist jedoch, wie groß der Schaden ist. Die Schätzungen reichen von bundesweit jährlich wenigen Millionen Euro bis zu einer Milliarde. Erfahrungen hat beispielsweise die Berliner Betriebskrankenkasse der Verkehrsbauunion (BKK VBU) gesammelt. Sie hat Anfang des Jahres als erste Kasse die Verax-Liste in einem auf rund 400 Arztpraxen beschränkten Pilotprojekt getestet. Das Ergebnis: Innerhalb von drei Monaten wurden 138 Chipkarten missbräuchlich verwendet. Daraus errechnete die Kasse, dass sie durch dieVeraxListe allein in Berlin einen Schaden von einer Million Euro pro Jahr vermeiden könne – bei rund 125000 Mitgliedern in der Hauptstadt. Hochgerechnet auf die TK mit bundesweit 3,6 Millionen Mitgliedern wären das über 23 Millionen Euro.

Diese Zahl will die TK nicht bestätigen. Aber: „Wir sind sicher, dass sich die Verax-Liste für uns rechnet“, sagte TK-Sprecherin Dorothee Meusch. Über die Kosten haben Software-Firma und TK Stillschweigen vereinbart. Sie dürften im unteren einstelligen Millionenbereich liegen, denn der Hersteller verlangt eine bis zu zehnprozentige Beteiligung an den Einsparungen.

Auch andere Krankenkassen sehen im Missbrauch von Chipkarten offenbar ein Problem. Die Kaufmännische Krankenkasse in Hannover (1,9 Millionen Versicherte) hat gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen am 1. Juli einen Modellversuch mit Verax gestartet. 300 Arztpraxen sind mit dabei. Auch mehrere Allgemeine Ortskrankenkassen prüfen die Verax-Liste.

Trotzdem ist sie umstritten. Verax werde in den Spitzenverbänden heftig diskutiert, heißt es vom Ersatzkassenverband. Manche fragten, ob sich diese Investitionen noch lohnten, bevor 2006 die elektronische Gesundheitskarte eingeführt werden soll, die personengebunden ist und so den Missbrauch erschwert.

Klaus Kirschner (SPD), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag, nennt diese Investitionen „ völlig unnötig, wenn sich die Ärzte bei unbekannten Patienten neben der Versichertenkarte einen Ausweis zeigen ließen“.

Doch die Kassenärzte sind da skeptisch. „Wenn der Doktor einen Ausweis verlangt, dann ist das Arzt-Patientenverhältnis, das ja auf Vertrauen basiert, von Anfang an beeinträchtigt“, sagt Roland Ilzhöfer, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Diese Prüfung sei Sache der Krankenkassen.

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