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Hektik pur. Eine Steuer könnte Kursturbulenzen abmildern, hoffen Befürworter.

© AFP

Kampf gegen Spekulation: Steuern mit der Steuer

Bremst eine Abgabe auf Finanzgeschäfte die Spekulation? Die Experten streiten, ob die so genannte Finanztransaktionssteuer sinnvoll ist.

Berlin - Sollte die Geldbranche über eine Umsatzsteuer im Handel mit Finanzprodukten an den Kosten der Krise beteiligt werden? Und könnten die Staaten der Eurozone eine solche Finanztransaktionssteuer auch ohne die USA oder Großbritannien einführen? Diese Fragen sind derzeit sogar innerhalb der Regierungskoalition hart umstritten. Darum traf gestern die Anhörung des Bundestags-Finanzausschusses zum Thema auf breites Interesse. Nicht weniger als 41 Experten und Verbandsvertreter waren geladen und selbst der große Fraktionssaal der SPD im Reichstag reichte nicht aus, um allen Interessierten Platz zu bieten.

Das deutlichste Wort kam aus Wien. Andreas Schieder, Staatssekretär im österreichischen Finanzministerium, erklärte per Videoschaltung, warum in seinem Land die Steuer auf den Finanzhandel schon lange „von allen Parteien gemeinsam“ gefordert wird. Grundlage sei die von seinem Ministerium schon vor der Krise in Auftrag gegebene Forschung am Wiener Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Dort sei überzeugend nachgewiesen worden, dass die Steuer „die überschießenden Preise auf den Märkten“ ausbremsen und gleichzeitig ein hohes Steueraufkommen zur Bewältigung der Krisenfolgen generieren könne. Darum hätten sich neben Österreich auch die Parlamente in Belgien und Frankreich schon dafür ausgesprochen, sagte Schieder. Würde nun auch der Bundestag dafür stimmen, dann „wäre das der Durchbruch“ in Europa, versicherte Schieder.

Das versuchte die große Mehrheit der Branchenvertreter den Abgeordneten auszureden. So argumentierte Rolf Siebel vom Bundesverband Investment und Asset Management, die Umsatzsteuer für den Finanzhandel würde vor allem „Sparer und Lebensversicherungskunden“ treffen. Über 30 Jahre gesehen, könne das 1,5 Prozent der Sparsumme ausmachen. Dem widersprach Sony Kapoor, der früher als Händler für Finanzderivate bei Lehman Brothers beschäftigt war und heute als freier Berater arbeitet. Hauptbetroffene der Steuer wären gerade nicht die Kleinanleger, sondern Investmentbanken und Hedgefonds, die mit ihrem von Computern gesteuerten Handelsstrategien mehr als die Hälfte aller Umsätze auf den Finanzmärkte verursachen.

Und besonders belastet, so ergänzte die nach Berlin gereiste Wifo-Expertin Marit Schratzenstaller, würden selbst bei einem Steuersatz von nur 0,05 Prozent gerade jene Finanzakteure, die im Derivatehandel mit im Vergleich zu den großen Risiken kleinen Beträgen arbeiten, weil die Steuer auf die gesamte Risikosumme erhoben werden könne.

Ganz ähnlich verliefen die Fronten bei der Frage, ob die Staaten der Eurozone die Steuer alleine einführen könnten. Bernhard Speyer aus der Forschungsabteilung der Deutschen Bank kündigte an, dass bei Einführung der Umsatzsteuer künftig „mehr Handel innerhalb der eigenen Häuser abgewickelt werde“ oder so, dass die Transaktionen elektronisch nicht erfasst und somit nicht besteuert würden. Aber auch das wollte Praktiker Kapoor nicht gelten lassen. Selbst der Handel jenseits der Börsen „over-the-counter“ werde immer elektronisch abgewickelt und könnte mithilfe kleiner Software-Zusätze besteuert werden, sagte der frühere Lehman-Händler. Harald Schumann

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